Wahnsinn und Denken – Der Kampf um den Menschen

Wahnsinn und Denken – Der Kampf um den Menschen

Hardcover, Fadenheftung, Format 148×210 mm
116 Seiten, Verlag Ch. Möllmann, 1. Auflage 2021

ISBN 978-3-89979-335-2

Nähere Informationen => hier.




Wahnsinn und Denken – neues Buch erscheint in Kürze

Cover Wahnsinn und Denken

In Kürze wird im Ch. Möllmann Verlag mein neues Buch „Wahnsinn und Denken – Der Kampf um den Menschen“ erscheinen, das sich mit den Fragen und Aufgaben beschäftigt, die den Menschen weltweit im Zusammenhang mit der sogenannten „Corona-Pandemie“ ins Bewusstsein drängen.

„Es entstand aus dem Wunsch, der allgemeinen und zunehmenden Desorientierung und Verwirrung, die durch die Vorgänge im Zusammenhang mit der sogenannten „Corona-Pandemie“ ausgelöst wurde, einen klaren Denkweg entgegen zu stellen, der für jeden Menschen nachvollziehbar ist, ausgehend von unmittelbar erlebbaren Tatsachen. Nur so – war der Gedanke – kann zu einer Beurteilung der Ereignisse gefunden werden, die nicht nur eine weitere Theorie dem Streit der Parteien hinzufügt. Es musste daher von Grundtatsachen ausgegangen werden, die jeder einigermaßen Gutwillige unmittelbar und gleichermaßen einsehen kann. (…)

Der Anlass für die Ausarbeitungen dieses Buches ergab sich in einem kleinen Arbeitskreis, in dem ich seit mehr als zehn Jahren regelmäßig meist monatlich Vorträge gehalten habe. Als im Zuge der diversen „Corona-Verordnungen“ solche Zusammenkünfte zu verbotenen Aktivitäten gemacht wurden, musste von der Darstellung von Mund zu Ohr abgewichen werden und zu schriftlichen Ausarbeitungen übergegangen werden. Ein solches Vorgehen ist natürlich sehr viel aufwendiger als ein mündlicher Vortrag; was sich dort aus dem lebendigen Miteinander ergeben kann, musste nun in allen Einzelheiten der viel größeren Anonymität des Geschriebenen angepasst werden. Dabei wurde allerdings schnell deutlich, dass damit auch den Anforderungen an eine Veröffentlichung entsprochen werden kann.“
(aus dem Vorwort).

„Vielleicht ist es ja möglich, hiermit einen Beitrag zu größerer Ordnung und Verantwortung im Umgang der Menschen miteinander, mit der Erde und der gemeinsamen Zukunft beider zu leisten.“ schließt das Vorwort ab.

Das Buch erscheint mit Hardcover, Fadenheftung, 116 Seiten im Mai im Verlag Ch. Möllmann zum Preis von 15 €. ISBN 978-3-89979-335-2
Es kann ab sofort => hier oder per Email an info@emhuisken.de bestellt werden.




Ein Jahr Lockdown-Maßnahmen – ein Leserbrief von mir

Vorbemerkung: Vor Kurzem riefen die Nachdenkseiten (www.nachdenkseiten.de) auf, Erfahrungsberichte aus „einem Jahr Lockdown-Maßnahmen“ einzureichen, die dann ggf. veröffentlicht werden könnten. Aus diesem Anlass schrieb ich den nachfolgenden Text, den ich für die Veröffentlichung an dieser Stelle nur geringfügig bearbeitet habe.

Ich hatte seit vielen Jahren schon erwartet, dass das weltweit herrschende System von materialistischer Wissenschaft und daran geknüpfter egoismusgesteuerter Interessenwirtschaft (egal unter welchem ideologischen Vorzeichen – westlich-kapitalistisch oder östlich-autoritär) irgendwann zu einer Katastrophe führen würde. Aus langjähriger Beschäftigung mit einschlägiger Literatur – insbesondere unter ernstmeinenden Anthroposophen, aber auch anderswo gibt es da eine Menge – war mir auch klar, dass es in der Welt einflussreiche Gruppen gibt, die sehr langfristig planen und ihre Pläne dann umsetzen, wenn die Situation so weit vorbereitet ist (es handelt sich nicht um Verschwörungstheorien; diese Verschwörungen sind ganz im Sinne der Darlegungen von Daniele Ganser zu diesem Wort Realität). Dass die sogenannte Demokratie dafür nur eine Fassade abgibt, die im Übrigen sehr effektiv genutzt werden kann für solche Pläne, stellte Rudolf Steiner schon im ersten Weltkrieg fest.1

Als dann die „Corona-Pandemie“ ausgerufen wurde, ergaben Gespräche mit mir bekannten verantwortungsvollen Medizinern schnell die Unsinnigkeit der Maßnahmen, wenn man jedenfalls nicht die rein materialistische Medizin zugrunde legt, für die der Mensch ein biologischer Automat ist, und der daher mit Computermodellen gänzlich vorherberechnet werden kann (siehe z.B. die Prognosen von Neil Ferguson, Michael Meyer-Hermann, Melanie Brinkmann und Co.; dass diese Sichtweise mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, haben die folgenden Ereignisse ja bewiesen).

Dass die erwartete große Krise nun bereits gekommen zu sein scheint, wurde mir erst im Laufe der Zeit klar – zu unerwartet trafen die Maßnahmen immer genau den Punkt, an dem man bei sich und anderen durch eigene Gedanken, Gespräche und Hinweise ein Bewusstsein für die grundsätzliche Moralfreiheit aller materialistischen Weltanschauung (Moral ist ja in dieser Sichtweise nur eine Art Rauch, der aus einer gewissen Masse organischer Materie aufsteigt) und die Ohnmacht irgendeines religiösen oder anderweitig ideologischen Glaubens hätte wecken können. Das war ungemein schmerzhaft. Ich hatte ja wie wohl so viele gehofft, mindestens noch eine Weile lang davon verschont zu bleiben.

Daneben habe ich ja unmittelbar ab März 2020 praktisch alle Einkommensmöglichkeiten verloren (Musiker, Autor, Vortragender, bei allen Gelegenheiten Verkauf eigener CDs und Bücher, in der Folge Tantiemenausschüttungen durch die GEMA – alles entfällt seitdem bis weit in die Zukunft hinein weitestgehend). Was mich rettete, war die Tatsache, dass ich ab Mitte des Jahres eine Rente (weit unter dem Grundsicherungssatz) und sehr viel private Unterstützung bekommen habe. Die Sklavenbewirtschaftung über die Grundsicherung wird mich jedenfalls nicht zu sehen bekommen.

Seitdem befasse ich mich einerseits mit schriftlichen Darstellungen zu Analyse und Auswertung der Situation, und andererseits mit eingehenden Überlegungen für die Zeit „danach“2. Dies ist – realistisch orientiert an Bill Gates‘ Vorhersage von vier Jahren Corona-Maßnahmen und zehn Jahren Wiederaufbau, Halbzeit haben wir ja schon 2022, vielleicht geht es ja auch schneller – also noch eine Weile hin, die Vorbereitung darauf aber absolut notwendig. Das Chaos wird dann groß sein, und sehr viel fordern. Vor allem wird es nötig sein, dann Gedankengänge erkundet und erübt zu haben, die in dem bis dahin notwendig zunehmenden Durcheinander situationsorientiert Beiträge liefern können für ein Gegengewicht gegen die offenbar vorgesehene Situation von verelendeter, außengesteuerter Bevölkerung, die sklavenartig für alle Drecksarbeit genutzt werden kann, unter vollständiger digitaler Überwachung (die Chinesen machen das derzeit noch etwas „humaner“ als für uns geplant, denke ich) und Gängelung. Wie also wird man dann noch Menschlichkeit ermöglichen können?

Dass die Fahrt in diese Richtung geht, und dass die Weltenlenker – wer auch immer das im Einzelnen sein möge, viele sind sicher einfach inkompetente, etwas dümmliche oder korrupte Mitläufer – aus jedem scheinbaren Rückschlag Nutzen für ihre Pläne ziehen können, zeigt die aktuelle Situation: die Sache mit der sogenannten „Osterruhe“. Ein vollständiger Erfolg für die zerstörerischen Planungen! Denn: so sind ohne große Auseinandersetzungen die Öffnungsdiskussionen vom Tisch, außer man macht es so wie Tübingen und (geplant) das Saarland: Überwachung durch eine App mit zentraler Datenspeicherung, offener Flanke zum Gesundheitsamt (also der staatlichen Überwachung), und nicht Open Source (App „Luca“). So etwas geht jetzt schon so en passant – man denke an die langwierigen Diskussionen um die Corona-App im letzten Jahr – und mit äußerlich sichtbarem Teilnahmeausweis an der digitalen schönen neuen Welt (das wunderbare QR-Code-Armband aus Tübingen). Und alle machen begeistert mit: endlich wieder „Freiheit“!3

Was will ich damit sagen? Ich lerne in einer ziemlich harten Schule derzeit, die vollkommen moralfreien, nur von egoistischer Interessenvertretung bestimmten Gedankengänge materialistischer Wissenschaft und ihrer Nutzer in der Weltenlenkung zu denken und praktisch voraus zu ahnen. Das ist schwer erträglich, aus meiner Sicht aber der einzige Weg, irgendwann in die Vorhand zu kommen. Da sollte man niemals aufgeben.

Sonst werden wir wohl in absehbarer Zeit die völlige Vernichtung aller Menschlichkeit – und in der Folge vielleicht der Menschheit insgesamt – erleben. Das wollen diese Leute ja explizit: Transhumanismus fordert eben seinen Tribut. Man braucht nur noch 500 Millionen Sklaven, der Rest kann weg. Das ist zwar eine Rolle rückwärts ins alte Griechenland (die ganze griechische Kultur wäre ohne das Heer von Sklaven nicht denkbar gewesen!), aber das wünschen sich diese Leute ja auch so.

Es reicht nicht, nur darüber zu klagen. Wir müssen umdenken, weg von einer Wissenschaft, in der der Mensch und sein subjektives Erleben explizit nicht vorkommen darf4 – wie soll man denn auf solcher Grundlage auch etwas Anderes erwarten als maschinelle Steuerung im Sinne äußerer Nützlichkeit? Mir ist es daher immer mehr ein Anliegen geworden, ganz abseits von Wehklagen oder wirrem Gefasel durch klares Denken Wege aus dieser menschheitlichen Prüfung zu finden, für mich selber und wo möglich im Gespräch mit Anderen.

Abgesehen von allen Ungeheuerlichkeiten, die derzeit passieren, komme ich immer mehr zu der Überlegung: will ich überhaupt zurück zum „vorher“? Da war doch schon so viel Gruseliges vorhanden, das nur durch allgemeine Bespaßung und entsprechendes Medienwirken nicht so ins Bewusstsein kam, dass sich Grundsätzliches geändert hätte (Kriege, Atomkraft, Naturzerstörung, Autoritätsglauben, Despotismus etc. pp.). Liegt in dieser jetzigen „Krise“ vielleicht auch die Chance, dass mehr Menschen aufwachen und sich nach einem Sinn für ihr eigenes Leben und das der Menschheit insgesamt fragen, einem Sinn, der einem nicht autoritär von irgendwelchen „Priesterkasten“ (religiös, „wissenschaftlich“, ideologisch oder anderweitig) vorgesagt werden muss?

Ich kann nur in solchen Überlegungen einen Weg finden, die allgemeine Zerstörung, die längst geschehen ist und nun nur immer mehr an die Oberfläche des öffentlichen Bewusstseins kommen wird, überhaupt zu ertragen. Bisher gelingt es mir noch.

Stefan Carl em Huisken

1Rudolf Steiner am 28. Oktober 1917 in Dornach, in: Steiner, Rudolf: Die spirituellen Hintergrunde der äußeren Welt, S. 264 ff über das Buch von Francis Delaisi: La Democratie et les Financiers von 1910, in dem dieser unter anderem geschrieben habe, dass „es dem Großkapitalismus gelungen sei, aus der Demokratie das wunderbarste, wirksamste, biegsamste Werkzeug zur Ausbeutung der Gesamtheit zu machen“.

2Vieles davon findet sich hier auf meiner Website, siehe hier: https://emhuisken.de/tag/corona/

3In den ganzen Diskussionen über richtige, fundierte oder nicht fundierte Zahlen und „wissenschaftliche“ Aussagen kann ich nur Ablenkungsmanöver sehen: die Kritiker müssen ja auch das Gewünschte zu tun bekommen und vom allem Angst, sonst würden sie noch etwas merken …. Ich spare mir diesen ganzen Bereich darum.

