Was Not tut – Wohin führt die „Krise“?

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Schärfer noch als bei allen vorangegangenen spaltet die derzeitige „Krise“ die Menschheit in Fraktionen auf, die sich immer erbitterter bekämpfen. Jede Seite will siegen – das Antisoziale überwiegt. Wie aber Wege zur Verständigung, zu einem gemeinsamen, freien sozialen Wollen finden? Ein Denkansatz.

Gespaltene Menschheit

Die Menschheit ist heutzutage gespalten: in Parteien, Fraktionen, Meinungen – bis hin zu den einzelnen Individuen. Jede „Krise“, jedes gemeinsame Problem bringt dies neu und immer stärker ins Bewußtsein. Das kann nicht anders sein, denn jeder Mensch will frei sein, frei denken und meinen. Es ist das ein gewisser antisozialer Zug in der heutigen Menschheit. Aber wie dann – so zerspalten – zusammenleben auf dieser einen Erde, die doch endlich ist, wo jeder mit jedem und alles mit allem zusammenhängt, wo alles, was der eine tut, den anderen auch betrifft?

Jede Meinung hat ihre Gründe, gute, weniger gute, schreckliche, wunderbare – ganz gleich, sie hat Gründe. Wer kann sich da aufschwingen und behaupten, er wisse alles besser als alle anderen, die eigenen Gründe seien die besten? Natürlich, es gibt Menschen, die das wollen. Aber was sie da wollen, trifft die Wahrheit nicht. Die anderen Meinungen bleiben ja vorhanden. Und das ist auch gut so. Denn Leben ergibt sich nur aus Verschiedenheit. Verschiedenheit erwirkt Widerstände, und aus Widerständen folgt Entwicklung, also Leben. Wären alle gleich, so gäbe es keine Entwicklung. Die Spaltung hat also auch einen Sinn

Kann man vielleicht tiefer fragen, um einer Antwort näher zu kommen?

Wissenschaft und/oder Wahrheit

Angenommen, es handele sich heute wirklich um eine extrem gefährliche Krankheit, die Millionen Menschen droht auszulöschen. Warum kommt sie dann gerade jetzt über die Menschheit? Wer bringt gerade jetzt zum Beispiel Regierende auf den Gedanken, sie müssten die Menschheit mit Angst überziehen, alternativlos? Warum dies gerade jetzt, und in dieser Form? Schließlich gab es auch vorher schon Krankheiten, Epidemien, Pandemien. Es wäre doch auch möglich, dass eine Mehrheit der Regierenden in einer solchen Situation andere Konzepte ersinnt? Oder, wenn man meint, die Sache wäre zentral geplant und gesteuert: warum wollen dann die mehr oder weniger unerkannten „Weltenlenker“ diese Sache gerade jetzt, in dieser Form? Wer gibt diesen Menschen gerade jetzt die Motive ein, die sie zu ihrem derzeitigen Handeln veranlassen? Welche Motive das sind, können wir ja nicht wissen, nur vermuten.

Das bringt uns auf des Pudels Kern, finde ich. Wir wissen einfach zu wenig von der Welt und dem Menschen. Wir haben nur Theorien, das heißt, wir unterstellen der Wirklichkeit, dass sie so wäre, wie wir uns das denken. Genauso unterstellen wir auch anderen Menschen, dass sie so seien, wie wir uns das denken. Was sollen wir auch tun, wenn wir doch nichts anderes zu Hand haben, um die Wahrheit zu finden?

Hier ist wohl eine Klarstellung nötig. Natürlich behaupten Wissenschaftler der verschiedensten Richtungen, dass sie die Wahrheit wüssten. Wenn es ihnen aber nicht möglich ist, mir das erlebbar zu machen, bin ich immer auf blinden Glauben angewiesen. Und der kann täuschen. Vielleicht täuschen diese Wissenschaftler sogar sich selber, glauben ihren eigenen Theorien, einfach, weil sie die Unsicherheit nicht ertragen, nicht zu wissen, nur Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten zu haben und damit niemals die Wahrheit.

Die Spitzenkönner der heutigen Wissenschaft allerdings haben dies immer zugegeben: wir wissen nicht, wir können nur vermuten, und letztlich das für uns Plausibelste dann eben glauben. Man lese als ein hervorragendes Beispiel einmal Stephen Hawkings „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (1). Die Wahrheit weiß eben keiner dieser Wissenschaftler, und – natürlich – wir kleine Dilettanten dann auch nicht. Was gibt uns also das Recht, unseren Glauben über den der anderen zu stellen? Und wenn wir das nicht finden können, ein solches Recht, wie soll dann jemals sinnvolles Zusammenleben der Menschen möglich werden, bei den Gegensätzen, die sich immer tiefer und immer öfter auftun?

Fazit: was heutzutage als „Wissenschaft“ auftritt, hilft nicht weiter. Es hat genauso wenig Boden, wie ansonsten dieser oder jener Glaube. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass immer öfter „Wissenschaftler“ nach der Maxime handeln: wes Brot ich eß, des Lied ich sing.

