Great Reset? Ja bitte, dann aber wirklich!

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Grenzen des Wachstums und Great Reset

In fast aller Munde ist inzwischen das Wort vom „Great Reset“, dem „Zurück zum Anfang“, das unsere Zivilisation nötig habe. Wir haben es überzogen, so sagt man, so wie bisher können wir nicht weiterleben, denn das ginge über die Grenzen des Tragbaren für Erde und Mensch.

Die Analyse ist im Grundsatz ja richtig. Wir kennen sie spätestens seit dem Bericht an den Club of Rome 1972: „Die Grenzen des Wachstums“. Unzählige Berichte und Studien folgten, die ein und dasselbe immer wieder zeigen: wir leben weit über unsere Verhältnisse. Das muss aufhören. Nur wie?

All die Mahnungen, auch die mahnenden (Natur-)Ereignisse haben ja kaum gefruchtet – es ist im Prinzip so weitergegangen wie zuvor. Es wurden hier und da kleine technologische Optimierungen vorgenommen, mehr nicht. Und da wollen nun die Protagonisten des sogenannten „Great Reset“ eine Lösung wissen: man muss das Ganze sozusagen „top-down“ neu starten. Das heißt dann: die führenden Persönlichkeiten (das sind heute also die finanzstärksten, will sagen die reichsten) wissen ja, was richtig ist, die regeln das für uns. Sie beauftragen Wissenschaftler mit den dafür nötigen Forschungen, machen Staatenlenker durch finanzielle Anreize ihren Plänen geneigt, das Wirtschaften nehmen sie dann ganz allein und ansonsten ungehindert in ihre kundigen Hände, und ihre Medienagenturen werden dann die Marketingfragen bearbeiten: wie verkauft man das am besten der Masse?1 Aber: hilft das wirklich weiter?

Keine Lösung

Nein, das hilft nicht weiter. Denn es setzt nur ein System fort, in dem der Einzelne nichts, der durch die Eliten bestimmte Weg aber alles bedeutet und bestimmt. Es ist nichts wirklich Neues. In einer Zeit, in der aber jeder Einzelne in einer immer technischer und unmenschlicher bestimmten Welt um seine Menschenwürde zu ringen hat, haben solche Ideen keine Grundlage mehr. Sie streben nur noch das Fortführen alter, längst überholter Formen an.

Wie kommt es nun aber, dass diese Idee des „Great Reset“ – gerade unter den Mächtigen – so viele Anhänger hat? Nun, sagt man, die sind eben Egoisten und wollen sich die Macht erhalten und sichern. Woher aber kommt dann dieser Egoismus?

Was ist und wird gewollt?

Er entspringt aus einer Weltanschauung, die heutzutage die Welt fast unumschränkt beherrscht. Nach ihr ist der Mensch letztlich – etwas auf die Spitze getrieben ausgedrückt – eine gewisse Masse organischer Materie, die durch Naturgesetze und Zufälle eben so geworden ist, wie sie ist, und in der durch eine bestimmte Verkettung von Naturprozessen die Illusion einer eigenständigen, selbstbewussten und individuellen Menschenwesenheit aufsteigt. Zwar kann man mit den Mitteln der heutigen Naturwissenschaft nicht genau erklären, wie und wo diese Illusion genau entsteht (also auch nicht, ob sie wirklich eine Illusion ist …), aber man glaubt eines ganz sicher zu wissen: diese sogenannte eigenständige, selbstbewusste Wesenheit Mensch existiert von der äußeren Materie Gnaden und ist daher nur ein „Nebeneffekt“ materieller Vorgänge. Daher wird dann „die Wissenschaft“ (wessen Wissenschaft eigentlich? Des Menschen? Also die Wissenschaft der Illusion?) die Sache einstmals schon erklären können.

Und wenn diese „Illusion selbständiger Mensch“ sich selbst erhalten will, muss sie eben vorrangig ihre materielle Versorgung sichern. Was einer isst, kann der andere nicht essen; was einer hat, gehört nur ihm und gibt ihm Macht, sich zu nehmen, was er will – also dem zu folgen, was an Wünschen in seiner „Illusion seiner selbst“ aufsteigt. Da ist dann der andere Mensch, der auch etwas will, eigentlich nur Hindernis, Konkurrent. Und so wird der Egoismus zum Sinn des Lebens. Auch und gerade bei denen, die viel haben – den „führenden Eliten“ also.