4Ja, ich weiß, Erkenntniswissenschaft ist ein schwieriges Feld. Hilfreich sind Rudolf Steiners Dissertation „Wahrheit und Wissenschaft“ und seine „Philosophie der Freiheit“; das ist extrem schwer zu lesen, kommt aber wohl kaum in den Verdacht, Phantasterei und Geschwurbel zu sein.




Das Erscheinen des Christus im Ätherischen und die Erkenntnisaufgabe des Menschen durch Anthroposophie

Vorbemerkung

Einmal mehr scheint es erforderlich, auf den besonderen Charakter von Texten aufmerksam zu machen, die nicht einfach äußere Tatsachen nachbildend beschreiben wollen, sondern demgegenüber die (auch die äußeren Tatsachen) umfassende Wirksamkeit des lebendigen Geistes im Menschen zur Geltung bringen wollen, indem sie auf das in sich selbst schaffende Denken als grundlegende Tatsache jeder wahrhaften Erkenntnis hinweisen.

Solche Texte sollen also Hinweise sein auf dasjenige, was erkannt werden soll. Die Erkenntnis bleibt dadurch frei und in die Verantwortung des einzelnen Lesers gelegt. Nicht anders darf heutzutage der Versuch gemacht werden, Wahrheit zur Geltung zu bringen. Priester und Gläubige, also steuernde, auch manipulierende – weil wissende – Eliten und von ihnen abhängige „Gemeinden“ gibt es heutzutage genug, in sogenannter „Wissenschaft“ ebenso wie in Parteien, Konfessionen, Ideologien überall auf der Welt. Weitere davon sind ebenso unnötig, wie die Überwindung der bestehenden not-wendig.

Anthroposophie, anthroposophische Geisteswissenschaft geht vom Menschen aus – von jedem Einzelnen also, der sie will – und braucht deswegen keine „esoterischen Eliten“.

Als ein solcher Hinweis auf erkennbare Wahrheit ist auch dieser Text intendiert. Er ist vorläufiger Abschluss und auch Zusammenfassung einer Reihe von Artikeln, auf die im Folgenden wo erforderlich hingewiesen wird. Ihre Kenntnis ist daher in gewisser Weise vorausgesetzt; sie sind alle über meine Website www.emhuisken.de/uebersicht-beitraege-geisteswissenschaft/ verfügbar.

Ausgangspunkt Mensch

Ausgangspunkt anthroposophischer Geisteswissenschaft ist der Mensch, wie er als irdisches Wesen sich selbst erkennen kann. Dieser Mensch ist zunächst im heutigen alltäglichen Leben vereinzelt, von allen anderen getrennt, denn er ist umgeben von einer nur ihm erscheinenden Welt („niemand kann durch die Augen eines Anderen sehen“), mit der er in einer nur für ihn individuell möglichen Weise umgeht. Niemand anders kann dies genauso wie dieser eine Mensch, denn nur dieser eine Mensch hat dabei seinen eigenen individuellen Entwicklungsgang zugrunde liegen, in diesen oder jenen Erlebnissen, Erkenntnissen und Strebensrichtungen.

Genau in dieser Tatsache, die ja jeder einigermaßen denkwillige Mensch leicht einsehen kann, und die die Menschen in maximal möglicher Art von einander trennt, besteht aber auch ihre größte Einigkeit: ausnahmslos jeder Mensch ist als irdisches Wesen in genau dieser Situation. Sieht man diese Gemeinsamkeit und Gleichheit aller Menschen ein, dass nämlich jeder Mensch in seiner Weltsicht – seiner „Welt-Anschauung“ – etwas hat, was nur für ihn gilt, und das universelle, alle Menschen umfassende Element daher zunächst nicht in der Welt, auch nicht in der Welt der Vorstellungen und Theorien über den Menschen, seine Seele, seinen Geist zu finden ist, sondern als lebendige, in jedem Augenblick sich erneuernde Tatsache seines individuellen Umganges mit seiner Welt-Anschauung im sich selbst beobachtenden Denken, – sieht man dies als ausnahmslos allen Menschen eigene Wahrheit ein, so ist damit ein Anfang gemacht zur Überwindung des in unserer Zeit ausufernden Streites der Weltanschauungen.

Damit ist aber auch ein Schritt getan zum Ersetzen des Glaubens an eine irgendwie gewordene Weltanschauung durch ein wahres Wissen von Tatsachen; der erkennende Mensch tritt dadurch im Ansatz wiederum – nun bewusst – ein in den Ausgangspunkt der Erkenntnis.

Die Grundsituation ebenso wie die Folgen für ein wahres Erkennen, die sich aus diesem menschlich-realen Ausgangspunkt ergeben, sind ja bereits ausführlicher ausgeleuchtet worden; hier mag daher der Hinweis darauf genügen.1

Erkenntnis-Aufgabe unserer Zeit

Rudolf Steiner spricht von ferner Zukunft, wenn er sagt:

Das wird eine Zeit sein, in welcher die Menschen in weit höherem Grade als heute eine gemeinsame Weisheit haben werden, sozusagen in gemeinsame Weisheit eingetaucht sein werden. Es wird beginnen etwas davon, daß man empfinden wird, daß das Ureigenste des Menschen zu gleicher Zeit das Allgemeingültigste ist. Das, was man im heutigen Sinne als individuelles Gut des Menschen auffaßt, ist noch nicht ein individuelles Gut auf einer hohen Stufe. Heute ist mit der Individualität, mit der Persönlichkeit des Menschen noch im hohen Grade verknüpft, daß die Menschen sich streiten, daß die Menschen verschiedene Meinungen haben und behaupten: Wenn man nicht verschiedener Meinung sein dürfte, würde man ja kein selbständiger Mensch sein. Gerade weil sie selbständige Menschen sein wollen, müssen sie zu verschiedenen Meinungen kommen. Aber das ist ein untergeordneter Standpunkt der Anschauung. Am friedlichsten und harmonischsten werden die Menschen sein, wenn der einzelne Mensch am individuellsten sein wird. Solange … gibt es Meinungen, die voneinander verschieden sind. Diese Meinungen sind noch nicht im wahren Innersten des Menschen empfunden.

Heute gibt es nur einige Vorläufer für die im wahren Innern empfundenen Dinge. Das sind die mathematischen und geometrischen Wahrheiten. Über die kann man nicht abstimmen. Wenn eine Million Menschen Ihnen sagen würde, daß 2 x 2 = 5 ist, und Sie sehen es selbst im eigenen Innern ein, daß es 4 ist, so wissen Sie es, und Sie wissen auch, daß die anderen im Irrtum sein müssen – geradeso, wie wenn jemand behauptete, daß die drei Winkel eines Dreiecks nicht zusammen 180 Grad betragen.

Das ist Manas-Kultur, wenn immer mehr empfunden werden die Quellen der Wahrheit in dem stark gewordenen Individuellen, Persönlichen des Menschen und wenn zu gleicher Zeit das, was empfunden wird als höhere Wahrheit, auch von Mensch zu Mensch übereinstimmt wie die mathematischen Wahrheiten. In diesen stimmen die Menschen heute schon überein, weil das die trivialsten Wahrheiten sind. In bezug auf die anderen Wahrheiten streiten sich die Menschen, nicht weil es über dieselbe Sache zwei verschiedene richtige Meinungen geben kann, sondern weil die Menschen noch nicht so weit gekommen sind, das alles zu erkennen und niederzukämpfen, was an persönlicher Sympathie oder Antipathie sie trennt. Würde bei den einfachen mathematischen Wahrheiten noch die eigene Meinung in Betracht kommen, so würden viele Hausfrauen vielleicht dafür stimmen, daß 2 x 2 = 5 ist und nicht 4. Für den, der tiefer in die Natur der Dinge hineinsieht, ist es eben unmöglich, über die höhere Natur der Dinge zu streiten, es gibt nur die Möglichkeit, sich dazu hinaufzuentwickeln. Dann trifft die Wahrheit, die in der einen Seele gefunden ist, genau zusammen mit der Wahrheit in der anderen Seele; dann streitet man nicht mehr. Und das ist die Gewähr des wahren Friedens und der wahren Brüderlichkeit, weil es nur eine Wahrheit gibt, und diese Wahrheit hat wirklich etwas zu tun mit der geistigen Sonne. Denken Sie einmal, wie die einzelnen Pflanzen ordentlich wachsen; jede Pflanze wächst der Sonne zu, und es ist nur eine einzige Sonne.“2

Die Grundlagen dafür zu legen, indem wir in der völligen Vereinzelung aufmerksam werden auf den allen Menschen gleichen Quell des sich selbst als lebendige Tatsache erkennenden Denkens im Umgang mit der Welt, das ist die Aufgabe unserer Zeit. Sie bereitet vor, was einst in der Zukunft als allen Menschen eigene Wahrheits-Erkenntnis in immer weiteren Kreisen das Leben prägen kann.

Wollen wir eine solche Wahrheits-Wissenschaft erreichen, tun wir gut daran, zunächst die Wege dazu durch unser tätiges Denken zu ergründen. Diese Wege beginnen immer dort, wo wir auf die erste uns als Menschen zugängliche rein geistige Tatsache aufmerksam werden: die Tatsache des individuellen, durch unser Denken von uns selbst gestaltbaren Umgangs mit unserer immer von derjenigen aller anderen Menschen verschiedenen konkreten Welt. Diese Tatsache ist nur duch das Denken selbst fassbar, und darum rein geistig.

Individuelles Selbst-Bewusstsein

Ein so sich darlebendes individuelles Bewusstsein des Menschen von sich selbst ist keineswegs dem Menschen vom Anbeginn gegeben. Es erfordert die qualvoll erlittene Einsicht in die Unvollkommenheit der jedem Menschen in seiner Vereinzelung gegebenen Mittel. Diese Mittel können den Menschen nicht zu einer Überwindung derjenigen Probleme führen, die eben durch die Vereinzelung – und ihre Nutzung durch kundige Eliten für ihre eigenen Zwecke! – entstehen.

Wo nämlich der Mensch dem leidvollen Erleben seiner eigenen Erkenntnis-Ohnmacht (der Wahrheit gegenüber) zu entfliehen versucht, indem er alte (Glaubens-)Bindungen durch neue, vermeintlich selbst gewählte ersetzt, macht er sich selber zum Spielball derjenigen, die solche Selbst-Aufgabe als Grundlage ihrer selbstsüchtigen Macht schätzen. Macht lebt auch vom Glauben der (scheinbar) Ohnmächtigen.

Die Einsicht, dass auch die äußere Macht sich nur solange ungehindert entfalten kann, wie die einzelnen zunächst scheinbar „Ohnmächtigen“ ihr auch innerlich glauben, muss auf lange Sicht den Bestand der äußeren Macht zersetzen. Ist man genötigt, in der äußeren Wirksamkeit einen Kompromiß zu schließen, so muß man sich dessen bewußt werden und nicht in leichtfertiger Weise darüber hinwegreden. Man muß sich ruhig sagen: Der Gewalt muß selbstverständlich gewi­chen werden. Aber man muß nicht bei sich selber in der Erkenntnis Kompromisse schließen. Man muß nicht glauben, daß das richtig ist, was man tut unter dem Einfluß der Gewalt.3

Das individuelle Selbst-Bewusstsein in der Selbst-Erkenntnis zu pflegen als Vollzug der Aufgabe unserer Zeit, gegenüber allen Widerständen und Hindernissen, die uns die äußere Gewalt immer wieder aufzuzwingen sucht, legt also den Grund für die von Rudolf Steiner angedeutete Zukunfts-Kultur der Wahrheit.

Die Sprache der Ohnmacht

Bedingung dafür ist und bleibt die Einsicht des einzelnen irdischen Menschen in seine ganz grundsätzliche Ohnmacht, im Rahmen seiner persönlichen Welt-Anschauung wirkliche Wahrheit zu erkennen. Erst die Not, in die durch diese Tatsache Mensch und Welt ganz allgemein versetzt sind, kann im Einzelnen ein Aufwachen für sich selbst als Gleicher unter Gleichen im Rahmen der Menschheit als ganzer erwirken.4

Der Mangel an Macht bei den meisten Menschen, der Wirklichkeit die eigenen Wünsche aufzuzwingen, steht einer ungeheuren Konzentration der Macht in den Händen Weniger gegenüber, die sie derzeit vor allem dazu nutzen, Welt und Menschen ihren eigenen, persönlichen Wünschen und Auffassungen zu unterwerfen. Aber – wie gezeigt – Macht basiert auch auf Glauben. Und die Abkehr von diesem Glauben weckt die Kraft im Menschen, in sich selber die Wahrheit immer energischer anzustreben.

