Es ist alles schon gesagt – aber …

Was einfach gesagt werden muss

Wirklich etwas Neues kann man ja heutzutage kaum noch sagen. Allenfalls kann man es etwas anders sagen. Und – so betrachtet – gibt es Dinge, die man einfach nicht oft genug sagen kann, die immer wieder gesagt werden können, dürfen, ja: MÜSSEN! Immer wieder anders und neu.

Dazu gehört der Hinweis auf die Tatsache, dass die Autoritätshörigkeit der Menschen heutzutage unbeschreiblich ist. Überall und ständig wird geglaubt, was andere behaupten zu WISSEN. Und – wir wissen es schon lange, es wurde ja oft genug gesagt: Wissen ist Macht. Allerdings gilt das nur dann, wenn das behauptete Wissen auch – geglaubt wird. Man könnte es ja auch überprüfen, oder?

Aber das geht doch gar nicht!

Wer soll denn all das überprüfen, was einem heutzutage zum Beispiel von den Medien, oder von Wissenschaftlern, oder von Spinnern, Verführern und anderen so vorgesetzt wird? Da MUSS man ja eine Auswahl treffen, und sich eben entscheiden: diesem glaube ich, jenem nicht. Beurteilen, was davon stimmt, KANN man ja gar nicht!

Man könnte aber auch einfach NIEMANDEM glauben, alles, was jemand sagt, nur als das Ergebnis eben SEINER (oder IHRER) Erkenntnismöglichkeiten ansehen und damit als eine Meinung unter vielen. Dann hat man natürlich das Problem, nicht wirklich irgendetwas zu wissen, nirgends endlich Sicherheit zu haben: so ist es. Das kommt eben davon, wenn man nicht glauben will.

Es wäre das allerdings einfach nur realistisch. Denn – natürlich – das mit dem Glauben gilt dann ja auch mir selber gegenüber. Warum sollte ich besser sein als alle anderen, also alles besser wissen? Auch bei mir ist es doch so: alle meine Urteile sind eben Ausdruck meiner derzeitigen Erkenntnismöglichkeiten. Also auch bloß eine Meinung unter vielen.

Die Rettung

Hoppla! Da ist doch Rettung in Sicht! Was MEINE Erkenntnismöglichkeiten betrifft, kann ich doch was ändern, oder? Ich kann mich bemühen, immer genauer und gewissenhafter zu werden, immer aufmerksamer wahrzunehmen, immer unvoreingenommener alles aufzunehmen, was mir von anderen entgegenkommt, mein Urteil immer mehr zurück zu halten, bis ich dafür eine wirkliche Grundlage sehe usw. usw. Kurz und gut: ich KANN mich doch selber weiter entwickeln!

Und das geht – gottlob! – auch ganz ohne dass ich erst anderen oder mir selber irgendetwas GLAUBEN muss. Es geht gänzlich ohne Autoritätshörigkeit, auch gegenüber meiner Majestät, dem Haupt- und Großegoisten, der mir ständig mein Leben regulieren will.

Und dann kann ich einfach die unterschiedlichen Meinungen erst einmal nebeneinander stellen, nicht urteilen, und schauen, ob die Dinge sich nicht gegenseitig SELBST BEURTEILEN. Da wäre ich doch dann aus dem Problem ganz heraus, und könnte mit gutem Gewissen sagen: dies oder das verhält sich so und so zu jenem anderen. Und schon bin ich auf dem Pfad der Wahrheit.

Ist das nicht geradezu göttlich?

© Stefan Carl em Huisken 2018




Suchen – zum Jahreswechsel 2016/2017

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Den Weg zu gehen
der in Worten erklingt,
den Klang zu leben,
der mit Worten singt.

In ihm mich zu finden,
der die Töne trägt,
in ihnen zu gründen,
nach der Zukunft frägt.

Hier aus der Wirrnis
der Mensch sich erstört
und in der Ruhe
die Welt betört.

Willst du? So wage
was dich von dir nimmt.
Du willst nicht? So trage
was die Welt dir bestimmt.

Noch einen Schritt weiter –
endet der Weg
im offenen Abgrund
baust du selbst deinen Steg.

© Em Huisken 2016




Steine

Steine
wie Holz und Wasser
zerschmelzen
wenn Leben
vergisst.

Riesen
verdecken
der Sonne
sengendes
Licht?

Wolken
wie Größe
die
niemand
erstand.

Verwelken
grellendes
Wie?

Ewig
ist
zwischen Du
und
Mir
Suchen erscheint:
WIR

Verwesendes
entkleidet das Sehnen
vom Weinen
Rast.

Üben
den Abend
vom Leben
entstehn;
WIR entwehn.

© Em Huisken 1976




Tanzen – was soll das eigentlich?

