Undenkbar! Oder?

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I

Undenkbar

Undenkbarkeiten gibt es viele. Derzeit immer mehr und immer ungeheuerlichere. Dass es Pläne geben könnte zum Beispiel, die seit Jahrzehnten, ja Jahrhunderten verfolgt werden und die völlige Versklavung der Menschheit anstreben. Dass alles Relevante, was in der Menschheit vorgeht, gesteuert, inszeniert, geplant sein könnte: 9/11, die Corona-Pandemie, aber auch schon die Weltkriege des 20. Jahrhunderts und viele andere Grausamkeiten. Dass die ach so gloriose „Wissenschaft“, die seit dem 19. Jahrhundert die äußere Sinneswelt zur alleinigen Wirklichkeit erklärt und die uns im Übrigen durch ihre Errungenschaften wie die Biochemie, die Atomkraft und die maschinelle Durchdringung und Industrialisierung des gesamten äußeren – und inzwischen durch die Computer auch des inneren – Lebens in die Lage gebracht hat, in der wir heute sind, – dass diese glorreiche Wissenschaft in ihrem alles beherrschenden Ziel, den Menschen aus der Erkenntnis zu eliminieren, vielleicht unrecht hätte und von der Wurzel her erneuert werden müsste. Dass Regierende überall auf der Welt vielleicht Getriebene, Gelenkte, oft grässlich Inkompetente, Korrupte und in einem Wahn Befangene sein könnten. Und so weiter, und so fort. Alles natürlich undenkbar.1

Furcht

Warum? Weil wir uns fürchten. Fürchten vor den dunklen Abgründen des Menschlichen, die man im Denken zu ergründen hätte, wenn man es doch versuchte so etwas zu denken. Fürchten auch davor, all die dunklen Unter- und Hintergründe solcher Dinge auch in uns selber zu entdecken. Stattdessen versuchen wir lieber, die Dinge zu tun, die wir nicht denken können oder wollen: Macht gewinnen; zügellos die eigenen Wünsche walten lassen; wissen, dass wir selber die „Guten“ sind; dass wir uns selber und unsere Lebensweise nicht ändern müssen – das müssen nur immer alle anderen.

Die Furcht vor dem Ende des schon Bekannten produziert ständige „Dosiserhöhungen“ dessen, was wir schon kennen. Wenn uns die heutige materialistische Wissenschaft in eine Sackgasse führt: mehr davon. Oder auch: wenn der Lockdown nicht wirkt: mehr davon. Wenn die Computermodelle mit ihren irrwitzigen Vorhersagen von der Wirklichkeit widerlegt werden: mehr und neue davon. Also, kurz gesagt: reines Suchtverhalten.

Sucht

Wer schon einmal ausführlicher mit Süchtigen zu tun hatte, weiß eines: da, wo die Angst ist, geht es lang. Das ist der einzig rettende Weg. Also: die eigene Ohnmacht eingestehen (aber nicht zu dem Zweck, sich dann zurückzulehnen und zu sagen: „ich wusste es schon immer, ich kann nichts machen, das müssen die anderen“; das ist nur eine noch perfidere Finte der Furcht). Die Ohnmacht des heutigen Wissenschaftsbetriebes einsehen, die Wirklichkeit zu erkennen. Die eigene moralische Labilität – freundlich ausgedrückt – und damit das eigene Getriebensein von Egoismus betrachten. All das dann aushalten und nicht aufgeben.

Dann können wir vielleicht auch nachvollziehen lernen, was die „bösen Anderen“, die „skrupellosen Weltenlenker“ bewegt, wenn sie tun, was sie tun, und ja auch unverblümt zugeben. Die Reichenversammlung des WEF fürchtet sich vor der Unvollkommenheit des menschlichen Wesens, findet offenbar Computer (Menschenwerk also!) viel perfekter und möchte gerne damit verschmelzen: Transhumanismus nennt sich das dann. Regierende überall fürchten sich vor ihrem Volk und möchten es daher gerne zu etwas Kontrollierbaren, Planbaren, Steuerbaren machen. Wissenschaftler fürchten sich vor den Abgründen des menschlichen Geistes und möchten ihn darum aus der Erkenntnis ausschließen; da treffen sie sich mit den Transhumanisten, siehe oben. Der Gläubige fürchtet sich davor über das Absolute etwas zu wissen, der Unvollkommenheit der Wirklichkeit des Irdischen unausweichlich gerecht werden zu müssen.