Die Macht Einzelner durch die Macht der Masse bekämpfen zu wollen, ist ein Unterfangen, das der zwangsweisen Ent-Individualisierung durch die Gewalt gewisser Eliten die freiwillige Unterwerfung der Masse unter einen allgemeinen Primat der unbeschränkten Geltung äußerer Macht unterwirft. Provokant ausgedruckt, ist das eine Art Selbst-Aufgabe: „Danke, deinen mächtigen Zwang zur Vermassung brauchen wir nicht. Das können wir freiwillig besser.“ Denn jede Masse, die als Macht auftreten will, muss sich dabei einem für jedes ihrer Glieder gleichen Ziel unterwerfen – also einer Ideologie zum Beispiel oder dem Glauben daran, das „Gute“, das den eigenen Interessen diene, werde sich schon finden, wenn nur erst die andere, die „böse“ Macht zerstört sei.

Es ist aber durch die Selbst-Ermächtigung des Individuums zur Einsicht in erste universell für alle Menschen geltende Lebens-Tatsachen bereits die Axt gelegt an jede Realisierung äußerer Macht im herkömmlichen Sinne. Auch die jetzt scheinbar „Mächtigen“ sind Menschen, auch für sie gilt die heutzutage prinzipielle Ohnmacht des irdischen Individuums. Ihre Macht ist bloß geliehen von denjenigen Einflüssen oder Wesen, denen sie dienen.

Diese Wesen leben in der Regel nicht begrenzt in einem einzelnen Menschen, sondern benutzen nur ihre Anhänger, die sich im Geiste ihnen anschließen. Für sie zählt ein Mensch nur so viel, wie er ihnen nützt. Man kann sie als Geistwesen ansehen, die den gläubigen Menschen steuern.5 Sie verlieren ihre Macht dort, wo der Mensch aufhört zu glauben, und sich den Tatsachen des Lebens in Wahrheit zuwendet. Sie wirken ungehindert nur dort, wo sie unerkannt bleiben. Verführer und Lügner können nur im Verborgenen ihre Ziele erreichen. Werden sie erkannt, müssen sie ihren Einfluss verlieren.

Die Einsicht in die weitreichende, grundsätzliche Ohnmacht jedes Einzelnen – auch des Anderen, scheinbar „Mächtigen“ – ermöglicht den Blick auf den Keim der Wahrheit in jedem Menschen, auch des Verführtesten. Verstehen wir also diese Sprache der Ohnmacht recht: jede Machtausübung – einzeln, in der Gruppe, in der entindividualisierten Masse – verletzt die Freiheit des sich entfaltenden Individuums, bei mir oder beim Anderen, das ist aufs Ganze gesehen einerlei (wenn auch für den Einzelnen manchmal unerträglich). Soll aber Freiheit in die Zukunft hinein erst allumfassend werden (wohlgemerkt: Freiheit, nicht egoistische Unabhängigkeit von allen Einschränkungen beim Erfüllen irdischer Wünsche), muss sie gewollt und gepflegt werden.

Neue Einsicht

Die Einsicht(smöglichkeit) in diese Ohnmacht ist neu, und sie folgt auf das vollständige Ohnmächtig-Werden aller Naturerkenntnis durch das heute fast unumschränkt herrschende materialistische Dogma des: „Nur die materielle Außenwelt ist wirklich. Leider haben wir darüber kein Wissen, nur Theorien.“

Dass solche Art von Wissenschaft mehr Probleme hervorruft als sie löst – insbesondere kann sie die selbstgeschaffenen Probleme nicht lösen (sic!) – ist spätestens seit dem Aufkommen der Atomkraft offensichtlich. In unserer Zeit treibt besonders der Versuch, das Denken gänzlich der äußeren Welt zu übereignen durch die Auslagerung aller wesentlichen gesellschaftlichen Entscheidungen auf Computermodelle vielfältig giftige Blüten. Es bleibt aber der monumentale Satz von Lewis Mumford in seinem umfangreichen Werk „Mythos der Maschine“ unumschränkt gültig: „Kein mechanisches System (also auch kein Computer als System der Mechanisierung des Denkens, Anm. EH) kennt die Bedeutung von Bedeutung“6

In unsere Zeit übersetzt ist damit auf die Tatsache verwiesen, dass die allen Menschen gleiche Grundsituation der Vereinzelung und Erkenntnisohnmacht – die ja die allen Menschen gleiche Grundwahrheit ist – selbstverständlich von keinem Computer bemerkt werden kann. Wo sich aber der Mensch nicht zur Selbst-Erkenntnis aufschwingt, ermächtigt er das Welt-Maschinenwesen zum Herrscher über die Menschen, der dann aber bar jeder moralischen Einsicht ausschließlich nach den Gesetzen der außermenschlichen Welt – eben maschinell – regiert.

Was ist der Grund dafür, dass wir Menschen uns vom bloßen Erleiden der Ohnmacht zur Selbst-Erkenntnis aufschwingen können, mit allen Folgen für das Welterkennen, wie sie bereits in vorangehenden Artikeln beschrieben wurden?7 Diese Selbst-Erkenntnis gibt uns den Schlüssel zur Freiheit, zur Selbst-Befreiung von den Zwängen altüberkommener, geglaubter Weltanschauungsinhalte, Glaubenssätze und Ideologien.

Erst dadurch kann der Mensch lernen, sich auf sich selbst zu stellen.

Die Einsicht in die Bedeutung des Denkens als geistige Tatsache, die sich ihrer selbst im Menschen bewusst wird, ist von Rudolf Steiner am Ende des 19. Jahrhunderts in Gedankenform fürmuliert worden (vgl. seine Bücher „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“, Wahrheit und Wissenschaft“ und „Die Philosophie der Freiheit“) und Anfang des 20. Jahrhunderts durch die weitreichende Veröffentlichung ehemals geheimgehaltener geistiger Tatsachen der äußeren Entwicklung der Menschheit einverleibt worden. Seitdem können wir davon wissen, damit umgehen und uns daran selber weiterentwickeln.

Dass wir erst dadurch als heutige Menschen wieder in die Lage kommen, uns selbst, den heutigen Menschen und seine Situation überhaupt – einschließlich aller Irrtümer und Zerstörungen – als notwendiges Glied einer sinnvollen Entwicklung zu erkennen, ist ja in den bisherigen Darstellungen vielfach aufgewiesen worden.8 Was also ist dann das Auftreten Rudolf Steiners im Rahmen dieses Entwicklungsprozesses?

Anthroposophische Bewegung

Die anthroposophische Geisteswissenschaft als menschheitsgeschichtliche Tatsache trat zu Beginn des 20. Jahrhunderts ins öffentliche Bewusstsein Mitteleuropas (und der Welt). Die in Gedankenform gefasste Grundlegung aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts (vgl. vorigen Abschnitt) war zuvor nahezu unbemerkt und unverstanden einfach unberücksichtigt geblieben.

Erst mit dem Anknüpfen an altüberkommene esoterische Überlieferungen gewann Aufmerksamkeit, was Rudolf Steiner zu sagen hatte. Wenn man das äußere Wachstum der anthroposophischen Bewegung ins Auge fasst, kann es scheinen, als ob dabei das Erlangen von Anerkennung durch die hergebrachten Gesellschaftsformationen von Vielen als wichtigstes Zeichen eines Gelingens dieser geisteswissenschaftlichen Bewegung angesehen wurde. Die Denkweise der Macht, die äußere Anerkennung als Grundlage braucht (da sie keine Wahrheit in sich trägt), wurde offenbar auch auf die Anthroposophie angewendet – man wollte mitspielen im Kampf um die Lenkung der Menschheit.

Rudolf Steiner hat diese Haltung vielfach und jederzeit wieder auf das Schärfste abgelehnt und jede Bestrebung, durch die anthroposophische Geisteswissenschaft sich zahm in den Kanon hergebrachter Theorien über Welt und Mensch einreihen sollte, unmißverständlich als zerstörerisch und der Anthroposophie entgegengesetzt gekennzeichnet.9 Das liegt ja auch auf der Hand, ist doch jeder Gedanke an äußere Machtausübung der unbedingten Wahrheitsverpflichtung der Geisteswissenschaft abträglich.

Rudolf Steiner wollte nur durch die Wahrheit wirken, die Wahrheit im Sinne des Maßstabes, in dem sich das Denken in der Selbstbeobachtung selbst erschafft, oder – anders ausgedrückt – im Sinne des Maßstabes, der sich aus der Betrachtung der Evolution von Mensch und Welt als Selbsterschaffungsprozess des göttlichen Urgrundes in der Selbsterkenntnis ergibt.10

Dieser eigentliche Kern der Anthroposophie ist unabhängig von äußeren Machtfaktoren, zielt er doch eigentlich darauf, die diese äußere Macht steuernden geistigen Wesenheiten kennenzulernen und in ihrem Chor selbstbewusst mitzuwirken. Dieser Kern ist vielfach verraten worden, zu Rudolf Steiners Lebenszeit ebenso wie danach, bis heute. Er ist dennoch unzerstörbar, als eine Tatsache der Menschenentwicklung, die ein für alle Mal Bestandteil der Menschheit geworden ist.

Manchmal bekommt man den Eindruck, als ob gerade in Zeiten, in denen der Druck von Außen immer stärker wird, gleichzeitig – oft im Verborgenen und nur bei wenigen Menschen – die Besinnung auf das Wesentliche immer umfassender wird, ganz im Sinne der oben skizzierten „Sprache der Ohnmacht“.

Wozu Geisteswissenschaft?

Wenn nun die anthroposophische Geisteswissenschaft nicht einfach eine Bewegung wie viele andere ist (auch und schon gar nicht die endgültige, alles klärende ultimative Wahrheitslehre!) – was ist sie dann? Welche Bedeutung hat diese Geisteswissenschaft im Rahmen des Ganzen von Mensch und Welt?

Dies zu klären, hat – wie Rudolf Steiner selber immer wieder und häufig genug betonte – allein diese Geisteswissenschaft selbst die Möglichkeit in unserer Zeit. Nur sie selber entspringt dem universellen Wahrheitskriterium, das ins Bewusstsein zu bringen sie immer wieder zu ihrem Ziel gemacht hat.11 Das entspricht der Einsicht, dass eben nur das Denken selbst die Möglichkeit hat, seine eigene Bedeutung zu erkennen.

Wenn also die Denkwege des sich selbst erkennenden denkenden Menschen sich in den Entwicklungswegen der Menschheit wiederfinden können, so erkennen sie sich selber dadurch als wahr.

Zeichnen wir diese Entwicklungswege noch einmal nach:

Aus dem schaffenden – grundlos schaffenden, d.i. liebenden – Göttlich-Geistigen entsteht die geistdurchglühte Welt, in ihr der Mensch als dasjenige Wesen, das dem Gotte zum Bilde werden soll, und darum dessen liebende Schöpferkraft als Möglichkeit in sich schließt. Das Menschenwesen entwickelt seine Kräfte zunächst unter der Leitung der göttlichen Weisheit. Soll es aber eigenschöpferisch werden, also lieben lernen, so muss es frei werden und dafür zunächst alle vorgefasste Weisheit verlieren; sie würde – bliebe sie dem Menschen erhalten – die Voraussetzung wirklicher Liebe, nämlich seine Freiheit schmälern. Der irdische Mensch hat heute alle überkommene Weisheit verloren; aus der Sehnsucht nach dem Verlorenen heraus kann er zunächst nur spekulieren und experimentieren.

Damit nun nicht die äußere Erdenwelt gänzlich verloren gehe – sie ist ja nötig, damit der Mensch in seiner Ohnmacht darin sich selber finden kann – tritt das zentrale göttliche Wesen ins irdische Dasein und erleidet den irdischen Tod. Wie der Mensch, wenn er durch den Tod geht, eins wird mit demjenigen, was er im Leben als sein „Außen” ansah, mit den Urgründen der irdischen Welt also, eint sich im irdischen Gottestod das göttliche Wesen mit dem Wesen der Erde, dem irdischen Sein, demjenigen also, was – vom göttlichen Gesichtspunkt aus – das „Außen“ ist. Seit diesem Zeitpunkt des Mysteriums von Golgatha ist das Göttliche als Christusprinzip im Irdischen auffindbar.

Der Mensch, der die göttliche Weisheit verloren hat, sich also in einer gott- und geistlosen Welt erlebt, kann dieses Christus-Ereignis aber nur verstehen, wenn er Wege findet, sich die göttliche Weisheit aus sich selbst wiederum zu erringen. Das ist Intention der Anthroposophie, der „Weisheit vom Menschen“, derjenigen Weisheit also, die vom Menschen ausgeht.