Jeder ist dabei

Nur bei ihnen? Nein, der Einzelne, der mit der Masse fremdgesteuert wird, will auch etwas haben, will dasselbe wie „die da oben“. Aber das wissen die „Chefs“ schon. Die Masse bekommt dann „Brot und Spiele“, oder, wie ein führender Politiker Amerikas es einmal ausdrückte, „Tittytainment“ (Zbigniew Brzeszinski). So soll die Masse „bei Laune gehalten“ werden.

Das Ganze ist dann aber nicht gerade ressourcenschonend zu bewältigen, jedenfalls bei der derzeitigen Menschenanzahl auf der Erde. Da will man dann bei den Verfechtern des „Great Reset“ einfach nur ein „Mehr vom Bekannten“: mehr Fremdbestimmung der Masse durch Konzentration allen Eigentumes bei der ja so „philanthropischen“ Elite, mehr digitale Überwachung, ja sogar ein Verschmelzen des Menschen mit der digitalen Maschine (sogenannter „Transhumanismus“). Vor allem aber: mehr Macht für die Elite, durch optimierte und rationalisierte Steuerung der Masse – eventuell auch durch gezieltes „Bevölkerungsmanagement“.

Was diese Verfechter richtig sehen, das ist: die Menschheit muss einen Entwicklungssprung tun, wenn sie und die Erde weiter existieren wollen. Nur bedeuten Digitalisierung und Transhumanismus – realisiert nach den Vorstellungen dieser Verfechter – die endgültige Fesselung des Menschen an die äußere Materie und ihre darin realisierten maschinellen Vorgänge.

Entwicklungssprung – wohin?

Der einzelne Mensch, der Angehörige der „Masse“ will aber eigentlich etwas Anderes: er will seine Menschenwürde spüren können. Er will endlich mitwirken im Erkennen und Gestalten der Welt und nicht nur eine Funktion der Materie oder einer fremdgesteuerten Maschine sein. Um das zu realisieren, bräuchte es aber einen ganz anderen „Great Reset“: eine neue Weltanschauung, die den Menschen als denjenigen ernstnimmt, der die Welt erkennt und gestaltet, der sich selber in Geist und Seele erlebt2, eine Weltanschauung also, die die Einsicht zur Geltung bringt, dass diese Welt ohne die Menschheit, ohne jeden Einzelnen Menschen darin gar nicht denkbar ist, und Welt und Mensch darum letztlich aufeinander angewiesen und von einander abhängig sind, ebenso wie die Menschen untereinander.

Von dort aus gedacht, könnten auch Gründe für das eigene Tun gefunden werden, die aus einer Aufgabe des Einzelnen für das Ganze hervorgehen und die darum geeignet sind, ihm seine Würde zu geben. Dazu braucht es allerdings keine führenden Eliten, aber jeden Einzelnen, der will. Dann könnten freie Menschen üben, wie man zusammenarbeitet, um das große Ziel der Freiheit zu verfolgen, einer Freiheit, nach der jeder dürstet, und die nicht nimmt, sondern gibt: der Welt, dem Einzelnen und der Menschheit insgesamt.

Great Reset – aber richtig!

Der Weg dorthin ist so einfach wie mühsam: das Glauben an das „Bessersein“ irgendwelcher „wissender“ Eliten zu beenden und selber genau hin zu schauen und zu denken. Die Eliten haben ihre Macht nur geliehen von denjenigen, die sie ihnen geben – ihnen also glauben. Keine Institution, kein technischer Trick kann ersetzen, was nötig ist: in jedem Einzelnen wieder den Menschen zum Ausgangspunkt des Lebens zu machen. Jeder Einzelne, der danach strebt, zählt mit.

