Was tönt die Erde? – zum Jahreswechsel 2023/2024

Was tönt die Erde?

Was tönt die Erde,
singt sie, spricht sie,
durch mich,
durch jedes Wesen,
das sie trägt an ihrem Leib?

Was zeigt die Farbe,
die aus jedem Bild,
das ich
aus meinem Leben
in den Weltenraum zu strahlen habe, springt?

Wer gibt den Sinn,
der dies Geschehen
aus sich
dem armen Menschenherzen
zu seinem Wohlgestalten schenkte?

Es sind die Drei,
die in der Vier, der neuen Eins
zur neuen Zwei – der Fünf und Sechs und Sieben –
im ewig gleichen Wechsel sich erzeugen
um einstens wieder, wie im Bild, im Ton und Wesen
die Erde ihrem neuen Ziel zu geben:
Gottvater, Sohn, und Geist – in dir.

Wo tönt sie so, die Erde?
In mir ist sie, im Geist der Welt,
dort, wo ICH lebe
und im ewig gleichen Wechsel
mich selber trage
zwischen Sein und Geist.

© Stefan Carl em Huisken 2023


Nunmehr im zwölften Jahr stellt sich bei mir zum Jahreswechsel jeweils ein Gedicht ein, das ich dann der Öffentlichkeit übergebe. Weitere Gedichte zum Jahreswechsel der verschiedenen Vorjahren finden Sie unter dem Stichwort Jahreswechsel.




Gun-Lah – Leseprobe

Gun-Lah Leseprobe Cover Sagen von Androulan Tabander

Nur Gueycimús Wohnung lag direkt auf dem Bajacu; die klei­ne Siedlung der Tabander lag am östlichen Fuße des Hügels, um den „Platz des Klanges“ herum. Die inzwischen wachsende Sied­lung der Kaunda lag auf der anderen Seite des Hügels, mehr zum Inneren des Landes gelegen, mit einem eigenen Festplatz in der Mitte, den die Kaunda „Guara“ nannten. Auch der Drontang hatte seine Wohnung dort genommen, ganz in der Nähe des Festplatzes.

Wenn die Throandai und manchmal der Bonigu selbst die Feste der Tabander und der Kaunda durch ihre Anwesenheit zu besonders heiligen Ereignissen machten, hatte Gueycimú daher immer die Ehre, ihnen besonders nahe sein zu dürfen, als einzi­ger gewöhnlicher Mensch in unmittelbarer Nähe des hohen Be­suches.

Einmal kam es so zu einem besonderen Fest der Aufstiegs­gleiche, einem Fest, das die Kaunda ganz unter sich zu feiern pflegten, auf ihrer „Guara“, auch die inzwischen am Bajacu wohnhaften. Immer feierten dann die Tabander ihr eigenes Fest in ihrer Siedlung, auf dem „Platz des Klanges“. Und immer wa­ren auch dort Throandai zugegen. Die Siedlung der Tabander wurde allerdings nach und nach immer kleiner; fast wohnten dort nur noch die Gehilfen und Lehrlinge der Meisterin Guey­cimú. Nichts wünschte Gueycimú stärker, als immer wieder die Throandai bei diesen Festen zu erleben, ihnen nahe zu sein – und dem Bonigu, der dieses Mal dem Fest durch seine Anwesen­heit besondere Weihe gab,

Das Hohelied der Tabander und auch die letzten Sprechge­sänge der Throandai waren verklungen, mit dem letzten Licht Risuhns begaben sich alle zu ihren Wohnungen, und auch Guey­cimú sank ins Einssein, als das letzte Licht verglomm. Was im Einssein erlebt werden konnte, das wussten nur die Throandai, vielleicht die Drontangi, manchmal ein klein wenig der Klang­meister der Tabander. Einen Sonderfall gab es allerdings: wenn ein neuer Mensch durch eine Frau ins Leben getragen werden sollte, dann tat er sich dieser Frau im Einssein kund. Und wenn sie dann am anderen Morgen, noch aus dem Einssein gelenkt, den Namen des Neuankömmlings aussprach, dann wusste sie auch im hellen Bewußtsein davon.