Das Menschheits-Ereignis verstehen

Indem nun das göttliche Wesen sich mit dem irdischen Sein verbunden hat – wo ist es dann dort zu finden? Ganz sicher nicht in der gott- und geistlosen Erscheinungswelt, die den einzelnen individuellen Menschen heutzutage als seine „Welt-Anschauung“ umgibt. Das allumfassende göttliche Wesen kann nur dort erscheinen, wo ein Allumfassendes, Universelles waltet: im individuellen, ohnmächtigen Menschen also, der sich selbst erkennt.

Dies ist durch die Zeit in vielfältigster Weise von den Menschen angestrebt worden seit dem Eintreten des Mysteriums von Golgatha: sich selbst erkennen, den Christus in sich finden. Dieses Streben ist aber seit langer Zeit, bis heute, geprägt von alten, überkommenen Verhaltensweisen des Menschen.

Die enthusiasmierten, von Resten alter Weisheit noch nicht gänzlich freien Urchristen, die Askese mittelalterlicher Mönche ebenso wie die mystische Versenkung einzelner Weiser waren eines nicht: getragen von einem gänzlich selbst errungenen Urverständnis des Zentralereignisses der Menschheitsentwicklung, des Mysteriums von Golgatha. All diese Menschen hatten auf andere Weise – aus empfundener Nachfolge Christi, aus durch Kultus und Versenkung vermittelter innerer Schau oder auch durch den Glauben an die Gültigkeit der Lehren, die die Priester verbreiteten zur Rechtfertigung ihres eigenen Daseins als Elemente der „Kirche Gottes“ – ein Verhältnis zu dem gefunden, was für sie „der Christus“ war.

Ein wirkliches Verständnis für das Christus-Ereignis kann erst derjenige gewinnen, dem alle Reste alter Traditionen nichts mehr bedeuten, über den all diese Einflüsse keine Macht mehr haben, und der daher nur noch aus sich selbst heraus Leben in die geist- und gottlosen Vorgänge der Welt bringen kann. Das ist der Mensch unserer Zeit.

Rudolf Steiners Leben

Wie in einem einzelnen Menschen konzentriert erscheint im Leben Rudolf Steiners, was den Menschen fehlt, um sich zur Selbstbeobachtung im Denken aufzuschwingen. In alle Lebensgebiete hinein wirkte das, was durch Rudolf Steiners irdisches Wirken den Weg fand in das Leben der Menschen. In schier unglaublicher Weise wirkte die Person Rudolf Steiner inspirierend und weckend auf diejenigen, die zeitweise oder auch länger in seinem Lebensumfeld sein konnten.

Diese direkte Art des Wirkens, im irdischen Dasein, wurde darum auch von selbst den nächsten Freunden und Mitarbeitern Steiners als das Eigentliche der Anthroposophie gesehen, als dasjenige, worauf es ankam. Im direkten Mitleben des irdischen Wirkens schwand vielleicht bei Manchem der Gedanke an die Frage, welches Verhältnis dieses irdische Wirken zum geistig fassbaren Entwicklungsgang der Menschheit haben könnte.

Wenn Rudolf Steiner immer wieder beteuerte, nur durch die anthroposophische Geisteswissenschaft, niemals durch irgendein „Glauben“ könne wirklich verstanden werden, wovon er spreche, und insbesondere dasjenige, was er als das Mysterium von Golgatha benannte, sei nur durch diese Geisteswissenschaft zu verstehen, dann folgten seine Zuhörer seinen Gedankengängen und – glaubten ihnen. Wie sollte es angesichts einer solchen Persönlichkeit wie Rudolf Steiner auch anders sein?

Oft genug wies Rudolf Steiner darauf hin, dass selbständige anthroposophische Forschungen nötig seien, und stellte alles, was auf diesem Gebiet, meist durch einige wenige Menschen seiner nächsten Umgebung geschah, als Vorbild vor seine Zuhörer hin.

Eine ungeheure Fülle von Anregungen ging von ihm aus, die zu verarbeiten seine Umgebung bis weit über ihre Möglichkeiten forderte. Wer kann es den Menschen verdenken, dass sie nicht wirklich daran dachten, was geschehen solle, wenn dieser schier unerschöpfliche Quell versiegt?

Der Übergang

Dies Versäumnis zeigte seine Folgen unmittelbar nach dem Tode Rudolf Steiners. Was er durch sein unermüdliches Wirken zusammengehalten hatte, zerbrach schnell, wenn es auch einige Zeit brauchte, bis dies Zerbrechen ins Bewusstsein der Beteiligten trat. Und ebenso schnell, wie die Streitigkeiten zwischen vorher einmütig zusammenarbeitenden Menschen eskalierten, wurde aus der anthroposophischen Bewegung etwas, was Rudolf Steiner niemals wollte: eine Institution, in der die Leitenden glaubten – jeder für sich, oftmals untereinander streitende Fraktionen bildend – für die Gesamtheit entscheiden zu müssen.

Wie in der Vergangenheit in der katholischen Kirche entstand in der geisteswissenschaftlichen Bewegung schnell eine Art „Kastensystem“ aus „einfachen“ und „besseren“ Anthroposophen, die nur durch eines zusammengehalten wurden: den gemeinsamen Glauben an die Mission der Anthroposophie innerhalb der Menschheitsentwicklung.

Was aber war eigentlich geschehen? Derjenige Mensch, der das grundlegende Erkenntnisproblem seiner Zeit einer Lösung zuführte in seinen frühen Werken (vgl. oben, Abschnitt „Neue Einsicht“) und niemals aufhörte zu beteuern, dass alles, was er später gesagt oder geschrieben hatte, von dem dort, ganz zu Anfang formulierten Gesichtspunkt zu erschließen sei; derjenige Mensch, der jahrhunderte-, ja jahrtausendelang geheim gehaltenes Mysterienwissen rückhaltlos veröffentlichte, weil jede Geheimhaltung die nunmehr notwendige Freiheit des Menschen beeinträchtigt – dieser Mensch war aus dem irdischen Dasein in diejenige Welt übergegangen, die er selber als seine geistige „Außenwelt“ beschrieben hatte.

Was er als Keime für ein Verständnis des Mysteriums von Golgatha aussäte in seinen Schriften und Vorträgen, war nun auf dem Wege, Gemeingut der Menschheit zu werden.

Dass es in der Folge immer wieder Menschen gab, die die Aussaat-Tätigkeit Rudolf Steiners meinten nachmachen zu müssen, zeigt nur, wie wenig verstanden wurde, was er tat.

Liebe und Freiheit

Etwas Neues war dem Menschheitsbewusstsein übergeben worden: die Möglichkeit, nicht nur äußerlich von dem Mysterium von Golgatha zu wissen, sondern es in allen Einzelheiten aus eigener Kraft zu verstehen. Allerdings war diese Möglichkeit eine solche, die allen überkommenen Denkgewohnheiten der Menschen widersprach. Verstehen kann bei einem solchen Ereignis nämlich nicht bedeuten, alle Einzelheiten zu wissen, als Erkenntnisinhalte aufzuspeichern und ansonsten dabei der gleiche Mensch zu bleiben wie vorher. Verstehen erfordert hier ein inneres Mitgehen mit dem Gang der Menschheitsgeschichte, damit verbunden dem übenden Nachvollziehen der dafür erforderlichen Denkbewegungen aus derjenigen Kraft heraus, die erst aus der vollständigen Geistverlassenheit der Mensch sich selber erringen kann.12

Ein lebendiger irdischer Mensch, dem wir folgen können, wird immer diejenigen mitreißen, die dies wollen; er kann sich selber noch so viel dagegen wehren. Rudolf Steiner hat dies leidvoll erfahren müssen.

Ein wirklich selbsterrungenes Verständnis für das, was Rudolf Steiner als das unserer Zeit so Nötige bezeichnete, das Verständnis für das Mysterium von Golgatha also, es konnte erst verbreitet auftreten, als die irdische Person, die dieses Verständnis zu wecken angetreten war, nicht mehr auf dem physischen Plan wirken konnte. Erst dann war für jeden, der dies wollte, wirklich vollständige Freiheit gegeben – sie hat ja als Voraussetzung die ohnmächtige Vereinzelung in der geistverlassenen Welt.

Der Vortragende Rudolf Steiner, der ursprünglich nicht wollte, dass das gesprochene Wort festgehalten würde, musste es der Unvollkommenheit seiner Zuhörer zugeben, dass die Mitschriften doch geschahen und dann auch veröffentlicht wurden. Diese Vorträge waren ja immer an ein bestimmtes Auditorium, niemals an die allgemeine Öffentlichkeit gerichtet. Was von Anfang an für die Öffentlichkeit bestimmt war – die Schriften Rudolf Steiners also – sie sind nun dasjenige, durch das wir mit seinem Wirken in unmittelbare Berührung kommen können. Sie sind aber zugleich derjenige Teil seines Wirkens, der am meisten Nichtbeachtung und Ablehnung gefunden hat.

Man erlebt die Texte als zu „schwer“, zu „unverständlich“, zu „kompakt“, manchmal auch „zu schwülstig und unnötig kompliziert“ – nun, das sollten sie wohl sein, denn sie sind aus demjenigen Geist heraus geschrieben, der für jeden Menschen, die „Öffentlichkeit“ also, zu einem Erüben des geistigen Grundereignisses des Menschen führen sollten: der liebenden Zuwendung zum Menschen in seiner Entwicklung. Bereits in der Vorbemerkung wurde ja auf den besonderen Charakter solcher Texte hingewiesen.

Liebe setzt Freiheit voraus; ist sie durch irgendetwas vorbestimmt, so wird sie zum „Haben-Wollen“ oder „Etwas-erreichen-wollen“. Liebe zum sich entwickelnden Menschen – im einzelnen, individuellen Menschen ebenso wie in der Menschheitsentwickelung als Ganzer – will nur diesen Menschen fördern, so, wie er sich selber entwickelt. Diese Liebe kann ebenso ausgehen von jedem Einzelnen wie vom Menschheitsgott, dem menschgewordenen Gott im Christus, durch jeden Einzelnen.

Christus im Ätherischen

Wenn Rudolf Steiner vom Erscheinen des Christus im Ätherischen spricht, so spricht er davon, dass dasjenige göttliche Wesen, das einst durch den Gang durch den Menschentod sich mit der Erde vereinigte, nunmehr im Lebendigen erscheint, in den Lebensprozessen, die im Menschen durch innere Bemühung in inneren Bewegungsbildern aufsteigen können. Die Bedingung dafür ist das Aufschwingen zur Selbstbeobachtung im Denken in der Weise, wie es hier und in vorangegangenen Darstellungen umschrieben wurde.

Die Erscheinung des Christus im Ätherischen ist also identisch mit dem denkenden Verstehen-Lernen gegenüber dem Mysterium von Golgatha. Wird uns beim Denken über die Menschheitsentwicklung, und darin über das Mysterium von Golgatha, die Zeit zum Raum, lernen wir, dies in uns selbst als Bewegungsbild der eigenen Entwicklung denkend zu durchlaufen, so erleben wir den Gang des Christus durch den Tod als den verstehenden Gang des in der Zeit lebenden sich entwickelnden Denkens durch den selbstgewollten Tod unseres gewordenen Weltwissens.

Rudolf Steiner sprach immer wieder davon, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Erscheinung des Christus in der ätherischen Welt anheben sollte. Er meinte damit sicherlich keine visionären Gestalt-Erscheinungen, Licht-Offenbarungen oder dergleichen. Er wird wohl von der Erscheinung der geistigen Wirklichkeit des Christus, die im Entwicklungsgang des sich selbst beobachtenden Denkens besteht, gesprochen haben.

Rudolf Steiner kann insofern als eine Art „Gesandter“, „Vorbereiter“, „Verkündiger“ oder auch „Auslöser“ dieses Christus-Ereignisses des 20. Jahrhunderts angesehen werden.

Er starb in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, am 30. März 1925. Seitdem wirkt er in der geistigen Welt, in derjenigen Welt, in der wir alle als Geistwesen leben. Durch ihn sind wir in der Lage, uns zu demjenigen inneren Erleben aufzuschwingen, in dem die Erscheinung des Christus im Ätherischen ins sich selbst verstehende Bewusstsein treten kann.

© Stefan Carl em Huisken 2021


1 Vgl. z.B. „Den Anderen nach-denken hilft“, vor allem aber „Vom Sterben in den Geist

2 Rudolf Steiner: Das Johannes-Evangelium. GA 103. – Dornach, 1995. S. 174f. Der darin enthaltene Ausdruck „Manas-Kultur“ deutet auf eine zukünftige menschheitliche Entwicklungsepoche hin, in der das alle Menschen einigende Geistige prägend werden soll.