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Tanzende in Lorient/Bretagne

Zum Tanzen gehört Musik.  Zwar gibt es stummen, theatralischen Ausdruckstanz, aber er hat alle Elemente des Tanzens mit Musik, ist gleichsam eine seltene Sonderform, die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Die Regel ist: zum Tanzen gehört Musik.

Musik hat Melodie, hat Zusammenklang und hat Rhythmus, in je unterschiedlicher Gewichtung. Und der Tanz ist Erleben der Musik mit dem ganzen Leib, vor allem im Rhythmus. Reine Melodie und reiner Zusammenklang regen noch nicht (unbedingt) zum Tanzen an. Dazu braucht es den Rhythmus.

Wozu also sich rhythmisch zur Musik bewegen?

Da geht der Weg der Entwicklung von den alten mythisch geprägten, rituellen Kreis- und Reihentänzen über die Formationstänze hin zum Paartanz, und noch weiter bis zum Ausdruckstanz des Einzelnen, der keine Gemeinschaft außer der mit der Musik mehr braucht. Das entspricht dem kulturellen Entwicklungsgang der Menschheit – von der großen Gemeinschaft unter göttlicher Führung (oder durch als gottgleich angesehene Menschen) über gottgewollte Monarchen, Nationen, Volksgemeinschaften, Stämme, Clans, Sippen, Nachbarschaften zur Kleinfamilie – bis hin eben zum Einzelnen, der etwas für sich sein will und tief im Herzen letztlich doch niemanden über sich erträgt und duldet. Allgemeine Kultur und Tanzkultur folgen hier dem gleichen soziologischen Grundgesetz.

Aber: damit sind wir heute an einer Art Endpunkt angelangt. Weiter kann die Zersplitterung, die Vereinzelung nicht gehen. Ein Einzelner ist ein Einzelner. Punkt.

Beim Tanz ist das Festhalten am Paartanz zu einem großen Teil der Tradition geschuldet (die sich aber vielerorts schon völlig auflöst), und zu einem Teil ganz einfach: Balz. Das liegt nun einmal in der Triebnatur des Menschen. (Nebenbei: die läßt man mit steigendem Alkoholspiegel und damit zunehmender Enthemmung leichter raus. Ein Grund dafür, dass das Tanzen oft erst zu später Stunde so richtig in Fahrt kommt?). Aber auch das bleibt zersplittert: die Paare für sich (Ausnahme: Folkloretänze, die vorwiegend choreographische Formationen in den Vordergrund rücken).

Wozu also tanzen? Zum Selbstausdruck? Zur Balz? Zur Traditionspflege?

Es gibt mehr. Wenn wir zurückschauen schauen wir auch voraus. Vor dem Paar und der Kleingruppe (Formation) war die große Gemeinschaft aller. Wir können sie wieder erleben, in Kreis- und Kettentänzen. Polig Monjarret, der große Aufzeichner der bretonischen Musiktradition im Beginn des 20. Jahrhunderts, bekämpfte die „modernen“ Paartänze. Dass er dabei vielleicht auch ziemlich moralinsauer argumentierte, tut hier nichts zur Sache. Er (und seine Mitstreiter) haben dafür gesorgt, dass in der Bretagne heute ein ganz besonderes Gemeinschaftserlebnis zum Alltag gehört: die vielen Reihen- und Kreistänze, mit einer Musik, die alle modernen Einflüsse aufnehmen und verarbeiten kann, Tänze, die so Jung und Alt gleichermaßen ansprechen und die niemanden einzeln am Rande stehen lassen. Übrigens auch: wirkliche Tänze, die den Gliedern anderes abverlangen als das Abschreiten vorgegebener Formen oder den ungeordneten Ausdruck persönlicher Emotionen. Mit dieser Tanz-Gemeinschafts-Kultur hat die Bretagne die ständig wachsende Balfolk-Bewegung – eine Art moderner Folk-Tanz? – entscheidend mit geprägt. Vielleicht können wir davon lernen.

Mich hat eine Erzählung Martin Luserkes (1880-1968) in seiner „Reise zur Sage“ außerordentlich beeindruckt. Er schildert darin, wie er in der Bretagne einen der letzten alten Barden erlebt. Vom Gesang und Geigenspiel des Barden in eine Art gemeinsam bewegte Tanz-Trance versetzt, nehmen die Menschen auf, was er ihnen bringt. Das ist ein anderes Erzählen als das heutige, in dem die Inhalte nur noch oberflächlich den Kopf durcheilen, „News“, mit denen der Einzelne nichts mehr verbindet, und die ihn daher auch zunehmend kalt lassen. Vielleicht ist das auch nötig bei all den Schrecklichkeiten, die da täglich auf uns eindringen. Ohne diese Oberflächlichkeit würden wir das vielleicht gar nicht aushalten.