So war es in dieser Nacht bei Gueycimú: am Morgen von Ri­suhn in die Helle gerufen, sprach sie den Namen des Neuan­kömmlings aus: Karayácu, „Auge des Mondes“. Das war ein sehr ungewöhnlicher Name, denn der Mond, den die Menschen auf Androulan „Karayá“ nannten, bedeutete ihnen im Alltag wenig. Wenn Risuhns Licht verschwand, sanken die Menschen ins Einss­ein, Karayás Licht konnte sie nicht in der Helle halten, und so kannten sie ihn nur als im Dunst schwach sichtbaren Beglei­ter in Risuhns Helle.

Dennoch: Gueycimú wusste sicher, dass alles seine Ordnung so hatte. Die Diener des Urgrunds hatten dem Feste und dem Einssein beigewohnt, so würde auch der Name von ihr zu Recht gehört sein. Karayácu würde beim Tiefstand Risuhns in der Hel­le erscheinen. Das war ein Zeitpunkt, der nicht ungewöhnlich war; bei den Kaunda, so erzählte man sich, würden alle neuen Menschen zu dieser Zeit geboren. Bei allen anderen Völkern al­lerdings verteilten sich die Geburten gewöhnlich über das Jahr.


Die ganze Geschichte und zwei weitere finden Sie in Stefan Carl em Huiskens Leseheft „Gun-Lah“, das Sie => hier bestellen können. Weitere Informationen dazu finden Sie => hier.




Erzählung aus atlantischer Zeit – Gun-Lah

Cover Gun-Lah

Nach einer längeren Pause erscheint nun wiederum eine „Sage von Androulan – Erzählung aus atlantischer Zeit“. Sie ist eine Art Ergänzung zum schon 2020 erschienen Buch „Rantschilwis Weg“, über das Sie =>hier weitere Informationen bekommen können.

Die kleine Erzählung „Gun-Lah“ schildert einerseits Hintergrund und Herkunft einer für den weiteren Fortgang wichtigen Person, die in „Rantschilwis Weg“ noch im Dunkel blieben. Andererseits knüpft sie auch in besonderer Weise an eines der wenigen Dokumente an, die wir über Atlantis haben: die Dialoge „Timaios“ und „Kritias“ des griechischen Phliosophen Platon. Wer diese Dialoge kennt, wird unschwer Anklänge finden können.

Der Atlantis-Forscher Andreas Delor, der mich ursprünglich zu solchen Erzählungen aus atlantischer Zeit anregte, ist leider überraschend im Herbst 2020 verstorben. Er fand es wichtig, gerade in unserer Zeit wiederum die Aufmerksamkeit auf Atlantis zu lenken1. Das ist für mich Grund genug, meine damals gemeinsam mit ihm angefangene Arbeit an Erzählungen aus atlantischer Zeit nur wieder aufzunehmen und fortzuführen.

Das kleine Heft „Gun-Lah – Ein Vorspiel zu »Rantschilwis Weg«“ erscheint im Eigenverlag, hat 32 Seiten, einen farbigen Umschlag mit Reproduktionen von zwei Werken des Künstlers Paul Pasch, Rückendrahtheftung, und kostet 6,50 €. Die ISBN ist 978-3-9825769-0-9.

1Siehe seine Aufsätze zu diesem Thema im Internet: „Atlantis steigt wieder auf – das spirituelle Erwachen der Naturvölker“ und „Das neue Handhaben des Ätherischen – wozu Atlantis wieder aufsteigt“




Michaels Weg

Licht – Sprache der Sonne
In ihr zu denken, sprechen, tun
Zeigt Michael, der seine Frage
„Wer ist wie Gott?“
Dem Sucher vorlegt, und der schreitet
voran auf dem steinigen Pfad.