3 Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen, GA 192.Dornach 1964, S. 354

4 Im Zusammenhang mit der proletarischen Bewegung seiner Zeit wies Rudolf Steiner immer wieder darauf hin, dass das Berechtigte dieser Bewegung gerade darin zu finden ist, dass der Proletarier im Vergleich zu anderen, Besitzenden oder sozial Protegierten eben ein Mensch ist, der im irdischen Leben nichts als sich selbst hat, um damit sein Leben zu fristen, und daher gezwungen ist, sich ganz auf sich selbst zu stellen. Vgl. z.B. Rudolf Steiner: Neugestaltung des sozialen Organismus. GA 330. – Dornach, 1983, in fast jedem in dem Buch enthaltenen Vortrag.

5 vgl. z.B. meinen Artikel „Dämonisierte Zone Corona“ unter https://emhuisken.de/daemonisierte-zone/. Der Text kann dort als .pdf-Datei heruntergeladen werden.

6 Lewis Mumford: Mythos der Maschine. Frankfurt, 1978, S. 108

7 vgl. diverse Artikel auf meiner Website, u.a. „Den Anderen nach-denken hilft“, „Der Spiegel des Individuellen – Den Anderen nach-denken II“, „Aufwachen für das Kommende“, „Vom Sterben in den Geist“, „Der individuelle Mensch als Ausdruck und Bedingung einer geistigen Welt“, „Vom Einswerden mit der geistigen Welt“. Eine Übersicht über alle Artikel mit geisteswissenschaftlichen Inhalten findet sich hier: https://emhuisken.de/uebersicht-beitraege-geisteswissenschaft/

8 vgl. Anmerkungen 5 und 7

9 Es gibt dazu derartig viele Aussagen Rudolf Steiners in seinen Vorträgen, als dass ein einzelnes Aufzählen an dieser Stelle überhaupt sinnvoll scheinen könnte. Vgl. vor allem die Vorträge aus dem Jahr 1923.

10 Vgl. Der individuelle Mensch als Ausdruck und Bedingung einer geistigen Welt, auch in: Die Lahnung, Mitteilungen für individuelle Entwicklung und Lebenskunde, Nr. 4, 2021, S. 12 ff

11 Vgl. Anmerkung 10

12 Vgl. Anmerkung 10




Undenkbar! Oder?

I

Undenkbar

Undenkbarkeiten gibt es viele. Derzeit immer mehr und immer ungeheuerlichere. Dass es Pläne geben könnte zum Beispiel, die seit Jahrzehnten, ja Jahrhunderten verfolgt werden und die völlige Versklavung der Menschheit anstreben. Dass alles Relevante, was in der Menschheit vorgeht, gesteuert, inszeniert, geplant sein könnte: 9/11, die Corona-Pandemie, aber auch schon die Weltkriege des 20. Jahrhunderts und viele andere Grausamkeiten. Dass die ach so gloriose „Wissenschaft“, die seit dem 19. Jahrhundert die äußere Sinneswelt zur alleinigen Wirklichkeit erklärt und die uns im Übrigen durch ihre Errungenschaften wie die Biochemie, die Atomkraft und die maschinelle Durchdringung und Industrialisierung des gesamten äußeren – und inzwischen durch die Computer auch des inneren – Lebens in die Lage gebracht hat, in der wir heute sind, – dass diese glorreiche Wissenschaft in ihrem alles beherrschenden Ziel, den Menschen aus der Erkenntnis zu eliminieren, vielleicht unrecht hätte und von der Wurzel her erneuert werden müsste. Dass Regierende überall auf der Welt vielleicht Getriebene, Gelenkte, oft grässlich Inkompetente, Korrupte und in einem Wahn Befangene sein könnten. Und so weiter, und so fort. Alles natürlich undenkbar.1

Furcht

Warum? Weil wir uns fürchten. Fürchten vor den dunklen Abgründen des Menschlichen, die man im Denken zu ergründen hätte, wenn man es doch versuchte so etwas zu denken. Fürchten auch davor, all die dunklen Unter- und Hintergründe solcher Dinge auch in uns selber zu entdecken. Stattdessen versuchen wir lieber, die Dinge zu tun, die wir nicht denken können oder wollen: Macht gewinnen; zügellos die eigenen Wünsche walten lassen; wissen, dass wir selber die „Guten“ sind; dass wir uns selber und unsere Lebensweise nicht ändern müssen – das müssen nur immer alle anderen.

Die Furcht vor dem Ende des schon Bekannten produziert ständige „Dosiserhöhungen“ dessen, was wir schon kennen. Wenn uns die heutige materialistische Wissenschaft in eine Sackgasse führt: mehr davon. Oder auch: wenn der Lockdown nicht wirkt: mehr davon. Wenn die Computermodelle mit ihren irrwitzigen Vorhersagen von der Wirklichkeit widerlegt werden: mehr und neue davon. Also, kurz gesagt: reines Suchtverhalten.

Sucht

Wer schon einmal ausführlicher mit Süchtigen zu tun hatte, weiß eines: da, wo die Angst ist, geht es lang. Das ist der einzig rettende Weg. Also: die eigene Ohnmacht eingestehen (aber nicht zu dem Zweck, sich dann zurückzulehnen und zu sagen: „ich wusste es schon immer, ich kann nichts machen, das müssen die anderen“; das ist nur eine noch perfidere Finte der Furcht). Die Ohnmacht des heutigen Wissenschaftsbetriebes einsehen, die Wirklichkeit zu erkennen. Die eigene moralische Labilität – freundlich ausgedrückt – und damit das eigene Getriebensein von Egoismus betrachten. All das dann aushalten und nicht aufgeben.

Dann können wir vielleicht auch nachvollziehen lernen, was die „bösen Anderen“, die „skrupellosen Weltenlenker“ bewegt, wenn sie tun, was sie tun, und ja auch unverblümt zugeben. Die Reichenversammlung des WEF fürchtet sich vor der Unvollkommenheit des menschlichen Wesens, findet offenbar Computer (Menschenwerk also!) viel perfekter und möchte gerne damit verschmelzen: Transhumanismus nennt sich das dann. Regierende überall fürchten sich vor ihrem Volk und möchten es daher gerne zu etwas Kontrollierbaren, Planbaren, Steuerbaren machen. Wissenschaftler fürchten sich vor den Abgründen des menschlichen Geistes und möchten ihn darum aus der Erkenntnis ausschließen; da treffen sie sich mit den Transhumanisten, siehe oben. Der Gläubige fürchtet sich davor über das Absolute etwas zu wissen, der Unvollkommenheit der Wirklichkeit des Irdischen unausweichlich gerecht werden zu müssen.

Und so arbeiten sie alle zusammen – aus Furcht. Aus dem gleichen Grund im Übrigen, aus dem wir das alles mitmachen. Und wenn wir aus Furcht nicht mehr mitmachen wollen, machen wir dasselbe wie sie: wir suchen Macht, moralische Erhebung, Perfektion (das heißt dann hier „Kompetenz“), um die „Despoten“ zu zwingen.

Wir suchen also – Macht für die Liebe, die des Anderen Freiheit zwingt? Aber etwas Anderes können wir doch nicht, das ist doch undenkbar! So? Wer sagt das? Schon mal versucht? Oder, wie der Kabarettist Bodo Wartke es in einem Lied sagt: „Was, wenn doch?“2

II

Grenzen

Wer beginnt, über die derzeitige Situation der Menschheit und ihre (möglichen) Hintergründe nachzudenken, kommt schnell an Grenzen: Grenzen des Fassbaren, des Verstehbaren, des Erträglichen, oder auch ganz grundsätzlich des für uns heutige Menschen überhaupt Denkbaren. Dadurch ergibt sich die auf allen Seiten gleichbleibende Wiederholung der immer gleichen Argumente, Attitüden, Urteile und Gedankengänge. Man ist es inzwischen irgendwie leid: man versucht etwas zu erfassen und muss sich dann eingestehen, dass es einem nicht gelingt. Oder man gesteht sich die Ohnmacht nicht ein und dreht sich weiter in den immer gleichen Gedankenkreisen.

Sicherheit

Es ist daher vielleicht Zeit, die Gründe für dieses Erlebnis des Zerbröselns aller Sicherheit – auch und gerade Urteilssicherheit – einmal woanders zu suchen als beim immer falschen Denken der Anderen, der „Gegenpartei“ also.

Vielleicht liegt das Zerfallen aller Denk- und Lebenssicherheit ja auch an Gewohnheiten weltanschaulicher Art, die allen beteiligten, streitenden und in immer kleinere Fraktionen zerfallenden Akteuren gleich sind, und die deswegen das menschliche Zusammenleben auf der Erde so allgemein zerstören können, wie das schon seit langer Zeit geschieht, derzeit aber erst wirklich an die Oberfläche des Bewusstseins dringt, als Ausdruck einer ins Extrem getriebenen Unterbewusstheit der Wahrheit gegenüber.

Aber das können wir nicht denken: die ganze Menschheit, zumindest in der überwältigenden Mehrzahl der leitenden Personen in einem grandiosen, die Menschheit als solche in ihrer Existenz bedrohenden Irrtum, ja vielleicht Wahn? Undenkbar!

Moral und Wahrheit

Was aber wäre die Alternative? Etwa, dass diese Mehrheit der Leitenden aus bösem Vorsatz handelten? Also, kurz gesagt, seit Jahrzehnten oder länger an ganz klaren Plänen zur Vernichtung der Menschlichkeit systematisch arbeiten, aus welchen – undenkbaren! – Motiven auch immer? Wieder eine solche Undenkbarkeit.

Aber was sollten dann auch die Motive derjenigen sein, die solche Pläne verfolgen? Reicht die Annahme eines grenzenlosen Egoismus‘ aus, um Menschen zu Taten zu treiben, die in dem Maße zerstörerisch sind, wie es derzeit geschieht? Und wenn ja: wer oder was treibt die Menschen dann in diesen überbordenden Egoismus? Und was treibt diejenigen an, die diesem Egoismus dann irgendeine – welche auch immer – moralisch sich gebende Ideologie entgegenhalten: „Man muss doch, man kann doch nicht …“.

Doch, man muss offenbar, man kann auch. Das beweist ja einfach die Existenz derjenigen Menschen, die man da bekämpfen will. Daraus folgt zwingend, dass die Ideale, die man da verfolgt, eben nicht allgemeingültig sind, denn für die Bekämpften gelten sie ganz offenbar nicht. Solche Ideale bleiben eben auf der Ebene persönlichen Glaubens und Meinens – die Meinungsfreiheit ist doch ein hohes Gut, oder? Gewiss, das ist sie, aber sie wirkt real zur Zeit extrem sozial desintegrativ, vorsichtig ausgedrückt. Das wäre nur überwindbar, wenn es eine wirkliche Wahrheit gäbe, die für jeden Menschen nachvollziehbar wäre, und über die es daher keinen Streit geben könnte.

Aber das ist undenkbar! Eine Wahrheit? Die gibt es nicht! Höchstens kann durch Zwang und Unterwerfung, durch Manipulation und ähnliche Machenschaften der äußere Anschein der einen wirklichen Wahrheit einer Mehrheit der Menschen aufgedrückt werden. Die eine Wahrheit, die Wirklichkeit selbst, die gibt es nicht! Das steht fest, alles andere ist undenkbar!

Wer entscheidet?

So könnte man noch viele Dinge aufzählen, die von dieser oder jener Warte aus undenkbar sind: so böse, so inkompetent, verlogen, oder auch so gottgleich philanthropisch, so messiashaft gut etc. pp., wie es sich auf solchen Denkwegen ergibt, können die Menschen gar nicht sein, das ist undenkbar. Der „Great Reset“, die „Corona-Pandemie“ als Weg zur Menschheits-Versklavung, die wirre Politik mancher Regierungen als Ausdruck völliger Lebensfremdheit, und was es dergleichen an Zumutungen in der gegenwärtigen Auseinandersetzung noch mehr gibt, all das ist dann für große Menschengruppen einfach „undenkbar“ (und wird ihnen auch täglich so dargestellt), und muss daher aufs Schärfste bekämpft werden.

Der Richter, der all diese Dinge beurteilt, ist aber immer da zu suchen, wo etwas als „undenkbar“ dargestellt wird. Also bei demjenigen, der aus seinem Denken entscheidet, was für ihn „undenkbar“ ist. Und genau da liegt die Crux.

