Über das Wirken der anthroposophischen Gesellschaft

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In der Vergangenheit äußerte ich mich bereits über die Frage der Mitgliedschaft in der anthroposophischen Gesellschaft1. Nachfragen regten eine Art Nachtrag dazu an2. Wie eine Art Totempfahl will ich hier einige Bemerkungen zur Frage des künftig möglichen Wirkens der anthroposophischen Gesellschaft hinstellen. Eine ausführlichere Version – wie eine Art möglicher „Tanz um den Totempfahl“ – findet sich wiederum auf meiner Website3.

Als „Dreigliederung des sozialen Organismus“ betrachte ich in diesem Zusammenhang eine vorhandene Tatsache, die nur mangels Bewusstsein ihres Vorhandenseins bei den Menschen nicht ihrem aktuellen Zustand gemäß im äußeren Leben wirken kann und daher in mangelhafter, „kranker“ Form dort erscheint. Eine Betrachtung dieser Dreigliederung als umsetzbares Konzept (also als eine „Utopie“ im Wortsinne) schließt Steiner selber aus4.

Im Rahmen dieser Dreigliederung ist die anthroposophische Gesellschaft5 zweifellos als ein Bestandteil des Geisteslebens der Menschheit anzusehen. Als Glied des Geisteslebens kann sie aber nicht zugleich eine äußere Institution – d.h. also ein den rechtlichen und wirtschaftlichen Regularien der äußeren Welt unterworfener Mechanismus – sein. Allenfalls kann sie sich in derartigen Mechanismen, die dann auch den Lebenszyklen der Außenwelt unterworfen sind (geboren werden – leben – sterben), ausdrücken. Wenn solche Mechanismen sich von der Geistrealität ablösen (warum auch immer), sind sie nicht mehr deren Ausdruck, sondern geraten in Gefahr, als nun entstandene geistleere Hohlform von anderen Geistwesen als den ursprünglichen okkupiert zu werden; im Falle der anthroposophischen Gesellschaft kämen z.B. Freimaurer, Jesuiten, Mormonen oder andere Gruppierungen als mögliche Okkupanten solcher Institutions-Leichname in Frage.

Wirken kann die anthroposophische Gesellschaft als lebendige Geistgemeinschaft nur, insofern sie frei ist von äußerlich vorgegebenen Beschränkungen. Sie setzt also niemals ein befreites Geistesleben voraus (das wäre ja dann eine Beschränkung der Freiheit), sondern kann sich aufgrund ihres Entstehungsimpulses als Gesellschaft freier Individuen, also einer Keimzelle der Befreiung des Geisteslebens nur selbst befreien – auch von den einschränkenden, absterbenden Resten ehemals hilfreicher Wirkens-Instrumente in Form äußerer Einrichtungen.

Dies fordert immer mehr und immer stärker die Besinnung auf eine Geisteshaltung, wie sie von Rudolf Steiner im Zusammenhang mit der Statue des Menschheitsrepräsentanten geschildert wurde. Die rechte Hand der Menschengestalt weist auf Ahriman, dem diese Geste Anlass ist, sich selber an die Materie zu fesseln. Nicht der Christus tut dies, Ahriman fesselt sich selber. In ähnlicher Weise wird dort auch auf die erhobene linke Hand der Statue hingewiesen, deren Geste dazu führt, dass Luzifer sich die Schwingen bricht und stürzt6. Weder das äußerliche (ahrimanische) Bekämpfen des durch tote Institutionen wirkenden Gegners noch das Sich-vereinnahmen-lassen durch utopische Zukunftsentwürfe (welcher Art auch immer) wird dieser Geisteshaltung gerecht.

Der Tod ist im Äußeren immer mit Auflösung verbunden, die im Inneren aber zu einer Verstärkung des Eigenlebens führen kann, immer gerade so weit, wie das Bewusstsein es tragen kann. Dem physischen Tod des Christus und seiner Auferstehung folgte der Tod des gegebenen, „instinktiven“ Geisterlebens der Menschheit, final im Denken im 19. Jahrhundert, und dann die Auferstehung des Geist-Erlebens durch das Wirken Rudolf Steiners im Beginn des 20. Jahrhunderts. Was jetzt im allmählichen Absterben der damals zunächst geschaffenen äußerlichen (rechtlichen und wirtschaftlichen) Lebensformen der anthroposophischen Gesellschaft geschieht, ist insofern eigentlich der „Beweis“, dass der lebendige Geist wirkt. Sonst würden die äußeren „anthroposophischen“ Institutionen weltweit angesehene, für alle Zeiten reibungslos funktionierende Wirkungsstätten sein – Wirkungsstätten desjenigen, was es eben in der wirklichen anthroposophischen Gesellschaft nicht geben kann. Seien wir froh, dass der Tod sich das Seine holt; aber lassen wir uns auch nicht verleiten, selbst Hand anzulegen bei diesem Sterbeprozess (vgl. das oben im Hinblick auf die Statue Gesagte).