Ist Gott? Wer ist er dann?
Die Frage schon allein spricht Tod.
Nicht ist der Gott in dem
Was des Suchers Auge erfasst, sein Denken umgreift;
Er verließ des Suchers erstorbene Welt.

Was ist die Welt? Ein toter Kosmos?
Wer schuf ihn dann, aus seinem Leben?
Antwort strömt aus des Raumes Weiten nicht
Auch nicht aus Zeitenläuften.
Sie spricht in dem, der uns die Götter-Sprache
Einst selber sprechen ließ in seinem Dienst.
Nun führt uns das Sein, einer toten Welt.

Wo ist das Wesen dieser Sprache
Die zu verstehen Michael uns führt im Sprechen?
Wir können nicht mehr einfach lauschen.
Nichts wird lebendig klingen ohne unsern eignen Laut.

Denn: wer ist Gott? Er ist die Liebe
Die ihren Weg zum toten Steine sucht
In dem, der Steine kann zum Leben führen.
Der ist der Gott. Von ihm zeigt seine Sprache
Uns Michael, das Antlitz Christi.

Durch ihn spricht sie, die Liebe.
Sie spricht der Welt. Und Michael,
Er zeigt den Weg, nach dem der Sucher dürstet,
Den Weg zum Leben in der Ewigkeit.

Der Weg ist da, ein jeder kann ihn finden,
Der nur der Einfalt da, wo sie im Rechte,
Nicht hindert, sondern der ihr folgt:
Der Weg des Michael ist meiner,
Wenn ich verstehend seinem Vorbild folge
Und aus dem Leben, das in mir erstand
Durch eines Gottes Tat das meine mache.

Ja, wer ist Michael? Er ist im Menschen, der sich selbst
zum Sonnensprecher macht aus Liebe.
Er senkt das neue Leben in den Tod hinein,
Weil er das eigne Leben seinem Wege opfert,
Dem Weg, den Michael uns zeigt.

© Stefan Carl em Huisken 2023




Ich Bin

Ich Bin

Der Vater im Innern
Die Welt davor
Der Sohn, der suchet,
der den Weg verlor.

Er ist der Weg,
kann ihn darum nicht haben,
ist dem Menschen so
die Größte der Gaben.

„Ich Bin!“ – was kann es Größeres geben?
das Wort schließt in sich
allen Tod, alles Leben.

Was fragst du noch: „Bin Ich?“?
Frug denn je einer
der nicht dabei war? –
Genau: Keiner.

© Stefan Carl em Huisken, zum Jahreswechsel 2022/2023


Nunmehr im elften Jahr stellt sich bei mir zum Jahreswechsel jeweils ein Gedicht ein, das ich dann der Öffentlichkeit übergebe. Weitere Gedichte zum Jahreswechsel der verschiedenen Vorjahren finden Sie unter dem Stichwort Jahreswechsel.




Irrfahrt im Nebel – wohin?

Irrfahrt im Nebel

Von allen Seiten türmt die Finsternis
die Hürden auf, die dich, den MENSCHEN
zerstörend zu verhindern trachten, und den Weg
zu neuem Leben nebelhaft verdecken.
Nichts ist zu tasten, nichts zu sehen,
und jeden Ton verschluckt der nasse Brei,
der statt der hell durchsonnten Welt
für einen jeden nun zum Schicksal wird.

Wo ist die Rettung, wo der weise Rat,
der solcher Irrfahrt neue Richtung gibt?
Vergiss die Frage, denn sie führt
nur immer weiter fort von jenem MENSCHEN,
der in dir selber, wie in jedem Sucher
schon lange urteilt über Wahrheit oder Lüge.