Der „richtige“ Weg

Aufgrund der Vorlieben der Menschen bilden sich diese oder jene Gruppen um diese oder jene Meinung, und so entsteht der Krieg des Menschen gegen den Menschen, je mehr in der Gruppe, in der „Filterblase“, desto schlimmer. Es wird wohl kaum möglich sein, hier den „richtigen“ Weg aus der Kalamität zu finden. Denn jeder mögliche Weg widerlegt über kurz oder lang sich selbst, indem er die „Anderen“, die „Gegner“ ausschließt und sich selbst zur alleingültigen Richtschnur erklärt. Also – um es klar zu sagen – indem er alle anderen versucht zu beherrschen. Aber weil es ja die „Anderen“ gibt, die er beherrschen muss, ist er eben nicht „alleingültig“.

Auf dieser Erde leben wir alle gemeinsam, und daher hat das, was der eine tut gegenüber dem anderen, über kurz oder lang auch seine Rückwirkungen auf den Täter selbst. Jede Ideologie, die sich selbst zur Herrschenden machen will, geht über Leichen und Blutvergießen: Hitler, Stalin, Mao, Mussolini, Elitegruppen aus Industrie und „Wissenschaft“, die sogenannten „Neoliberalen“ und wer sonst noch alles. Alle kennen sie nur diesen Weg: Macht auszuüben und den „Gegner“ zu vernichten oder mindestens so zu unterdrücken, dass er nicht mehr stört. Ein kurzer Blick auf die Geschichte kann uns lehren, dass das zu nichts führt. Irgendwann ist dann die andere Seite dran. Dann geht das Blutvergießen weiter.

Gibt es vielleicht einen ganz prinzipiellen Grund, warum das besonders in unserer Zeit so unentrinnbar scheint?

Wir denken vom Einzelnen aus

Der Grund liegt in unserer Art zu denken, über Welt und Mensch, über uns selber und den Anderen. Die Frage, die uns die „Krise“ derzeit vorlegt, weist uns darauf hin. Da gibt es – mit ausgetüftelten Methoden gefunden – ein winziges, im alltäglichen Leben unsichtbares Etwas, über dessen Existenz und Eigenschaften nur Spezialisten etwas wissen. Esoterik pur also – im ursprünglichen Sinne des Wortes: „Esoterik (von altgriechisch ἐσωτερικός esōterikós ‚innerlich‘, dem inneren Bereich zugehörig‘) ist in der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs eine philosophische Lehre, die nur für einen begrenzten „inneren“ Personenkreis zugänglich ist, im Gegensatz zu Exoterik als allgemein zugänglichem Wissen.“ (2). Virologie ist ja offenbar in diesem Sinne „esoterisch“. Und wenn sich schon die Virologen nicht über dieses winzige Etwas einig sind – sind die einzelnen virologischen „Schulen“ einander „esoterisch“ geworden? – wer von uns „Dilettanten“ soll dann beurteilen, wer nun das „Richtige“ sagt?

Unsere Zeit verlangt völlige Öffentlichkeit aller Dinge von allgemeiner Bedeutung. Andernfalls wäre alles Reden von Freiheit und Gleichheit eine Farce. Auch die Ansicht, dass die Welt eben so kompliziert sei, dass nur „Eingeweihte“ darüber etwas Relevantes sagen können, ist nur Meinung. Die Parteien und ihr Streit bleiben.

Könnte das Problem darin liegen, dass wir immer nur vom Einzelnen ausgehen, immer meinen, aus dem Einzelnen habe sich erst das Ganze geformt – durch Zufall, göttlichen oder teuflischen Plan, Dummheit der Menschen, Kampf ums Dasein, oder, oder, oder ….? Die derzeitige Auseinandersetzung ist ein Beispiel. Nur, wer über dieses kleine Etwas, das unsichtbare „Gespenst“ genau Bescheid weiß, weiß das „Richtige“. Denn das ist der Maßstab, sagt man, das Einzelne, das Virus. Ist es ein äußerst gefährliches Gespenst, dann kann es auch nötig sein, drakonische Maßnahmen zu ergreifen. Die ergriffenen Maßnahmen sind symptomatisch: sie vereinzeln die Menschen, etwas anderes fällt offenbar niemandem ein.

Auch der Streit, auf welchem Wege man diesem Gespenst und dem „Richtigen“ beikommt: durch Virologie, Statistik, mit dem Mikroskop, durch Gentechnik, oder wie sonst hilft nicht weiter. Jeder ist dabei, Einzelheiten zu sammeln und dann zu streiten – jeder nach Maßgabe seines Gesichtspunktes. Vom Einzelnen auszugehen, hilft also nicht.

Was aber hilft dann? Was ist das „Ganze“? Wo ist es zu finden?

Wo ist das „Ganze“?