Genauso wie derjenige, der an die universelle Gültigkeit irgendeines Moralsystemes glaubt, in uralten, längst vergangenen gesellschaftlichen Verhältnissen, den uralten Theokratien offenbar hängen geblieben ist – die in weiten Teilen vollkommen moralfreie, rein nützlichkeitsbezogene und aus blindem Egoismus getriebene Handhabung der Macht hat solche alle Menschen umfassenden Moralcodice längst abgelöst –, genauso also ist der Wissenschaftler, der mit unbeugsamem Willen versucht, den Menschen und seine heutzutage unvermeidliche Subjektivität aus aller Erkenntnis auszuschließen (natürlich nur im Dienste der Wahrheit!), vollkommen in die Irre gegangen. Woher weiß denn dieser Wissenschaftler, was objektiv ist und was subjektiv? Ja, genau: aus seinem, seiner eigenen Ansicht nach ja ganz subjektiven Denken!

Das Undenkbare denken

Nein, eine Wahrheit kann man den Menschen heute nicht mehr von oben herab verkünden. Die müssen sie schon selber einsehen können. Das gilt auch für scheinbar unumstößliche Wahrheiten wie sogenannte „Grundrechte“. Wer deren Existenz nicht einsehen kann, achtet sie eben nicht. Das ist die ungeschminkte Wirklichkeit. Und wer nun meint, die Achtung für diese Grundrechte erzwingen zu müssen, z.B. auch für die menschliche Freiheit? Der zerstört sie genau mit diesem Anspruch.

Es bleibt kein anderer Weg, als immer genau gerade das „Undenkbare“ – denken zu lernen. Das heißt ja nicht, dass man das, was man da denken lernt, um es zu verstehen, nun auch gut und richtig finden muss. Aber ohne ein wirklich vorurteilsfreies Nachdenken gerade des scheinbar Undenkbaren entsteht kein wirkliches Verständnis für einander, und auch keine Möglichkeit, einen lebbaren Umgang mit einander zu finden. Wenn ich lerne, auch das für mein Urteil Fürchterliche zu denken, zu verstehen, dann komme ich der Wirklichkeit näher und baue an einer Grundlage für ein neues Zusammenleben auf dieser Erde.3

Leider ist diese Grundlage dann – horribile dictu!4 –für Viele eine ganz undenkbare, nämlich keine, da bloß geistig, und daher subjektiv und darum unwirklich. Echt jetzt? Ist es denn ganz undenkbar, dass der menschliche Geist eine wirksame Tatsache wäre und keine Einbildung? Ist die Freiheit des Menschen denn nur als egoistische Freiheit des Ungezügelt-Seins denkbar? Ist Freiheit nicht auch Voraussetzung wirklicher Liebe? Nein, das geht gar nicht?

Undenkbar!

© Stefan Carl em Huisken 2021

1 Was man nicht denken kann, nennt man heute „Verschwörungstheorie“

2Das Lied findet sich z.B. hier: https://www.youtube.com/watch?v=T1IDSzs1Ai8

3Vgl. meine Artikel Den Anderen nach-denken hilft und Der Spiegel des Individuellen – Den Anderen nach-denken II, zu finden unter https://emhuisken.de/uebersicht-beitraege-geisteswissenschaft/

4„Es ist schrecklich zu sagen“




Wahrheit, Glaube, Weltanschauung – Wo ist Wirklichkeit?

Die „wahre Wirklichkeit“ kennen wir nicht mehr. Wir können darüber nur spekulieren und Wahrscheinlichkeiten bestimmen. Wie finden wir wieder Wahrheit? Eine Frage, die uns gerade jetzt unter den Nägeln brennen sollte.

Welt-Anschauung

Die Dinge gehen heute ineinander über. Wir nehmen etwas wahr, indem wir es ergreifen mit den uns zur Verfügung stehenden äußeren (sinnlichen) und inneren (seelischen) Mitteln. Was wir wahrnehmen, ist notwendig und unabänderlich für jeden Menschen einzigartig, und immer verschieden vom Wahrnehmungsbereich jedes anderen Menschen. Es kann eben niemand genau die inneren und äußeren Wahrnehmungen eines anderen Menschen haben.

Außerdem hat jeder seine eigene Art, das Wahrgenommene anzuschauen. Die ist ebenso individuell, denn sie ist aufgrund des individuellen Werdeganges anhand der vergangenen, sich ständig ändernden Wahrnehmungen geworden, hat sich daran herangebildet. Da schon der ganze Kreis der aktuellen Wahrnehmungen in jedem Augenblick individuell und mit dem keines anderen Menschen völlig übereinstimmend ist, gilt dies natürlich erst recht für die Folgen der vergangenen Wahrnehmungen, unsere Weltanschauung nämlich, die daran im Laufe der Zeit heranreift. „Weltanschauung“ ist hier ganz wörtlich gemeint als die Art, die Welt anzuschauen, als der Beitrag des Einzelnen also zum Aufbau eines gegliederten Ganzen auf der Grundlage der inneren und äußeren Wahrnehmungen.

Da nun dasjenige selbst, was uns zu den Wahrnehmungen verhilft, sie erst ermöglicht, für uns nicht unmittelbar und vollständig zum Kreise der Wahrnehmungen gehört – wir nehmen ja an einem Vogel zum Beispiel nicht unmittelbar wahr, was dieses Tier auf welche Art und Weise so konfiguriert hat, wie es uns jetzt in der Wahrnehmung entgegentritt, und wie unsere eigene (Sinnes-)Organisation daran mitwirkt – sind wir zur Erklärung darauf angewiesen, von uns selbst aus durch unser Denken den Wahrnehmungen einen Zusammenhang beizulegen. Dies tun wir aus unserer mehr oder weniger entwickelten Welt-Anschauung heraus. Ob dieser Zusammenhang gänzlich neu von uns selbst erdacht ist, oder anders, zum Beispiel durch Nachdenken von mitgeteilten Gedanken anderer in uns vorhanden ist, spielt zunächst keine Rolle. Ich muss immer die die Erklärung selber durch mein Denken mit den Wahrnehmungen verbinden.

Wahrscheinlichkeit

Nun stellt sich hier ein Problem: ob nämlich der von mir den Wahrnehmungen beigelegte Zusammenhang den Tatsachen entspricht, kann ich zu keinem Zeitpunkt zweifelsfrei feststellen. Die Tatsachen (oder sind es Wesen?), die den Wahrnehmungen zugrunde liegen, nehme ich ja nicht unmittelbar vollständig wahr, habe also keinen Maßstab, die Tatsachentreue meiner Erklärungen zweifelsfrei zu überprüfen. So bleibt zunächst alles im Bereich von mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit. Wie das Wort schon sagt: es scheint alles mehr oder weniger wahr. Es ist aber keine Wahrheit.

Wahrhaftige wissenschaftliche Tätigkeit der heutigen Zeit wird immer damit rechnen, dass sie über die eigentlichen Tatsachen der Wahrnehmungswelt in der Regel nur Wahrscheinlichkeiten feststellen kann. Diese Feststellung selbst allerdings – dass wir in der Regel über den Zusammenhang der Welterscheinungen nur Wahrscheinlichkeiten konstatieren können – ist eine Ausnahme-Tatsache. Denn sie kann sich jeder Mensch gleichermaßen selber aufgrund der vorangegangenen Betrachtungen klarmachen. Ihre Wirklichkeit braucht zu ihrer Bestätigung nichts außer sich selbst. Wir werden darauf zurückkommen.

Bei allen anderen Dingen haben wir zunächst nur Wahrscheinlichkeiten. Da wir aber im Alltag mit den Dingen der Welt umgehen wollen und müssen, glauben wir einfach daran, dass die aus unserer Welt-Anschauung entstandene Erklärung der wirklichen Wahrheit schon genügend nahekommt. Für den Alltag reicht dies in den meisten auch Fällen aus. Die eigentlich den Wahrnehmungen zugrundeliegenden (uns ja noch unbekannten) Tatsachen und Wesen geraten dabei in Vergessenheit, und der Glaube, in dem von uns Erlebten und Angeschauten die ganze Wirklichkeit zu haben, wird immer mächtiger. Es bleibt aber ja dabei: diese Wirklichkeit ist eine geglaubte, keine tatsächliche. Mit solchem Glauben leben wir also in etwas, was nicht wahr ist, in einer Lüge also, einer Lebenslüge.

Darin liegt aber der Grund für unsere Angreifbarkeit, für Verunsicherung, Streit und Machtstreben. Wer nicht sicher weiß, gerät sofort in Gefahr, aus seiner Bahn geworfen zu werden, wenn ihm etwas begegnet, was seiner geglaubten Welt-Anschauung widerspricht. Darauf kann man nun unterschiedlich reagieren. Wer ernsthaft nach der ganzen Wahrheit sucht, wird in jeder Infragestellung seines eigenen Weltbildes (des jeweils aktuellen Ergebnisses seiner gewordenen Welt-Anschauung) eine Gelegenheit sehen, sich weiter zu entwickeln und der wirklichen Wahrheit näher zu kommen. Nicht jeder hat allerdings die innere Kraft dazu, seine eigene Weltanschauung dauernd in Frage zu stellen, mit allen Konsequenzen, die sich daran knüpfen. Sind doch in die Bildung der eigenen Weltanschauung auch die eigenen Taten – einschließlich eventueller Irrtümer – mit eingeflossen. Die möglichen Alternativen zu einer solchen unvoreingenommenen Auseinandersetzung mit dem verunsichernden Neuen sind aber wenige: im Wesentlichen sind es Unterordnung unter das Neue, Fremde oder der Kampf dagegen.

Das Neue – „Corona“

Und genau das erleben wir zur Zeit: uns begegnet ein Neues, Unerwartetes unter dem Namen der „Corona“ (hier sind alle Aspekte gemeint, einschließlich der davon angeregten Handlungen der Menschen). Die Handhabung der Sache durch die öffentlichen Stellen einschließlich der Medien ist so, dass eine offene Auseinandersetzung unmöglich gemacht wird. Von der offiziell favorisierten abweichende wissenschaftliche Auffassungen („Welt-Anschauungen“) bleiben weitestgehend unberücksichtigt, so dass – auf dieser Ebene betrachtet – wirklich nur Gehorchen oder Kampf bleibt. Die Verweigerung jeder offenen Auseinandersetzung zwingt förmlich dazu und öffnet einen Raum für alle möglichen Dämonisierungen.

Und schon hat uns die Wahrnehmungswelt ein weiteres Mal getäuscht. Nicht nur, dass wir eine solche Situation, wie wir sie erleben, nicht erwartet hätten, sie uns also gleichsam „überrollt“ hat und wir Mühe haben, sie unserer Weltanschauung einzuverleiben; was uns hier erscheint will uns auch dazu bringen so oder so Stellung zu beziehen, zur Partei zu werden also. Denn alle Seiten berufen sich in ihren Darlegungen auf die Autorität der „Wissenschaft“ – aber immer bestimmte Ergebnisse oder Verfahrensweisen, die man entsprechend der eigenen Auffassung von dieser „Wissenschaft“ und ihren Aufgaben geltend macht. Die einzige Aussage, die im hier dargelegten Gedankengang eine sichere genannt werden kann – dass nämlich alle aus dem heutigen gewöhnlichen Bewußtsein hervorgehenden Welt-Anschauungen nur Wahrscheinlichkeiten geben – wird dabei unberücksichtigt gelassen.

Lässt man sich auf diese letzte Aussage wirklich ein, so erscheinen die Fraktionen, die sich der Sache gegenüber – der „Corona“ also – bilden, nur als Ergebnisse einer einzigen Tendenz: die Menschen zu spalten, in möglichst viele verschiedene Parteien. Das lenkt davon ab, was als Tatsache eigentlich offensichtlich ist, dass nämlich alle Parteien gleichermaßen die Wahrheit nicht kennen, nur Wahrscheinlichkeiten, und in der Folge ganz generell die Bereitschaft gering ist, in systematischer und ernsthafter Zusammenarbeit die Quelle für die „wahre Wirklichkeit“ zu suchen.

Das wäre ja die Frage nach dem Ausgangspunkt jener ersten, für alle Menschen gültigen Feststellung über die Endlichkeit und Unvollständigkeit jeder individuellen Welt-Anschauung. Wie kommt man eigentlich darauf? Wenn diese Einsicht für jeden Menschen gleichermaßen möglich ist, liegt doch gerade darin ein universelles Element, in dem der Keim gesucht werden könnte zu einer neuen, für jeden Menschen gleichermaßen zugänglichen Wahrheit jenseits der ansonsten unvermeidlichen Unterschiede in den Welt-Anschauungen und Welt-Bildern.