Das wäre dann der „andere“, der „wirkliche“ Great Reset, und ein wahrer Neuanfang: beim Menschen anzusetzen, bei jedem Einzelnen, in der Erkenntnis (die von der Naturwissenschaft auf die Erkenntnis des geistigen, ewigen Kernes des Menschen erweitert werden müsste)3, im sozialen Leben, wo der Freie dem Freien begegnet4, und im gemeinsamen, einmütigen Wirtschaften für alle, im Einklang mit allem, was Kosmos und Erde uns geben wollen. Das fordert nur das Wollen der Menschen.

Das wäre doch den vollen Einsatz wert: ein solcher, wirklicher „Great Reset“, ein tatsächlicher Neuanfang! Oder?

© Stefan Carl em Huisken 2021

1Diese „führenden Persönlichkeiten“ gehen allerdings davon aus, dass die Gesellschaftsverfassung im Prinzip bleiben muss wie gehabt: es gibt eine führende Elite (also sie selber), die alles zu bestimmen hat, und eine unkundige Masse, die keinen Einfluss hat, sondern eben geführt wird.
Das ist im Übrigen seit altägyptischen Zeiten so (ausführlich geschildert in Lewis Mumford: Mythos der Maschine. Kultur, Technik und Macht. – Frankfurt/M., 1978). Waren es damals die Gottkönige, die durch ihr geheimes Wissen von Mensch und Kosmos sich über die Masse des Volkes erhoben, so folgten bald die – oftmals „von Gottes Gnaden“ durch die Priester eingesetzten – Kaiser, Könige und Fürsten, die sich auf ihren mehr oder weniger durch gewaltsame Eroberung erworbenen Besitz von Land (einschließlich der dort wohnenden Menschen) stützten. Dieser Besitz ging nach und nach in den großen Kapital- und Geldvermögen auf, deren Verwalter heute weltweit entscheidend bestimmen, wer wann wo und wofür die Mittel erhält um etwas zu tun, seien es Staatenlenker, Forscher oder andere Personen, denen man Einfluss ermöglichen will. Diese Eliten bestimmten immer selbst, wer zu ihnen gehörte und wer nicht.
Ein uraltes System also, in dem der Einzelne, soweit er nicht dieser Elite angehört, keine Rolle spielt, es sei denn als Statist oder „Verbrauchsmaterial“ der Herrschenden. Mag dies im alten Ägypten eine Grundlage gehabt haben – wer als einfacher Mensch meint, einem leibhaftigen Gott gegenüber zu stehen, hat zu eigenen Ideen der Lebensgestaltung wenig Anlass – so ist diese Grundlage doch immer mehr geschwunden. Hatten der „Cäsar“, der „Kaiser“ und der König wenigstens noch den Impetus des Gottgewollten, und ging dieser Impetus fast lückenlos in die alles bestimmende Funktion der heutigen Staaten über, so ist die Bedeutung der „Masse“ heute doch eine andere geworden.
Die heute Führenden haben ihren Antrieb in ihrem Besitz, in demjenigen also, was sie haben und benützen können, um Einfluss auszuüben. Sie lenken dadurch auch die Staaten, die sich die Herrschaft über Wissen und Können der Menschen längst gesichert haben.
Was allen diesen Gesellschaftsverfassungen gleich ist: der Angehörige der regierten Masse gilt als Untertan, als Abhängiger. Was im alten Ägypten das Volk der Gläubigen war, in Rom und Griechenland die Masse der Sklaven und anderweitig Unselbständigen, im Mittelalter leibeigen, das sind heute die Lohnsklaven, oder „politisch korrekter“ ausgedrückt die „abhängig Beschäftigten“. Die große Mehrheit also, die „Masse“, die von der „Elite“ regiert wird, und sonst nichts zu sagen hat.

2Jeder erlebt sich selber völlig immateriell durch seinen Geist in seiner Seele. Die äußere Wissenschaft weiß nur nichts davon, vom wirklichen, tatsächlichen Menschen, denn sie kennt ja nur die Materie.

3Was die Erkenntnis betrifft, vgl. zum Beispiel den Artikel Geisteswissenschaft auf meiner Website
www.emhuisken.de

4Siehe auf www.emhuisken.de die Artikel Den Anderen nach-denken hilft und Der Spiegel des Individuellen – Den Anderen nach-denken II

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