Und so arbeiten sie alle zusammen – aus Furcht. Aus dem gleichen Grund im Übrigen, aus dem wir das alles mitmachen. Und wenn wir aus Furcht nicht mehr mitmachen wollen, machen wir dasselbe wie sie: wir suchen Macht, moralische Erhebung, Perfektion (das heißt dann hier „Kompetenz“), um die „Despoten“ zu zwingen.

Wir suchen also – Macht für die Liebe, die des Anderen Freiheit zwingt? Aber etwas Anderes können wir doch nicht, das ist doch undenkbar! So? Wer sagt das? Schon mal versucht? Oder, wie der Kabarettist Bodo Wartke es in einem Lied sagt: „Was, wenn doch?“2

II

Grenzen

Wer beginnt, über die derzeitige Situation der Menschheit und ihre (möglichen) Hintergründe nachzudenken, kommt schnell an Grenzen: Grenzen des Fassbaren, des Verstehbaren, des Erträglichen, oder auch ganz grundsätzlich des für uns heutige Menschen überhaupt Denkbaren. Dadurch ergibt sich die auf allen Seiten gleichbleibende Wiederholung der immer gleichen Argumente, Attitüden, Urteile und Gedankengänge. Man ist es inzwischen irgendwie leid: man versucht etwas zu erfassen und muss sich dann eingestehen, dass es einem nicht gelingt. Oder man gesteht sich die Ohnmacht nicht ein und dreht sich weiter in den immer gleichen Gedankenkreisen.

Sicherheit

Es ist daher vielleicht Zeit, die Gründe für dieses Erlebnis des Zerbröselns aller Sicherheit – auch und gerade Urteilssicherheit – einmal woanders zu suchen als beim immer falschen Denken der Anderen, der „Gegenpartei“ also.

Vielleicht liegt das Zerfallen aller Denk- und Lebenssicherheit ja auch an Gewohnheiten weltanschaulicher Art, die allen beteiligten, streitenden und in immer kleinere Fraktionen zerfallenden Akteuren gleich sind, und die deswegen das menschliche Zusammenleben auf der Erde so allgemein zerstören können, wie das schon seit langer Zeit geschieht, derzeit aber erst wirklich an die Oberfläche des Bewusstseins dringt, als Ausdruck einer ins Extrem getriebenen Unterbewusstheit der Wahrheit gegenüber.

Aber das können wir nicht denken: die ganze Menschheit, zumindest in der überwältigenden Mehrzahl der leitenden Personen in einem grandiosen, die Menschheit als solche in ihrer Existenz bedrohenden Irrtum, ja vielleicht Wahn? Undenkbar!

Moral und Wahrheit

Was aber wäre die Alternative? Etwa, dass diese Mehrheit der Leitenden aus bösem Vorsatz handelten? Also, kurz gesagt, seit Jahrzehnten oder länger an ganz klaren Plänen zur Vernichtung der Menschlichkeit systematisch arbeiten, aus welchen – undenkbaren! – Motiven auch immer? Wieder eine solche Undenkbarkeit.

Aber was sollten dann auch die Motive derjenigen sein, die solche Pläne verfolgen? Reicht die Annahme eines grenzenlosen Egoismus‘ aus, um Menschen zu Taten zu treiben, die in dem Maße zerstörerisch sind, wie es derzeit geschieht? Und wenn ja: wer oder was treibt die Menschen dann in diesen überbordenden Egoismus? Und was treibt diejenigen an, die diesem Egoismus dann irgendeine – welche auch immer – moralisch sich gebende Ideologie entgegenhalten: „Man muss doch, man kann doch nicht …“.

Doch, man muss offenbar, man kann auch. Das beweist ja einfach die Existenz derjenigen Menschen, die man da bekämpfen will. Daraus folgt zwingend, dass die Ideale, die man da verfolgt, eben nicht allgemeingültig sind, denn für die Bekämpften gelten sie ganz offenbar nicht. Solche Ideale bleiben eben auf der Ebene persönlichen Glaubens und Meinens – die Meinungsfreiheit ist doch ein hohes Gut, oder? Gewiss, das ist sie, aber sie wirkt real zur Zeit extrem sozial desintegrativ, vorsichtig ausgedrückt. Das wäre nur überwindbar, wenn es eine wirkliche Wahrheit gäbe, die für jeden Menschen nachvollziehbar wäre, und über die es daher keinen Streit geben könnte.

Aber das ist undenkbar! Eine Wahrheit? Die gibt es nicht! Höchstens kann durch Zwang und Unterwerfung, durch Manipulation und ähnliche Machenschaften der äußere Anschein der einen wirklichen Wahrheit einer Mehrheit der Menschen aufgedrückt werden. Die eine Wahrheit, die Wirklichkeit selbst, die gibt es nicht! Das steht fest, alles andere ist undenkbar!