Jedes im Alltag vielleicht unvermeidliche Partei-Ergreifen lenkt ab von der Konzentration auf diesen, das Ganze in den Blick nehmenden Gesichtspunkt, von dem aus alle Menschen einerseits als (im Alltag) unfreie, gezwungene Darsteller im Rahmen einer weltweiten Inszenierung von Vereinzelung und Spaltung erscheinen können, andererseits jeder Einzelne zugleich zum Träger eines universellen Versöhnungsimpulses werden kann. Dafür braucht es aber ein Erwachen.

Erwachen

Dieses Erwachen bezieht sich auf den Kern jeder individuellen Weltanschauung, das menschliche Individuum selbst, das ICH. Durch dieses ICH und seine Tätigkeit erst wird aus den ungeordneten Wahrnehmungen eine Welt-Anschauung. Gewiss, wir machen uns allerlei Vorstellungen davon, was dieses unser ICH sei, allerdings: jede Vorstellung davon, wenn sie mir ins Bewußtsein dringt, ist bereits eine (innere) Wahrnehmung, ein „Etwas“, und trägt ihren Entwicklungsgrund nicht als wahrnehmbaren Anteil in sich. Den Aufbau einer solchen Vorstellung durchleben wir zwar, wissen also um unsere Beteiligung. Das ist aber unsere Betätigung, das eigene Tun, von dem wir erst das Ergebnis – die ICH-Vorstellung – als innere Wahrnehmung ins Bewußtsein bekommen. Derjenige, der dann diese Vorstellung denkend ergreift, ist bereits ein anderer als ihr Hervorbringer. Denn er ist Betrachter eines Gewordenen, nicht dessen schaffender Hervorbringer..

Insofern müssen wir also einsehen, dass wir als Denker, als Wahrnehmer für uns selber nicht wahrnehmbar sind. Für unsere Wahrnehmung sind wir sozusagen ein NICHTS. Was wir als Vorstellung hervorbringen, können wir erst im Nachhinein anhand des Ergebnisses erkennen, das Hervorbringen selbst erleben wir, durchleben wir im eigenen Tun, ohne es zunächst wahrnehmen zu können.

So kann uns das Erwachen für die eigene Unfähigkeit, die wirkliche Wahrheit als Ganze zu erkennen, zu einem Erwachen für ein Zweites führen: dass es nämlich außer der uns gegebenen Welt äußerer (sinnlicher) und innerer (seelischer) Wahrnehmungen eine zweite Welt fortwährenden lebendigen Hervorbringens gibt, deren ständig mitwirkendes Glied wir selber in unserem ICH sind. In dieser zweiten, zunächst nur wie im Negativ aufscheinenden Welt der schaffenden Ursachen sind wir vereint mit allen ebenfalls schaffenden Ur-Sachen und -Wesen der gegebenen Wahrnehmungswelt.

Schaffende Ur-Sachen

Diese Welt der schaffenden Ursachen ist nicht darauf angewiesen, dass jedes dort vorkommende Wesen auch einen eigenen, abgrenzbaren (sinnlichen oder seelischen!) „Leib“ in der Wahrnehmungswelt hat, durch den es wirken kann. Was in der Wahrnehmung auftaucht als abgrenzbarer „Erscheinungs-Leib“, kann durch Zusammenfließen verschiedener Ur-Sachen entstehen, die ansonsten, für sich genommen, unwahrnehmbar wären.

Ein Beispiel: Damit für einen Betrachter die Wahrnehmung eines Regenbogens entsteht, müssen vielerlei Einflüsse zusammenwirken: das scheinende Sonnenlicht (das für uns ja immer nur dann wahrnehmbar wird, wenn es auf etwas auftrifft, von dem es reflektiert wird), das Vorhandensein von Wassertropfen in der Luft, und vor allem ein besonderes räumliches Verhältnis von Lichtquelle, Wassertropfen und Betrachter zueinander – um nur einige wichtige Einflüsse zu nennen. Welche Ursachen, welche schaffenden Wesen haben all diese Verhältnisse so zusammengeführt dass im Betrachter die Wahrnehmung des Regenbogens entsteht? Selbst schwer ergründbare Fragen des individuellen Schicksalsverlaufes des Betrachters können hier eine Rolle spielen, seine eigenen, wirkenden Willensimpulse und ihre Quellen ebenso wie prinzipiell naturgesetzlich erklärbare Tatsachen der Sinnenwelt. Ein ganzes Kompendium zunächst unwahrnehmbarer Einflüsse bringt also im konkreten Leben die zusammenhängende, abgrenzbare Erscheinung – den „Leib“ – eines Regenbogens für einen Betrachter zustande.

Der Versuch, dies alles durch Berechnungen und Überlegungen im Sinne der Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten zu einem glaubwürdigen Welt-Bild zusammen zu fügen, wäre heillos zum Scheitern verurteilt.

Das Wissen aber davon, dass die einzelne Wahrnehmung aus einer Welt der schaffenden Ursachen hervorgeht, deren erlebender Teil jeder Mensch durch sein ICH ist, kann uns den Weg weisen zu der Frage, wie uns diese Welt schaffender Ur-Sachen selbst ins Bewußtsein treten kann. Dann wären wir nicht mehr auf Spekulationen und Wahrscheinlichkeiten angewiesen, sondern könnten erkennend in der Wahrheit leben. Derjenigen Wahrheit im Übrigen, die durch ihren allen Menschen eigenen universellen Quell prinzipiell jedem Menschen offensteht, und aus der darum heilender Einfluss auf die ansonsten leicht in Widerstreit geratenden Welt-Anschauungen hervorgehen kann.

Auf diese „wahre Wirklichkeit“ oder „wirkliche Wahrheit“ weist Rudolf Steiner hin, wenn er vom „Denken“, der „Intuition“ oder der „geistigen Welt“ spricht.

Geistige Welt

In der geistigen Welt leben wir alle also ununterbrochen, durch unser Denken, unser Wollen, aber wir sind uns dessen nur in Ausnahmefällen bewußt. Sie erkennend zu betreten ist, was der heutigen Menschheit fehlt, um die immer schärfer aufflammenden Gegensätze zwischen den Menschen mit ihren je eigenen Welt-Anschauungen kontrollieren und heilen zu lernen.

Dieses Betreten der geistigen Welt kann – wenn es wirklich heilsam wirken soll – in der heutigen Zeit nur so vonstatten gehen, dass alle damit verbundenen Tatsachen und Vorgänge offen zutage treten und für jeden Menschen im Grundsatz nachvollziehbar sind. Es kann also nur auf dem Wege einer wirklichen Geisteswissenschaft geschehen. Diese Wissenschaft gibt es seit dem Wirken Rudolf Steiners, sie ist veröffentlicht und damit für jeden Menschen zugänglich, der dies will.

Begegnung mit dem Teufel

Wir tun gut daran, nicht zu vergessen, dass wir zum Erwachen für die geistige Welt geführt werden durch das beherrschende Auftreten des Zerstörerischen, Spaltenden, Zersplitternden. Insofern ist unser Erwachen auch „von des Teufels Gnaden“*. Dafür ist er uns gesandt. Ihn nur zu „beseitigen“ – kann man überhaupt zerstören, wessen Wesen die Zerstörung selbst ist, kann die Zerstörung also durch uns sich selbst vernichten, oder wäre dies nur ein „Vergessen“, ein Aus-dem-Bewusstsein-schaffen? – ihn also wegschaffen zu wollen, wäre keine Heilung. Dieser „Teufel“ muß überwunden werden, erlöst von dem Zwang zur Vernichtung. Dazu müssen wir ihn kennenlernen, ihm furchtlos entgegentreten, mit ihm umgehen lernen.

Dieser „Teufel“ kann so zu dem ersten rein geistigen Wesen werden, das in unserem Bewußtsein Gestalt annimmt. Die Wirkungen, die er durch die Menschen in die Welt setzt, können uns dadurch nach und nach erklärlich und handhabbar werden.

Das Erwachen führt uns daher zu ernsten Aufgaben. Wie wir darin bestehen, wird entscheidend sein dafür, ob aus der aktuellen Zersplitterung der Menschheit ein neuer, heilender Impuls hervorgehen kann.


Fürchte einzig des Dämons Lächeln,
Des Verfälschers tröstliche Glätte,
Des Lügners einleuchtende Wahrheiten,
Des Mörders Lebensklugheit,
Des Verräters daseinsbezwingende List,
Des Verleumders exakte Wissenschaft.

Fürchte nur des Dämons
Uralt unerkannte Gottähnlichkeit,
Die strahlende Maske,
Vielen tödlich.

Und fürchte ihn nicht!
Blick ihm ruhig ins trauernde Antlitz:
Von kalten Blitzen entzündet,
Gefurcht von Verachtung der Feigen,
Von Haß zerstört gegen
Einen ihm schweigenden Gott –
Blick ihm ruhig ins versteinerte Aug,
Immer steht er neben Dir.

Nicht schenkte ein Gott Dir sein Blut,
Daß in Furcht du erstarrst,
Leuchte dem Dämon zu späterer Erlösung,
Da er trug auch Dich,
Als Du ihm ähnlich warst.
Nun hilf ihm.

(Helmut Siegfried Unbehoven)


* Das Wort „Teufel“ hat den gleichen Ursprung wie der „Zweifel“, der alles in (mindestens) zwei zerfallen läßt.

© (außer abschließendes Gedicht) Stefan Carl em Huisken 2020




Was Not tut – Wohin führt die „Krise“?

Schärfer noch als bei allen vorangegangenen spaltet die derzeitige „Krise“ die Menschheit in Fraktionen auf, die sich immer erbitterter bekämpfen. Jede Seite will siegen – das Antisoziale überwiegt. Wie aber Wege zur Verständigung, zu einem gemeinsamen, freien sozialen Wollen finden? Ein Denkansatz.

Gespaltene Menschheit

Die Menschheit ist heutzutage gespalten: in Parteien, Fraktionen, Meinungen – bis hin zu den einzelnen Individuen. Jede „Krise“, jedes gemeinsame Problem bringt dies neu und immer stärker ins Bewußtsein. Das kann nicht anders sein, denn jeder Mensch will frei sein, frei denken und meinen. Es ist das ein gewisser antisozialer Zug in der heutigen Menschheit. Aber wie dann – so zerspalten – zusammenleben auf dieser einen Erde, die doch endlich ist, wo jeder mit jedem und alles mit allem zusammenhängt, wo alles, was der eine tut, den anderen auch betrifft?

Jede Meinung hat ihre Gründe, gute, weniger gute, schreckliche, wunderbare – ganz gleich, sie hat Gründe. Wer kann sich da aufschwingen und behaupten, er wisse alles besser als alle anderen, die eigenen Gründe seien die besten? Natürlich, es gibt Menschen, die das wollen. Aber was sie da wollen, trifft die Wahrheit nicht. Die anderen Meinungen bleiben ja vorhanden. Und das ist auch gut so. Denn Leben ergibt sich nur aus Verschiedenheit. Verschiedenheit erwirkt Widerstände, und aus Widerständen folgt Entwicklung, also Leben. Wären alle gleich, so gäbe es keine Entwicklung. Die Spaltung hat also auch einen Sinn

Kann man vielleicht tiefer fragen, um einer Antwort näher zu kommen?

Wissenschaft und/oder Wahrheit

Angenommen, es handele sich heute wirklich um eine extrem gefährliche Krankheit, die Millionen Menschen droht auszulöschen. Warum kommt sie dann gerade jetzt über die Menschheit? Wer bringt gerade jetzt zum Beispiel Regierende auf den Gedanken, sie müssten die Menschheit mit Angst überziehen, alternativlos? Warum dies gerade jetzt, und in dieser Form? Schließlich gab es auch vorher schon Krankheiten, Epidemien, Pandemien. Es wäre doch auch möglich, dass eine Mehrheit der Regierenden in einer solchen Situation andere Konzepte ersinnt? Oder, wenn man meint, die Sache wäre zentral geplant und gesteuert: warum wollen dann die mehr oder weniger unerkannten „Weltenlenker“ diese Sache gerade jetzt, in dieser Form? Wer gibt diesen Menschen gerade jetzt die Motive ein, die sie zu ihrem derzeitigen Handeln veranlassen? Welche Motive das sind, können wir ja nicht wissen, nur vermuten.

Das bringt uns auf des Pudels Kern, finde ich. Wir wissen einfach zu wenig von der Welt und dem Menschen. Wir haben nur Theorien, das heißt, wir unterstellen der Wirklichkeit, dass sie so wäre, wie wir uns das denken. Genauso unterstellen wir auch anderen Menschen, dass sie so seien, wie wir uns das denken. Was sollen wir auch tun, wenn wir doch nichts anderes zu Hand haben, um die Wahrheit zu finden?