Du selber bist es, der in seinen Taten,
seinem Schauen, seinem Raten
der Irrfahrt neuen Sinn und neue Richtung gibt:
Wohin willst du dich selber führen?
Was ist deine Welt, die du
dem Nebelwallen zu entreißen hast?

Beginne, sie zu formen, mit dem Blick,
den du der Finsternis entgegensetzt.
Gewiss, die Macht, die dir zu eigen,
ist niemals stark genug, den Bann zu brechen.
Doch liebevoller Blick auf das, was ist,
und was durch deine Taten werden möchte:
er leitet, was durch dich geschehen soll.

Das andre tut die Welt, die du erhellst
mit deinem Suchen, deinem Streben.
Und was an Wesen sich erkennt:
das folgt der Sonne, die dein Blick
entschlossen aus der Finsternis enthüllt. –
Denn ohne deinen Blick, dein Schauen,
wird nichts geschehen außer Schemenspiel
von dunklem, nebelhaftem Walten,
das dich und deine Welt zum Tode führt.

Ergreif ihn selbst darum, den Tod, und die Verwirrung,
mit deinem Blick, und führe beide auf den Weg,
den du in deinem Wollen ihnen zuerkennst:
den Tod durchschreiten schafft das neue Leben,
und die Verwirrung weicht, wo du sie frei – verstehst.

© Stefan Carl em Huisken, zum Jahreswechsel 2021/2022


Weitere „Gedichte zum Jahreswechsel“ finden Sie =>hier.




Mein Dämon und ich – Poetisch-aphoristische Miszellen

Mein Dämon und ich

Poetisch-aphoristische Miszellen1

I

Aus dem Wörterbuch der Brüder Grimm:

dämon, m. genius. der griechische δαίμων bezeichnet einen bösen sowol als einen guten geist, einen schutzgeist: dem christenthum gegenüber trat er in die dunkelheit und treibt die menschen, über die er macht hat, zum bösen. doch nehmen ihn einzelne wieder im sinne der alten, besonders Göthe. (…)

unselige gespenster! so behandelt ihr
das menschliche geschlecht zu tausend malen:
gleichgültige tage selbst verwandelt ihr
in garstigen wirrwarr netzumstrickter qualen.
dämonen, weisz ich, wird man schwerlich los,
das geistig strenge band ist nicht zu trennen.“2

Versuchen wir einmal, Goethe ein wenig nachzueifern.

II

Einst waren wir eins, mein Dämon und ich.
Doch lebte er in mir, der Teiler, der Teufel,
Der mich von mir verbannte ins DA!
Nicht hier in mir allein zu leben
War mir vergönnt nun fürderhin.

Wir waren nun zwei, das HIER, das DA,
Und beide blind für das Ganze.
Denn jedes blickt nur auf sich, wenn es sucht,
Was vor Urzeiten das Eine war.

ICH kam aus der Welt, der Einen,
Aus der erst die Tat mich fallen ließ,
Die Tat, aus dem Ganzen die Zwei,
Aus dem Gott die Not und den Tod,
Das ICH und den Dämon werden zu lassen.

Der es gibt, der es nimmt, der es trägt sind drei
Doch nur zwei sind bemerkt: das ICH und die Welt.

ICH lebe, und lebe durch die Welt,
Sie gibt, was der Dämon mir schuf:
Mein Weg durch das Leben und ICH sind eins,
Und doch zwei im Gang der Tage.

Nehme ich hin, was der Dämon mir gibt,
So verlang ich von ihm, dass das Meine er trage.
Gelingt es? Kann ich das Ganze erneuern
Mit jedem Schritt, der dem Leben entstammt?
Oder reißt er mich mit, der Dämon, ins Dunkel,
Des Abgrunds, in dem sich das ICH verliert?
Oder stoße ich ihn, den Dämon, im Tod
Seiner Welt der ewigen Leere geweiht,
Von mir, der doch einstmals mein Eigen war?