Wie aber, wenn eine neue, selbstgewollte, selbstgesuchte und selbstgestaltete Art und Weise entstünde, in der wir uns singend, tanzend, sprechend im gemeinsamen rhythmischen Tun so stärken könnten, dass wir auch all die Schrecklichkeiten nach-ERLEBEN könnten, ohne daran zu zerbrechen? Könnte uns das Wege zeigen, das ja überall vorhandene Böse nicht nur zu benennen, auch nicht nur als Problem aus der Sicht räumen zu wollen, sondern es wirklich zu verstehen und damit – wirklich ÜBERWINDEN zu lernen?

Ich denke, daß dabei der Einzelne an seine Grenzen stößt. Das „Du“ im anderen erlebt, zeigt erst die Wege zu einem neuen sozialen Miteinander, zu einem NEUEN „Wir“. Wer DIESES „Wir“ sucht, das aus dem freien Wollen jedes Einzelnen entsteht und doch ein Gemeinsames ist, leistet dadurch schon auch etwas für den Frieden. Suchen wir dieses Zukünftige im gemeinsamen Tanz, nicht nur mit dem „erwählten“ Partner, sondern in der großen Gemeinschaft. In den begeisternden Ketten- und Kreistänzen aus der Bretagne und anderswoher! Es lohnt sich, „för uns Dochters und Söhns, för uns Land, för uns all un för elk un een“, wie es in der ostfriesisch-niederdeutschen Übertragung einer bretonischen Hymne an die Salzküsten Europas heißt (Borders of Salt/Boorden van Salt, von Dan ar Braz, ostfriesisch Em Huisken).

© Stefan Carl em Huisken 2014




Sehnsucht

Sehnsucht ist paradox. Man sucht das Sehnen, aber das Sehnen sucht gerade etwas anderes, was man eben nicht hat. Hätte man es, wäre die Sehnsucht nicht da. Aber die Sehnsucht zielt ja gerade darauf, es möglichst zu haben. Sehnsucht ist also eine selbstzerstörerische Sache. Oder?
Wer sich nach etwas sehnt, sucht es. Und er macht sich Bilder davon, immer neue, stellt sich vor, wie es wäre, wenn. Der Sehnsüchtige wird also außerordentlich produktiv – im Bilderschaffen von dem, was er nicht hat. Das ist doch äußerst konstruktiv. Oder nicht?
Man macht sich ein Bild vom Gesuchten. Und sucht. Meistens ohne Erfolg. Da macht man sich ein neues, anderes Bild, von einem anderen Gesichtspunkt aus. Und kommt in Bewegung. Bewegung ist Leben. Ohne Bewegung ist alles fest, starr – tot. Und doch sucht man das gerade. Sind Sehnsüchtige nekrophil?
Aber die Bilder, die Bewegung, in die man kommt, das Leben, das aufgerufen wird – ist das nicht alles bloß Schein: Schein-Leben, Schein-Bewegung, Schein-Bilder? Fordert wie Wirklichkeit nicht gerade das feste, sichere, auf dem man stehen kann, das einen trägt? Dann wären diese Wirklichkeit und der Tod eines und das selbe. Scheint zumindest so.
Wer sich bewegt, trägt seinen Gesichtspunkt durch die Welt – die äußere, scheinbar feste Welt (wieviel wankt da aber, wenn man es genau besieht), oder auch die innere, bewegliche Bilderwelt – und ist daher selber das einzige feste. Wer durch das Leben gehen will, das Leben er-leben, muß also selbst – tot sein? Ach du liebe Güte!
Das ist ja gerade das Paradoxe, dass ohne Leben eben kein Tod vorkommt, UND OHNE TOD KEIN LEBEN!! Und doch sind wir alle sehn-süchtig nach dem ewigen Leben, wollen den Tod nicht sehen, gehen ihm aus dem Weg – jedenfalls, soweit wir selber betroffen sind.
Und merken dabei gar nicht dass wir dabei – en passant sozusagen – außer dem er-lebten Leben auch den Tod hervorrufen. Immer. Ohne Leben kein Tod – ohne Tod kein Leben.
Und je mehr wir unsere sehnsuchtsvollen Bilder durch unser eigenes Leben und Er-leben der Wirklichkeit einverleiben, erschaffen wir: Tod.
Das kann man gar nicht wirklich begreifen, verstehen. Begriffe mans, stünde der Begriff fest, und wäre – tot. Also müssen wir wohl bei der Sehnsucht bleiben, und das ewige Leben dort suchen, wo es ist – immer in der Mitte zwichen Tod und Leben, beide hervorrufend und gestaltend.
Tragen wir’s mit Fassung. Oder?