Wir sind nicht der „Weltenschöpfer“ – sei er nun Gott, ein Urknall oder noch etwas ganz anderes – in dem das Ganze veranlagt gewesen sein mag. Wir sind heutige Menschen, die sich um wahrheitsgemäßes Erkennen bemühen können. Da ist es unausweichlich, den Geist des Menschen, sein individuelles Seins-Zentrum, aus dem alles Denken über die Wirklichkeit, alle Wissenschaft, aller Glauben letztlich hervorgeht, zum Ausgangspunkt zu nehmen. In ihm spielt sich alles Erklären der Wirklichkeit ab, sei es materialistisch, spiritualistisch, religiös, einfach dumpf oder was sonst noch alles. Und wenn wir von diesem realen, erlebten und erlebenden Menschen ausgehen, der sich in unzähligen Varianten in der Welt austobt, haben wir vielleicht eine Chance, etwas Gemeinsames zu entdecken.

Dann müssten wir eine Wissenschaft entwickeln von dem Denken, mit dem der Mensch die Wirklichkeit zu erklären trachtet, eine Wissenschaft, die jeder, der nur denken will, in sich selber nachvollziehen könnte, und die uns so auch zu einer Wissenschaft vom Menschen, dem Anderen führen könnte. Zu einer Wissenschaft dann also, die mir mein eigenes Denken ebenso wie das des Anderen verständlich macht. Sie wäre nicht „esoterisch“.

Wissenschaft vom Denken

Wohlgemerkt: ich rede von einer Wissenschaft vom Denken, nicht vom Gedachten! Denn das Gedachte bleibt individuell, da es alles dasjenige einbeziehen muss, was das einzelne Individuum von seinem Gesichtspunkt aus in der Welt erlebt. Das Denken selbst aber, der Weg, auf dem alles Wissen entsteht, ist universell, im Grundsatz allen Menschen gleich zu Eigen, und in Bezug auf diesen Weg ist alles, was mir durch einen Anderen zukommt, für mich nachvollziehbar.

Wir können als individuelle Menschen nichts wirklich Gleiches in der Welt finden, das uns mit allen anderen verbindet. Keiner kann durch die Augen des Anderen blicken, mit seinen Ohren hören, mit seinen Sinnen riechen, schmecken, tasten und so weiter. Meine Sinneswelt bleibt insofern nowendig „esoterisch“ im engsten Sinne, nämlich auf mich selbst beschränkt. Das ist und bleibt so. Das Denken als Weg kann aber immer für jeden anderen, der nur will, nachvollziehbar gemacht werden. Das erfordert „nur“ ernsthaftes Wollen, Mitteilung, Zuhören, Nach-Denken, also: selbstgewolltes soziales Tun. Es ist daher das eigentlich Universelle im Menschen, durch das die Menschen auch zu einander finden können.

Es ist eine Frage der Redlichkeit, auch die Quellen zu nennen, an denen sich das eigene Denken bildet. Die Tatsache, dass in unserer neuzeitlichen Geistesverfassung das Denken das universelle Element ist, hat als erster vollständig und philosophisch genau Rudolf Steiner beschrieben. Er wird meiner Ansicht nach oft vollständig verkannt, auch und gerade von vielen Menschen, die sich als seine „offiziellen“ Statthalter auf Erden betrachten. Was er in seinen grundlegenden Werken: „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“, „Wahrheit und Wissenschaft“ und vor allem „Philosophie der Freiheit“ dargelegt hat, ist bis heute nicht genügend verstanden und gewürdigt worden. Die Diskussion über die Gründe dafür würde hier den Rahmen sprengen, und ist letztlich auch müßig.

Gesagt kann aber werden, dass alle Kritik an seinen späteren Taten ohne eine verstehende Grundlegung im Nach-Denken der genannten Werke – im Sinne des oben genannten selbstgewollten sozialen (Nach-)Tuns bodenlos bleiben muss. Solche Kritik verdeckt nur die geistigen Leistungen, die Rudolf Steiner darin vollbracht hat. Was in seinem Leben später kam, kann von einem gewissen Gesichtspunkt aus eher als eine pädagogische Tätigkeit angesehen werden, in der er versucht hat, seine Einsichten denjenigen Menschen nahezubringen, die davon hören wollten, aber nicht die Möglichkeit und den Willen hatten, mit diesen Einsichten sich selber denkend zu befassen. Er hat eben für die Menschen gesprochen, die da waren. Andere gab es offenbar nicht.

Finden sich – durch die „Krise“ aufgeweckt – heute genügend selber Denkende? Dann könnte eine Wissenschaft vom Denken den Weg weisen in eine selbst-gewollte, soziale Zukunft.

Weitere Artikel zum Thema gibt es => hier

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(1) Hawking, Stephen W.: Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums. – Reinbek: Rowohlt Verlag GmbH, 1988. Kapitel „Unsere Vorstellung vom Universum“
(2) Wikipedia, Artikel „Esoterik“, 18.05.2020, https://de.wikipedia.org/wiki/Esoterik

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