Wohlan, die Not und der Tod sind Eins,
In MIR kann der Gott aufs Neue erstehen.
Wenn ICH nur will, beide nehme und trage,
Wird ihnen der Gott aufs Neue erscheinen.

Wer ist’s dann, der gab die Not und den Tod,
Wer ist’s, der aus Dreien das Eine formt,
Der es gab, der es trug, der es nahm?

Der im Ganzen aufs Neue sich selbst erschafft,
Und im Schaffen mich und den Dämon vereint.

III

Was den Dämon bewegt, kenne ich nicht.
Ich kann nur erleben, was er mir tut.
Er spricht durch mein Schicksal, die Welt zu mir.
Was ich tue, wird Seins mit dem Ende der Tat.
Er muss es tragen, so schwer es ihm fällt:
Er kann es nicht weigern.

Verfalle ich ihm, vergesse mich selbst,
So nimmt er es hin – bis in seinen Tod.
Der Herr des Todes wird es mir danken.

Verachte ich ihn, wird dasselbe geschehen:
Der Tod wird ihn greifen, ihn quälen, verzehren,
Und mit ihm auch mich, denn der Dämon ist mein.

Der einzige Weg, dem Tod zu entringen
Das ewige Leben – bin ICH, wenn in mir
In Freiheit die Liebe zum Dämon ersteht.

IV

Von Zeit zu Zeit, manchmal auch nur teilweise, bin ich besessen. Mein Dämon macht dann mit mir, was er will. Meine einzige Möglichkeit, ihm Einhalt zu gebieten, besteht in der geistesgegenwärtigen Einsicht, dass ich dann nicht Herr meiner Selbst bin.

Das ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn ich ohne weitere Überlegung einem eingeübten Vorurteil folge, oder einem Gefühl, das mir die Richtung meines Handelns vorgibt, oder aus eingeübter Routine handele. Immer dann regiert mich also mein Dämon, wenn ich nicht ganz wach und klar entscheide, was ich tun will, und dies mit dem Wissen, dass sonst mein Dämon für mich handeln wird. Alles also, was ich nicht ganz wach tue, nur deswegen, weil ICH es so und nicht anders will, aus Gründen, die ich überschaue und selber geprüft habe – all das tut eigentlich mein Dämon, der Geist, von dem ich dann besessen bin.

Wenn ich ehrlich bin, muss ich sogar zugeben, dass mein Dämon bei mir weitaus öfter „am Drücker“ ist als ich selber. Wie viele Dinge tue ich ohne weiteres Nachdenken, einfach, weil ich mich daran gewöhnt habe, sie so und nicht anders zu tun? Die tut nämlich eigentlich mein Dämon. Ob ich bei genauer Prüfung mit seinem Handeln einverstanden sein kann, entscheidet sich an der Frage seiner „Erziehung“: habe ich ihn, diesen Gewohnheitskerl, der sich auch mal gerne etwas einreden lässt – die Schulzeit lang ist ihm ja unendlich viel andressiert worden, von Anderen, nicht von mir, und danach ging es das ganze Leben so weiter – habe ich ihn also genügend dazu bewegt, meinen Wünschen und nicht den Einredungen aus der Welt zu folgen, verlässlich und sicher?

Das ist schon wieder so eine Ehrlichkeitsfrage: habe ich ihn wirklich gut genug „erzogen“, kann ich mich also auf ihn – auf meinen Dämon in mir – verlassen? Wenn nicht, dann tut er also öfter mal Anderes, als es eigentlich von mir gewollt wäre.

Für die Anderen um mich herum ist das selbstverständlich gar nicht auseinander zu halten. Für die Anderen ist es so, dass immer ICH verantwortlich bin für das, was durch mich geschieht. Da haben sie ja auch recht, im Prinzip. Wenn ich mich nämlich nicht auf mich – also meinen Dämon – verlassen könnte, läge es ja auch an mir, meiner schlechten „Dämonen-Erziehung“ sozusagen.