Hier ist wohl eine Klarstellung nötig. Natürlich behaupten Wissenschaftler der verschiedensten Richtungen, dass sie die Wahrheit wüssten. Wenn es ihnen aber nicht möglich ist, mir das erlebbar zu machen, bin ich immer auf blinden Glauben angewiesen. Und der kann täuschen. Vielleicht täuschen diese Wissenschaftler sogar sich selber, glauben ihren eigenen Theorien, einfach, weil sie die Unsicherheit nicht ertragen, nicht zu wissen, nur Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten zu haben und damit niemals die Wahrheit.

Die Spitzenkönner der heutigen Wissenschaft allerdings haben dies immer zugegeben: wir wissen nicht, wir können nur vermuten, und letztlich das für uns Plausibelste dann eben glauben. Man lese als ein hervorragendes Beispiel einmal Stephen Hawkings „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (1). Die Wahrheit weiß eben keiner dieser Wissenschaftler, und – natürlich – wir kleine Dilettanten dann auch nicht. Was gibt uns also das Recht, unseren Glauben über den der anderen zu stellen? Und wenn wir das nicht finden können, ein solches Recht, wie soll dann jemals sinnvolles Zusammenleben der Menschen möglich werden, bei den Gegensätzen, die sich immer tiefer und immer öfter auftun?

Fazit: was heutzutage als „Wissenschaft“ auftritt, hilft nicht weiter. Es hat genauso wenig Boden, wie ansonsten dieser oder jener Glaube. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass immer öfter „Wissenschaftler“ nach der Maxime handeln: wes Brot ich eß, des Lied ich sing.

Der „richtige“ Weg

Aufgrund der Vorlieben der Menschen bilden sich diese oder jene Gruppen um diese oder jene Meinung, und so entsteht der Krieg des Menschen gegen den Menschen, je mehr in der Gruppe, in der „Filterblase“, desto schlimmer. Es wird wohl kaum möglich sein, hier den „richtigen“ Weg aus der Kalamität zu finden. Denn jeder mögliche Weg widerlegt über kurz oder lang sich selbst, indem er die „Anderen“, die „Gegner“ ausschließt und sich selbst zur alleingültigen Richtschnur erklärt. Also – um es klar zu sagen – indem er alle anderen versucht zu beherrschen. Aber weil es ja die „Anderen“ gibt, die er beherrschen muss, ist er eben nicht „alleingültig“.

Auf dieser Erde leben wir alle gemeinsam, und daher hat das, was der eine tut gegenüber dem anderen, über kurz oder lang auch seine Rückwirkungen auf den Täter selbst. Jede Ideologie, die sich selbst zur Herrschenden machen will, geht über Leichen und Blutvergießen: Hitler, Stalin, Mao, Mussolini, Elitegruppen aus Industrie und „Wissenschaft“, die sogenannten „Neoliberalen“ und wer sonst noch alles. Alle kennen sie nur diesen Weg: Macht auszuüben und den „Gegner“ zu vernichten oder mindestens so zu unterdrücken, dass er nicht mehr stört. Ein kurzer Blick auf die Geschichte kann uns lehren, dass das zu nichts führt. Irgendwann ist dann die andere Seite dran. Dann geht das Blutvergießen weiter.

Gibt es vielleicht einen ganz prinzipiellen Grund, warum das besonders in unserer Zeit so unentrinnbar scheint?

Wir denken vom Einzelnen aus

Der Grund liegt in unserer Art zu denken, über Welt und Mensch, über uns selber und den Anderen. Die Frage, die uns die „Krise“ derzeit vorlegt, weist uns darauf hin. Da gibt es – mit ausgetüftelten Methoden gefunden – ein winziges, im alltäglichen Leben unsichtbares Etwas, über dessen Existenz und Eigenschaften nur Spezialisten etwas wissen. Esoterik pur also – im ursprünglichen Sinne des Wortes: „Esoterik (von altgriechisch ἐσωτερικός esōterikós ‚innerlich‘, dem inneren Bereich zugehörig‘) ist in der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs eine philosophische Lehre, die nur für einen begrenzten „inneren“ Personenkreis zugänglich ist, im Gegensatz zu Exoterik als allgemein zugänglichem Wissen.“ (2). Virologie ist ja offenbar in diesem Sinne „esoterisch“. Und wenn sich schon die Virologen nicht über dieses winzige Etwas einig sind – sind die einzelnen virologischen „Schulen“ einander „esoterisch“ geworden? – wer von uns „Dilettanten“ soll dann beurteilen, wer nun das „Richtige“ sagt?

Unsere Zeit verlangt völlige Öffentlichkeit aller Dinge von allgemeiner Bedeutung. Andernfalls wäre alles Reden von Freiheit und Gleichheit eine Farce. Auch die Ansicht, dass die Welt eben so kompliziert sei, dass nur „Eingeweihte“ darüber etwas Relevantes sagen können, ist nur Meinung. Die Parteien und ihr Streit bleiben.

Könnte das Problem darin liegen, dass wir immer nur vom Einzelnen ausgehen, immer meinen, aus dem Einzelnen habe sich erst das Ganze geformt – durch Zufall, göttlichen oder teuflischen Plan, Dummheit der Menschen, Kampf ums Dasein, oder, oder, oder ….? Die derzeitige Auseinandersetzung ist ein Beispiel. Nur, wer über dieses kleine Etwas, das unsichtbare „Gespenst“ genau Bescheid weiß, weiß das „Richtige“. Denn das ist der Maßstab, sagt man, das Einzelne, das Virus. Ist es ein äußerst gefährliches Gespenst, dann kann es auch nötig sein, drakonische Maßnahmen zu ergreifen. Die ergriffenen Maßnahmen sind symptomatisch: sie vereinzeln die Menschen, etwas anderes fällt offenbar niemandem ein.

Auch der Streit, auf welchem Wege man diesem Gespenst und dem „Richtigen“ beikommt: durch Virologie, Statistik, mit dem Mikroskop, durch Gentechnik, oder wie sonst hilft nicht weiter. Jeder ist dabei, Einzelheiten zu sammeln und dann zu streiten – jeder nach Maßgabe seines Gesichtspunktes. Vom Einzelnen auszugehen, hilft also nicht.

Was aber hilft dann? Was ist das „Ganze“? Wo ist es zu finden?

Wo ist das „Ganze“?

Wir sind nicht der „Weltenschöpfer“ – sei er nun Gott, ein Urknall oder noch etwas ganz anderes – in dem das Ganze veranlagt gewesen sein mag. Wir sind heutige Menschen, die sich um wahrheitsgemäßes Erkennen bemühen können. Da ist es unausweichlich, den Geist des Menschen, sein individuelles Seins-Zentrum, aus dem alles Denken über die Wirklichkeit, alle Wissenschaft, aller Glauben letztlich hervorgeht, zum Ausgangspunkt zu nehmen. In ihm spielt sich alles Erklären der Wirklichkeit ab, sei es materialistisch, spiritualistisch, religiös, einfach dumpf oder was sonst noch alles. Und wenn wir von diesem realen, erlebten und erlebenden Menschen ausgehen, der sich in unzähligen Varianten in der Welt austobt, haben wir vielleicht eine Chance, etwas Gemeinsames zu entdecken.

Dann müssten wir eine Wissenschaft entwickeln von dem Denken, mit dem der Mensch die Wirklichkeit zu erklären trachtet, eine Wissenschaft, die jeder, der nur denken will, in sich selber nachvollziehen könnte, und die uns so auch zu einer Wissenschaft vom Menschen, dem Anderen führen könnte. Zu einer Wissenschaft dann also, die mir mein eigenes Denken ebenso wie das des Anderen verständlich macht. Sie wäre nicht „esoterisch“.

Wissenschaft vom Denken

Wohlgemerkt: ich rede von einer Wissenschaft vom Denken, nicht vom Gedachten! Denn das Gedachte bleibt individuell, da es alles dasjenige einbeziehen muss, was das einzelne Individuum von seinem Gesichtspunkt aus in der Welt erlebt. Das Denken selbst aber, der Weg, auf dem alles Wissen entsteht, ist universell, im Grundsatz allen Menschen gleich zu Eigen, und in Bezug auf diesen Weg ist alles, was mir durch einen Anderen zukommt, für mich nachvollziehbar.

Wir können als individuelle Menschen nichts wirklich Gleiches in der Welt finden, das uns mit allen anderen verbindet. Keiner kann durch die Augen des Anderen blicken, mit seinen Ohren hören, mit seinen Sinnen riechen, schmecken, tasten und so weiter. Meine Sinneswelt bleibt insofern nowendig „esoterisch“ im engsten Sinne, nämlich auf mich selbst beschränkt. Das ist und bleibt so. Das Denken als Weg kann aber immer für jeden anderen, der nur will, nachvollziehbar gemacht werden. Das erfordert „nur“ ernsthaftes Wollen, Mitteilung, Zuhören, Nach-Denken, also: selbstgewolltes soziales Tun. Es ist daher das eigentlich Universelle im Menschen, durch das die Menschen auch zu einander finden können.

Es ist eine Frage der Redlichkeit, auch die Quellen zu nennen, an denen sich das eigene Denken bildet. Die Tatsache, dass in unserer neuzeitlichen Geistesverfassung das Denken das universelle Element ist, hat als erster vollständig und philosophisch genau Rudolf Steiner beschrieben. Er wird meiner Ansicht nach oft vollständig verkannt, auch und gerade von vielen Menschen, die sich als seine „offiziellen“ Statthalter auf Erden betrachten. Was er in seinen grundlegenden Werken: „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“, „Wahrheit und Wissenschaft“ und vor allem „Philosophie der Freiheit“ dargelegt hat, ist bis heute nicht genügend verstanden und gewürdigt worden. Die Diskussion über die Gründe dafür würde hier den Rahmen sprengen, und ist letztlich auch müßig.

Gesagt kann aber werden, dass alle Kritik an seinen späteren Taten ohne eine verstehende Grundlegung im Nach-Denken der genannten Werke – im Sinne des oben genannten selbstgewollten sozialen (Nach-)Tuns bodenlos bleiben muss. Solche Kritik verdeckt nur die geistigen Leistungen, die Rudolf Steiner darin vollbracht hat. Was in seinem Leben später kam, kann von einem gewissen Gesichtspunkt aus eher als eine pädagogische Tätigkeit angesehen werden, in der er versucht hat, seine Einsichten denjenigen Menschen nahezubringen, die davon hören wollten, aber nicht die Möglichkeit und den Willen hatten, mit diesen Einsichten sich selber denkend zu befassen. Er hat eben für die Menschen gesprochen, die da waren. Andere gab es offenbar nicht.

Finden sich – durch die „Krise“ aufgeweckt – heute genügend selber Denkende? Dann könnte eine Wissenschaft vom Denken den Weg weisen in eine selbst-gewollte, soziale Zukunft.

Weitere Artikel zum Thema gibt es => hier

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(1) Hawking, Stephen W.: Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums. – Reinbek: Rowohlt Verlag GmbH, 1988. Kapitel „Unsere Vorstellung vom Universum“
(2) Wikipedia, Artikel „Esoterik“, 18.05.2020, https://de.wikipedia.org/wiki/Esoterik




ABGESAGT – Salzküstengesang hinterm Deich

Diese Veranstaltung ist leider abgesagt, da das Bistro hinterm Deich schließt. Uwe und Beate sehen keine Möglichkeit, ihr gemütliches Bistro unter Coronabedingungen sinnvoll weiter zu betreiben. Schade!
Salzküstengesang

An den Küsten gibt es keinen Stillstand. Alles ist in Bewegung, schafft Neues und räumt ab, was vergehen muss.

Eine Welt, in der das Gefühl walten will: sanft säuselnd, sturmbrüllend, wechselhaft, niemals gleich.

Beides ist “Weltenrand” – der Rand der See und der Seelentiefen im menschlichen Gemüt.

Hier entstehen Lieder von Sehnsucht, Mut, überschäumender Lebenslust und tiefstem Schmerz.

Überlieferte Lieder der Seefahrer gehören ebenso dazu wie Hymnen an die unvergleichliche Natur und das Leben an den Salzküsten der See, Gesänge von außergewöhnlichen Ereignissen, seltsamen Wesen und starken Erlebnissen an den “Rändern der Seele”: Salzküstengesang – Worte und Weisen am Weltenrand.

Die Texte spiegeln die Sprachen der Küsten: niederdeutsch, englisch, bretonisch, friesisch, französisch.

Em Huisken singt und spielt Gitarre, Akkordeon, Mundharmonika und manchmal auch bretonische Oboe.