Wer entscheidet?

So könnte man noch viele Dinge aufzählen, die von dieser oder jener Warte aus undenkbar sind: so böse, so inkompetent, verlogen, oder auch so gottgleich philanthropisch, so messiashaft gut etc. pp., wie es sich auf solchen Denkwegen ergibt, können die Menschen gar nicht sein, das ist undenkbar. Der „Great Reset“, die „Corona-Pandemie“ als Weg zur Menschheits-Versklavung, die wirre Politik mancher Regierungen als Ausdruck völliger Lebensfremdheit, und was es dergleichen an Zumutungen in der gegenwärtigen Auseinandersetzung noch mehr gibt, all das ist dann für große Menschengruppen einfach „undenkbar“ (und wird ihnen auch täglich so dargestellt), und muss daher aufs Schärfste bekämpft werden.

Der Richter, der all diese Dinge beurteilt, ist aber immer da zu suchen, wo etwas als „undenkbar“ dargestellt wird. Also bei demjenigen, der aus seinem Denken entscheidet, was für ihn „undenkbar“ ist. Und genau da liegt die Crux.

Genauso wie derjenige, der an die universelle Gültigkeit irgendeines Moralsystemes glaubt, in uralten, längst vergangenen gesellschaftlichen Verhältnissen, den uralten Theokratien offenbar hängen geblieben ist – die in weiten Teilen vollkommen moralfreie, rein nützlichkeitsbezogene und aus blindem Egoismus getriebene Handhabung der Macht hat solche alle Menschen umfassenden Moralcodice längst abgelöst –, genauso also ist der Wissenschaftler, der mit unbeugsamem Willen versucht, den Menschen und seine heutzutage unvermeidliche Subjektivität aus aller Erkenntnis auszuschließen (natürlich nur im Dienste der Wahrheit!), vollkommen in die Irre gegangen. Woher weiß denn dieser Wissenschaftler, was objektiv ist und was subjektiv? Ja, genau: aus seinem, seiner eigenen Ansicht nach ja ganz subjektiven Denken!

Das Undenkbare denken

Nein, eine Wahrheit kann man den Menschen heute nicht mehr von oben herab verkünden. Die müssen sie schon selber einsehen können. Das gilt auch für scheinbar unumstößliche Wahrheiten wie sogenannte „Grundrechte“. Wer deren Existenz nicht einsehen kann, achtet sie eben nicht. Das ist die ungeschminkte Wirklichkeit. Und wer nun meint, die Achtung für diese Grundrechte erzwingen zu müssen, z.B. auch für die menschliche Freiheit? Der zerstört sie genau mit diesem Anspruch.

Es bleibt kein anderer Weg, als immer genau gerade das „Undenkbare“ – denken zu lernen. Das heißt ja nicht, dass man das, was man da denken lernt, um es zu verstehen, nun auch gut und richtig finden muss. Aber ohne ein wirklich vorurteilsfreies Nachdenken gerade des scheinbar Undenkbaren entsteht kein wirkliches Verständnis für einander, und auch keine Möglichkeit, einen lebbaren Umgang mit einander zu finden. Wenn ich lerne, auch das für mein Urteil Fürchterliche zu denken, zu verstehen, dann komme ich der Wirklichkeit näher und baue an einer Grundlage für ein neues Zusammenleben auf dieser Erde.3

Leider ist diese Grundlage dann – horribile dictu!4 –für Viele eine ganz undenkbare, nämlich keine, da bloß geistig, und daher subjektiv und darum unwirklich. Echt jetzt? Ist es denn ganz undenkbar, dass der menschliche Geist eine wirksame Tatsache wäre und keine Einbildung? Ist die Freiheit des Menschen denn nur als egoistische Freiheit des Ungezügelt-Seins denkbar? Ist Freiheit nicht auch Voraussetzung wirklicher Liebe? Nein, das geht gar nicht?

Undenkbar!

© Stefan Carl em Huisken 2021

1 Was man nicht denken kann, nennt man heute „Verschwörungstheorie“

2Das Lied findet sich z.B. hier: https://www.youtube.com/watch?v=T1IDSzs1Ai8

3Vgl. meine Artikel Den Anderen nach-denken hilft und Der Spiegel des Individuellen – Den Anderen nach-denken II, zu finden unter https://emhuisken.de/uebersicht-beitraege-geisteswissenschaft/

4„Es ist schrecklich zu sagen“

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