Wie dem auch sei, für mich halte ich mich an die Ehrlichkeit. Und die besagt, dass ich tagtäglich unendlich viele Dinge wie „instinktiv“ tue, ohne sie aktiv jetzt gerade aus mir heraus genau so zu wollen. Ich kann mir zwar für all diese Dinge im Nachhinein plausible Erklärungen zurechtlegen – aber ob die dann immer stimmen?

Wie kommt es eigentlich dazu, dass ich partiell „besessen“ bin? Bin nur ich es, oder geht es auch Anderen so, dass sie von Zeit zu Zeit gar nicht genau erklären können, wie und warum sie eine bestimmte Handlung jetzt gerade und genau so ausführen, wie sie es tun?

Kennen wir das nicht? – Ein Gespräch findet statt. Ein Mensch kommentiert mit Anwendung von gesundem Menschenverstand dieses oder jenes und beurteilt es sachkundig. Allerdings ist er in einer Lage, in der er durch Vorgaben von anderer Stelle anders handeln muss, als es sein eigenes gesundes Urteil eigentlich fordern würde. Solange das Gespräch im Allgemeinen bleibt, scheint alles zu einander zu passen. Sobald aber die Vorgaben in Frage gestellt werden, also eigenverantwortliches Handeln aufgrund gesunden Menschenverstandes zur Diskussion gestellt wird, läuft wie automatisch das Rechtfertigungsprogramm für das fremdbestimmte Handeln ab, und der gesunde Meschenverstand verschwindet. Wer handelt da eigentlich? Der Mensch selber, oder sein Dämon?

Mit den Dämonen ist es ja auch so eine Sache. Gewiss, jeder „erzieht“ seinen Dämon so gut es geht. Aber es gibt ja auch Einflüsse von außen, die darauf angelegt sind, unter Umgehung der Aufsicht des ICH dem Dämon etwas anzugewöhnen. Hypnose ist ein extremes Beispiel dafür; aber hypnoseähnliche Zustände und Wirkungen lassen sich vielfältig erzielen.

Wer zum Beispiel wochen- und monatelang bestimmte Aussagen im immer gleichen Wortlaut von allen Seiten vorerzählt bekommt, dabei zugleich durch Unklarheiten verunsichert und zusätzlich durch den Hinweis auf eine große Bedrohung in Angst und Schrecken versetzt wird, kommt in einen tranceartigen Zustand. Eine der wirkungsvollsten Methoden zur Hypnoseeinleitung ist die Herstellung von Konfusion, Desorientierung3. In einen solchen Zustand hinein „gehämmerte“ Aussagen werden vielleicht zwar vom Ich wahrgenommen, möglicherweise sogar kritisch beurteilt, kommen aber in der passenden Situation, durch einen Auslöser, wie eine alles eigene Denken hinwegspülende Woge aus dem Dämon heraus, bringen sich zur Geltung und handeln durch mich. Wer dann im Nachhinein wieder zur Besinnung kommt, wird nicht immer die Kraft und Möglichkeit haben, die Sache gerade zu rücken. Auch innerlich meldet sich ja der Dämon und streitet mit dem souveränen Ich4.

Vom Dämon, als einem „bösen“ Geist, wird gesagt: „Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er es am Kragen hätte“5. Was also unerkannt dem Dämon anerzogen wurde, tritt ja nicht in der Form auf: „Hallo, hier ist dein Dämon, ich regiere dich jetzt!”, sondern auch mir selber ebenso wie der Außenwelt gegenüber spielt er sich auf als – ICH.

Das kann er allerdings nur so lange, bis ich ihm auf die Schliche komme, da, wo er mich „am Kragen hat“. Das wird mir aber nur gelingen, wenn ich mir erst einmal eingestehe, dass ich eventuell – vielleicht auch nur temporär oder partiell – gar nicht zurechnungsfähig bin, nicht die Gewalt über mich habe, sondern eben „besessen“ bin.