© Stefan Carl em Huisken 2014




Herbststurm

Umarme den Sturm
Laß dich tragen von seinem Toben
Erklimm seine Schulter
Erblicke den Stern
der dich zieht nach oben.

Nicht bleibst du frei
Von dem Auge aus grauem Drehen
Es erblickt auch dich
Trägt dich hinauf
wohin keiner kann gehen.

Löse aus Grau
Den Azur des strahlenden Himmels
Des Sturmes Hüter
Stumm freudiges Blau
verdeckt Sternengewimmel.

Dort findest du ihn
Des Weltalls unnennbaren Träger
Der aus Lehm dich schuf
Ent-decke nun ihn:
den Menschen-Schicksals-Wäger.

Er schickte den Sturm
Dich Schwachen zum Gipfel zu heben
Unter seinen Blick
Denn nur du
kannst ihn er-leben.

(c) Em Huisken 2013




Aufgabe?

Gewiß, es ist nicht zu erkennen, worin denn die Aufgabe liegen könnte, der ich mich nun – frei geworden von den gegebenen Anforderungen des Stroms aus der Vergangenheit – mit der notwendigen Begeisterung widmen könnte. Bin ich es aber selbst, der hier vielleicht erstmal beginnen könnte sich zu leben, so ist es ganz selbstverständlich, dass ich diese Aufgabe nicht im tradierten Sinn erkennen kann. Er-leben kann ich sie vielleicht, aber dann erst im Vollzug, nachdem ich mit ihr begonnen habe zu leben. Ich stelle mir die Aufgabe selbst im selbst-verständlichen Darleben meiner Impulse.
Was aber tun, zum Motiv meiner Handlungen erwählen? Nun, dasjenige in die Welt stellen, worin ich selbst lebe. Den Selbst-Vollzug gewissermaßen als Aktion des Weltenselbstes bilden, ins Bild bringen. Dieser Selbst-vollzug ist aber Freiheit und Liebe in einem. Er hat keinen Vorläufer, kein prägendes Gegebenes außer meiner selbst – und ich bin mir nicht gegeben, denn ich gebe mich mir selbst auf diesem Weg.
Und was keine Veranlassung hat zu seinem Tun, keine Not zu handeln, das kann nur aus Liebe handeln. Nicht aus Liebe zu irgendeinem existierenden oder zu erzeugenden Gegebenen allerdings; das wäre nicht Liebe, sondern Haben-Wollen.
Liebe kann erst genannt werden jener Vollzug, der sich um seiner selbst willen ereignet und daher kein Motiv, keinen Anstoß, kein Gebot und keinen Lohn erträgt – nur aus sich selbst sich vollzieht.
In meinem Fall bin ich selbst mein Motiv, mein Ziel, und mein Selbst-Vollzug in einem: die Schöpfung aus dem Nichts, in Freiheit und Liebe, Gott gleich und doch von ihm erschaffen, ihn im Weltgeschehen erst entstehen lassend.
Wie war das? Lebe ganz dem Augenblick, bereit zu tragen was auch immer er dir bringen mag!


Wie so viele Wege bin ich gegangen –
Und es brachen die Brücken hinter mir
Unterm Fuß,
Und das Volk lachte
Aus sicheren Höhlen.

Ging dorthin wo Nichts grenzt an Nichts,
Raum endet –  Zeit verlischt.

In Himmelswüste
welkten die Sterne

Doch das Geschwätz der Ratten
endete nicht.

Sprach des toten Gottes steinernes Bild
in der geweihten Höhle.

Blaudiamanten –
der anderen Sonne Antlitz
Wo warst denn du –
        meine holde Geliebte
als ich aß
Steine?

(Text: Em Huisken 2013; Gedicht: Helmut Siegfried Unbehoven)

 




Entwicklung

Entwicklung ist Leben. Oder anders herum: was lebt, entwickelt sich auch.
Entwicklung folgt Gesetzen. Ganz allgemeinen Entwicklungsgesetzen, die aber im Einzelfall sehr verschieden erscheinen können, zum Beispiel

  • im Lebenslauf beim einzelnen Menschen
  • in menschlichen Beziehungen bei Paaren und kleinen Gruppen
  • in Organisationen bei ideell orientierten Einrichtungen oder Wirtschaftsbetrieben
  • in der Menschheitsentwicklung

Diese Ebenen wirken zusammen und bedingen einander. Wer ihre Gesetze nicht kennt, wird leicht zum Getriebenen, der die Übersicht verliert. Wer sie allerdings überschaut, kann sie freier handhaben und dadurch wirkungsvoller leben und arbeiten.

»Man muß sich der Idee erlebend gegenüberstellen können,
sonst gerät man unter ihre Knechtschaft«
                                            (Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit)
© Stefan Carl em Huisken 2012