Masken
(Aus gegebenem Anlass hier einige aphoristisch-poetische Bemerkungen über MASKEN und diejenigen, die sie tragen)
Schon lange umgeben uns Masken:
- Der Wissende, Weise, der die Wahrheit kennt, einst hießen sie Hohepriester. Der Quell ihrer Weisheit blieb geheim. Sie trug der Glaube. So ist es auch heute. Nur heißen sie anders – die Maske bleibt.
- Der Priester, der uns die Wahrheit lehrt, Vermittler der Wahrheit, der große Informator. Sie sprachen einst von dem, was sie selber erlebten, doch so, dass der Quell im Geheimen blieb, von Mißbrauch fern. Nur sie hatten Wahrheit, vom Hohepriester. Es gibt sie auch heute; der Name ist anders, die Maske dieselbe.
- Der Lenker, der weiß, wie die Wege des Menschen verlaufen, sieht mehr, oft mehr als nur der, der die Wege selber geht. Er weiß, wohin die Wege führen können – vor allem SOLLEN. Der Quell seiner Macht stammt von oben, vom Priester. Niemand weiß von den Gründen, aus denen der Lenker erkoren. Auch er erhielt einen anderen Namen für seine Maske – die blieb.
Einst, vor Zeiten, im Kult der Mysterien, da wirkte der Quell durch den Hohepriester, den Priester, den Lenker – der QUELL aber war WAHR.
Was blieb ist die Maske – und das Verbergen der Quelle. Ist sie noch wahr?
Der Kultus ist ein anderer heute. Hilflos tastet das Auge, im Lenker, im Priester den MENSCHEN zu finden, sein Lächeln, sein Trauern, sein Inneres zu ahnen. Doch heute findet das Auge nur die Maske.
Unsichtbare Macht, nicht den Sinnen erkennbar, bringt mir den Priester, den Lenker ins Haus. Auf glatter Oberfläche nur – ein BILD der Maske. Wie kann ich noch finden im Antlitz des Andern, was wahr ist, was Trug? Wie finden hinter der Maske den irrenden Menschen, wie du, wie ICH?
Ein Glück ist es, finde ich wahre Menschen um mich – die Lächeln, die weinen, die Mut mir machen durch sich, den MENSCHEN, der aus ihrem Antlitz schaut. Dort kann ich das Gesuchte finden – mich selber, im Andern. Das schärft den Blick – und ich erkenne die MASKE, die den MENSCHEN verbirgt im Lenker, im Priester, im Hohepriester. Nur manchmal bekommt sie Risse, die Maske – dann ist der Schrecken gewaltig.
Denn sie glauben sie selber, die Maske, ihre Maske, die Lenker, die Priester und ihre Führer. Sie glauben, sie seien sie, die MASKE. Sie kennen nicht mehr sich selber, den MENSCHEN, der irrt, wie du, wie ich. So kennen sie selber nicht mehr, was sie leitet. Doch ihre Maske bleibt: WIR SIND WAHR!
Das ist ihr Wort: „Und wenn ihr nicht glaubt an die Maske, weil ihr noch kennt den MENSCHEN, den FREIEN im Andern: wir nehmen ihn euch, diesen Maßstab der Wahrheit. GLAUBT AN DIE MASKE! GLAUBT UNS, WIR WISSEN DIE WAHRHEIT, auch wenn wir sie niemals zeigen der Masse, die wir zu führen da sind. Und bedenke gut, was wir sagen: UND BIST DU NICHT WILLIG, SO BRAUCH ICH GEWALT!“ – die Sprache des Erlkönigs kennen sie gut, und wissen sie zu gebrauchen. Die Angst wird es richten, bald ist es so weit.
Dann gibt es um mich nur noch MASKEN. Kein Lächeln begrüßt mich, kein Freund, kein Rivale. Nur Masken – und hinter ihnen unerkannte Macht. „Nur eine Zeitlang!“ so heißt es, „bis WIR die Angst dir nehmen!“ Doch kennen wir ihn dann noch, den MENSCHEN im Andern? Wissen wir noch den Maßstab, erkennen, was Maske, was wahr? Wir vergessen so schnell, je mehr WIR, desto schneller.
Nur eines kann retten: DIE MASKE DURCHSCHAUEN! Die Maske der Lenker, der Priester zuerst – dann zerreißt auch die erzwungene Maske des Nächsten. Dann sehen wir wieder in jedem den irrenden, suchenden Menschen, wie du, wie ICH. Auch in ihnen, die zuvor die machtvollen Masken trugen. Sie geben nur Macht, die der GLAUBE an sie ihnen schenkt.
Was hilft ist der Wille, der eigene, sich selber als MENSCH zu zeigen – der lächelt, der Bitteres, Schönes erlebt. ER zerstört jede Maske, die doch nur den Quell aller Zukunft verbirgt: DEN MENSCHEN, DER WAHR IST.
Stefan Carl em Huisken