Natürlich kommt dann wie zwanghaft – aus mir? aus meinem Dämon? – der Wunsch, den Kerl sofort und möglichst nachhaltig los zu werden. Nur: kann ich das? Wieviele Taten jeden Tag kann ich nur ausführen, weil er mir hilft? Alle Gewohnheiten mir – ihm – ganz neu anzuerziehen, ausgehend von „tabula rasa“, das geht doch gar nicht! Das Baby braucht doch erstmal den Dämon in der Welt um sich her, um überhaupt auf den Weg zu sich selber zu kommen! Und auch weiter, wenn ich ehrlich bin, wieviele gute und schlechte „Routinen“ hat mir mein Leben – mein Dämon in der Welt – einst anerzogen, und was wäre ich heute ohne all die Menschen, die mich, manchmal ohne es genau so zu wollen oder zu wissen, gefördert haben – direkt, oder indem sie mir Knüppel zwischen die Beine warfen, so dass ich daran wachsen konnte? All das gehört doch auch zu meinem „Dämon“! Nein, das geht nicht, den Dämon „abzuschaffen“.

Mein Dämon liegt zwar öfter überquer mit mir, aber ohne ihn kann ich wenig bis nichts. Ich brauche ihn einfach.

Also geht es nur anders. Ich kann versuchen, wacher und wacher zu werden dafür, wo und wann mein Dämon durch mich handelt und wo und wann etwas ganz allein aus mir, aus meinem Herzen kommt. Und überall, wo es dann Differenzen gibt zwischen ihm und mir – meinem Herzen also – kann ich suchen ihn zu verstehen. Nicht zu verstehen, warum er so ist wie er ist, sondern ihn selber zu verstehen, seine Sprache, durch die er mir und der Welt etwas sagen will. Dann können wir ins Gespräch kommen, und ich kann versuchen, ihn zu überzeugen. Nicht zu zwingen, mit Gewalt oder „Zuckerbrot und Peitsche“. Darüber lacht er nur, das kann er besser als ich.

Nein, ich meine wirkliches Verstehen. Möglicherweise hat er ja sogar recht, und ich muss mich ändern. Aber so haben wir doch beide eine Chance, sinnvoll unsere Aufgaben im Leben zu erfüllen. Und je mehr wir uns einig werden, desto mehr werde ich „zurechnungsfähig“, verantwortungsfähig für das, was ich tue. Nicht bloß vor der Welt, im Außen – da bin ich ja sowieso verantwortlich, auch für ihn und was er tut – sondern vor mir selber, selbst gewollt.

Frisch ans Werk?

V

Fürchte einzig des Dämons Lächeln,
Des Verfälschers tröstliche Glätte,
Des Lügners einleuchtende Wahrheiten,
Des Mörders Lebensklugheit,
Des Verräters daseinsbezwingende List,
Des Verleumders exakte Wissenschaft.

Fürchte nur des Dämons
Uralt unerkannte Gottähnlichkeit,
Die strahlende Maske,
Vielen tödlich.

Und fürchte ihn nicht!
Blick ihm ruhig ins trauernde Antlitz:
Von kalten Blitzen entzündet,
Gefurcht von Verachtung der Feigen,
Von Haß zerstört gegen
Einen ihm schweigenden Gott –
Blick ihm ruhig ins versteinerte Aug,
Immer steht er neben Dir.

Nicht schenkte ein Gott Dir sein Blut,
Daß in Furcht du erstarrst,
Leuchte dem Dämon zu späterer Erlösung,
Da er trug auch Dich,
Als Du ihm ähnlich warst.
Nun hilf ihm.

(Helmut Siegfried Unbehoven)

© für den Gesamtbeitrag Stefan Carl em Huisken 2021

1„Eine Miszelle (von lat. miscella ‚Gemischtes‘) ist generell ein Kurztext beliebigen Inhalts.“ Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Miszelle, abgerufen am 18.11.2021.