Die Auferstehung erfolgt eben in den Einzelnen, die sich und ihre persönliche Wirkungsstätte in der Welt – ihre irdische, leibliche Person – frei in den Dienst der Anthroposophie stellen wollen. Anthroposophie und anthroposophische Gesellschaft leben nicht so in der Welt, dass sich der einzelne Anthroposoph davon tragen lassen kann. Sie leben nur, wo und solange die einzelnen Anthroposophen sie tragen.

Wie das Karma wirkt, haben wir ohne Murren hinzunehmen; was daraus an Neuem entstehen kann, obliegt uns zu gestalten. Es gibt keine äußere Institution „Anthroposophie“, die uns trägt – wir sind sie selber, und sie ist und wird durch uns. Der äußere Niedergang ist bloß die Begleitmusik für das Entstehen neuen geistigen Lebens.

Es kann hier noch hingewiesen werden auf eine Ermahnung Rudolf Steiners für den Umgang mit den Einflüssen von Luzifer und Ahriman: der Mensch möge doch dem eigenen Denken gegenüber recht ahrimanisch sein und alles Gedachte erst der harten Prüfung an den Weltgesetzen unterwerfen, dagegen dem ahrimanischen Blendwerk der toten physischen Welt gegenüber luziferisch geprägte Liebe zu jeder Einzelheit der eigenen Welt walten lassen, im Versuch, sie zu verstehen.7 So sei man geschützt – so verstehe ich Steiners Ausführungen in diesem Zusammenhang – sowohl vor fantasierendem Irrlichtelieren im Denken wie auch vor Ignoranz und Dilettantismus im Umgang mit der Welt.

Wer ahrimanische Institutionen, wie sie in der Welt nun einmal sind, für Aufgaben nutzen will, die sich aus dem Geist der Menschheitsentwicklung ergeben, wird die Gesetze der Welt so gut kennen müssen, dass er sie auch wirklich beherrschen kann. Wer seine Ideen, durch die er sich im Geiste finden will, vor dem Abgleiten in Wunschdenken beschützen will, wird sie an den Tatsachen des irdischen Lebens überprüfen und den Ausgang dieser Prüfung dann gelassen hinnehmen müssen.

Was insbesondere den Umgang mit den ahrimanisch geprägten Einrichtungen der heutigen Welt betrifft, kann gar nicht genug darauf hingewiesen werden, dass weder der Verzicht auf die Klarheit äußerer Festlegung („das brauchen wir jetzt nicht festzulegen, das findet sich dann ganz lebendig“, oder „solche Festlegungen ignorieren wir einfach, sie sind nicht geistgemäß“) noch das Abwürgen jeder Lebensregung durch Vorschriften bis ins Kleinste (das kennen wir doch aus den letzten zwei Jahren zur Genüge) irgendwie weiterführt. Man muss Ahriman in seinem Wirken verstehen, ihn also im Detail kennenlernen, dann verliert er seine Kraft.

© Stefan Carl em Huisken 2022

1Stefan Carl em Huisken: Wer ist Mitglied der anthroposophischen Gesellschaft? – In: Ein Nachrichtenblatt (ENB) 14/2022, S. 14f. Auf dieser Website =>hier. Website von „Ein Nachrichtenblatt“: einnachrichtenblatt.org

2Stefan Carl em Huisken: Freie Geistgemeinschaft oder äußere Institution? – In: Ein Nachrichtenblatt (ENB) 22/2022, S. 9f. Auf dieser Website =>hier.

3https://emhuisken.de/was-tun-in-der-anthroposophischen-gesellschaft/

4Steiner, Rudolf: Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft. – Stuttgart, 1920. S. 5

5Mit dem Ausdruck „anthroposophische Gesellschaft“ bezeichne ich hier ausschließlich den freien geistigen Zusammenschluss von Individualitäten (verkörpert oder nicht) zum Zwecke der Pflege der Anthroposophie. Nach Rudolf Steiners Worten sollte ja die anthroposophische Gesellschaft allem Vereinsmäßigen, d.h. also allem äußerlich Institutionellen ferne sein.

6vgl. Steiner, Rudolf: Das Geheimnis des Todes. GA 159. – Dornach, 1980. S. 248f. Die Textstelle ist auch wiedergegeben in DIE LAHNUNG – Mitteilungen für individuelle Entwicklung und Lebenskunde, Nr. 7, Januar 2022, wo die hier besprochene Frage der Bildung von Geist-Gemeinschaften von anderen Gesichtspunkten aus ebenfalls erörtert wird.

7vgl. dazu Steiner, Rudolf: Die geistigen Hintergründe der sozialen Frage. – Dornach, 1989. 12. Vortrag, S. 211ff, dort auch viele weitere Hinweise zur Vertiefung der in diesem Artikel angeschnittenen Fragen.


Cover Wahnsinn und Denken Geistwesen

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.

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