2„dämon“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/d%C3%A4mon>, abgerufen am 17.11.2021. Das enthaltene Zitat von Goethe stammt aus dem Faust II, 5. Akt.

3vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Konfusionstechnik

4vgl. über subliminale Botschaften z.B. Buddemeier, Heinz; Strube, Jörg: Die unhörbare Suggestion. Stuttgart: Urachhaus, 1989

5vgl. Goethe, Faust I, Mephistopheles in „Auerbachs Keller“


Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Janko van’t Holt – Video zur Buchvorstellung

Janko van't Holt Buchdeckel

Zu meinem 2019 im R&W Verlag der Editionen erschienenen Buch „Janko van’t Holt. Eine Parabel zur Rettung der Welt“ gibt es jetzt ein Video mit einigen Textausschnitten, Ansichten von Bildern aus dem Buch und Musik von der CD „Fräiske Soang“ des Duos „jank frison“, auf der das Lied „Janko van’t Holt“ zu der Geschichte enthalten ist.

Das Video führt schön in die Stimmung des Buches ein; auch die Zweisprachigkeit kommt zum Zuge. Der zweite Teil der Geschichte ist ja im Buch auch in Oostfreeske Taal enthalten, der besonderen niederdeutschen Sprachvariante Ostfrieslands, und ein kurzer Ausschnitt daraus wird in dem Video auch gelesen. Wer das Buch also noch nicht kennt, kann hier einen kleinen Einblick bekommen.

Hier ist das Video:

Herzlichen Dank an Norbert Franke, der dieses Video erstellt hat, und ohne den es wahrscheinlich gar nicht da wäre. Vielen Dank auch an den R&W Verlag der Editionen, bei dem das Buch erschienen ist, für die Genehmigung zur Verwendung der wunderbaren Bilder und Zeichnungen.




Am Ende des Seins – zum Jahreswechsel 2020/21

Am Ende des Seins – die Grenze pic

Am Ende des Seins
der Ewigkeit Anfang
wo ich meine Welt
im Innern umfasse:

Dort ist das Ufer,
das ich an der Grenze
der Welt, die mich trägt
in Taten ergründe.

Die Ewigkeit, sie wäre nicht,
gäbe es nicht Sein und Ufer:
die Grenze unendlicher See.
Doch ist es die Grenze des Seins,
die scheidet Zeit und Ewigkeit,
und dadurch sich in beiden schafft.

Was niemals ist
und darum das Seiende trägt:
indem es sich hingibt dem Sein
erschafft es sich selbst.

© Stefan Carl em Huisken 2020




Literatur

Literatur 1 – Geschichten

Mythische Geschichten haben es mir schon immer angetan. Und wenn ich gerade keine neue zum Lesen habe, erzähle ich eben selber eine. Manchmal auch mehrmals die gleiche. Die Zuhörer erzählen gleichsam mit, so lange, bis die Geschichte ausgereift ist. Dann wird sie aufgeschrieben. Manche meiner Geschichten sind so entstanden, andere durch Abtauchen in die Zwischenwelt innerer Bilder, die sich aus der Vertiefung in ein besonderes Thema ergeben hat. Daraus sind meine Bücher geworden.

Manches eignet sich aber zunächst nicht für eine Buchveröffentlichung, so zum Beispiel meine Gedichte zum Jahreswechsel oder zu anderen Themen. Für die eine oder andere Geschichte findet sich auch bisher nicht der richtige Ort für eine gedruckte Veröffentlichung (obwohl mir das viel lieber wäre). Also steht es erst einmal hier bei mir im „Netz“.

Neben der Veröffentlichung zum Lesen trage ich meine Geschichten und Gedichte aber auch hier und da vor, manchmal umrahmt und ergänzt durch meine Musik.

Literarisches von mir findet man also

Viel Spaß beim Stöbern!