Das Ringen um die anthroposophische Gesellschaft

Immer wieder neu stellt sich das Ringen um die Frage ein, was eigentlich wirklich die anthroposophische Gesellschaft sei und wie mit ihr – so, wie sie derzeit im äußeren Leben auffindbar scheint – zu verfahren wäre. Die Diskussion wird innerhalb wie außerhalb des nach der anthroposophischen Gesellschaft benannten Dornacher Vereins immer wieder neu aufgeworfen, und bindet Kräfte, Zeit und Einsatz von Menschen, die in unbezweifelbar allerbester Absicht handeln.

Zur Frage der Mitgliedschaft und Mitarbeit in der anthroposophischen Gesellschaft habe ich in der Vergangenheit bereits mehrere Stellungnahmen abgegeben, von denen zwei ja auch in ENB 14/2022 und 22/2022 veröffentlicht wurden1. Nun war ja der Nachweis eines für die Sache wichtigen Zitates offen geblieben, in dem Rudolf Steiner „immer wieder darauf aufmerksam machte, dass geistige Initiativen, wenn sie zu irdischen Institutionen werden, verkannt werden und sich in ihr Gegenteil verkehren müssen, wie ich damals in meiner ersten Stellungnahme formulierte.

Einige Aussagen Rudolf Steiners zum Thema hatte ich in der zweiten veröffentlichten Stellungnahme bereits angeführt, nun kam mir eine weitere unter die Augen, die die Sache vielleicht noch unmissverständlicher formuliert. Ich will daher hier darauf hinweisen und ein paar Gedanken daran anschließen. Die hier gemeinte Aussage:

„Die Sache ist nämlich wie bei einem Pendel: die Kraft zum Hinaufschwung wird beim Herunterschwingen als Fallkraft gewonnen. Wie also gerade die entgegengesetzte Kraft angesammelt wird beim Herunterschwung, die dann verbraucht wird beim Hinaufschwung, so ist es in rhythmischer Folge im geschichtlichen Leben der Menschheit. Was Sie für ein gewisses Zeitalter finden können als die vollkommene soziale Ordnung, überhaupt als irgendeine Ordnung: wenn Sie es realisieren, so verbraucht es sich und führt nach einiger Zeit wiederum in die Unordnung hinein. Das Evolutionsleben ist nicht ein solches, daß es gleichmäßig aufsteigend ist, sondern das Evolutionsleben verläuft in Ebbe und Flut, verläuft in einer Wellenschwingung. Und durch das Beste, was Sie einrichten, wenn Sie es realisieren auf dem physischen Plan, rufen Sie Zustände hervor, welche nach der entsprechenden Zeit die Vernichtung desjenigen bewirken, was Sie eingerichtet haben. Es würde ganz anders um die Menschheit stehen, wenn man dieses unerbittliche Gesetz der Notwendigkeit im geschichtlichen Geschehen gehörig erkennen würde Man würde dann nicht glauben, daß man im absoluten Sinne ein Paradies auf Erden begründen kann, aber man würde genötigt sein, hinzuschauen auf das zyklische Gesetz der Menschheitsevolution. Und indem man eine absolute Beantwortung der Frage: Wie soll das soziale Leben sich gestalten? – ausschließt, wird man das Richtige tun, wenn man fragt: Was muß für unser Zeitalter getan werden? Was erfordern gerade die Impulse unseres fünften nachatlantischen Zeitalters? Was will sich in Wahrheit umsetzen? – Indem man sich bewußt ist, daß dasjenige, was man realisiert, sich im zyklischen Umschwunge notwendigerweise wieder vernichten wird, muß man sich klar sein, daß man nur in dieser relativen Weise, indem man die Entwickelungsimpulse eines bestimmten Zeitalters erkennt, auch sozial denken kann. Man muß mit der Wirklichkeit arbeiten. Man arbeitet gegen die Wirklichkeit, wenn man glaubt, mit abstrakt-absoluten Idealen irgend etwas ausrichten zu können.“2

Vor dem Hintergrund dieser Darlegung von Rudolf Steiner stellt sich mir die Frage, inwieweit die äußeren Strukturen, die zu Rudolf Steiners Zeit mit der freien Geistgemeinschaft der anthroposophischen Gesellschaft verbunden wurden, um deren Existenz in der physischen Welt zu unterstützen, heutzutage überhaupt noch relevant sein können. Hat eine Bemühung um eine Aufrechterhaltung dieser Strukturen – auch bei umfassenden Reformen – überhaupt einen Sinn, der der geistigen anthroposophischen Gesellschaft dienlich sein kann? Oder bindet die Auseinandersetzung damit nicht gerade die Gedanken, Gefühle und Willensimpulse der damit befassten Menschen an etwas notwendig Untergehendes?

Insbesondere, wenn ich die Auseinandersetzung um Beratungsgremien, Zusammenkünfte und dergleichen aus der Ferne zu verfolgen trachte, die manche ja sehr engagierte Menschen gemeinsam mit den Funktionären des derzeitigen Dornacher Vereins immer wieder veranstalten, klingt mir zusätzlich eine weitere Aussage Rudolf Steiner in demselben Band in den Ohren:

„Und sagt man: Der Mensch ist ein soziales Wesen – wie es heute geradezu Mode geworden ist –, so ist das Unsinn, denn der Mensch ist ebenso stark ein antisoziales Wesen, wie er ein soziales Wesen ist. Das Leben selber macht den Menschen zu einem antisozialen Wesen. Deshalb denken Sie sich einmal einen solchen Paradieseszustand auf Erden durchgeführt, wie es ihn gar nicht geben kann, aber wie er angestrebt wird, weil die Menschen ja immer das Unwirkliche viel mehr lieben als das Wirkliche – denken wir uns, ein solcher Paradieseszustand würde hergestellt (…). Sehr bald schon würden sich unzählige Menschen dagegen auflehnen müssen, weil sie dabei nicht Menschen bleiben können, weil in einem solchen Zustande eben nur die sozialen Triebe Befriedigung finden würden, sich aber die antisozialen Triebe sogleich regen würden. Das ist ebenso notwendig, wie ein Pendel nicht bloß nach der einen Seite ausschlägt. In dem Augenblicke, wo Sie einen Paradieseszustand herstellen, müssen sich die antisozialen Triebe regen. (…) Denn das ist eben das Leben, daß es zwischen Ebbe und Flut hin und her geht. Und wenn man das nicht verstehen will, so versteht man eben überhaupt nichts von der Welt. Man hört ja oft: Das Ideal eines staatlichen Zusammenlebens ist die Demokratie. – Gut, nehmen wir also an, das Ideal eines staatlichen Zusammenlebens sei die Demokratie. Aber, wenn man diese Demokratie irgendwo einführen wollte, so würde sie notwendigerweise in ihrer letzten Phase zu ihrer eigenen Auflösung führen. Die Demokratie strebt notwendigerweise danach, wenn die Demokraten beisammen sind, daß immer einer den andern überwältigen will, immer will einer recht haben gegenüber dem andern. Das ist ganz selbstverständlich. Sie strebt nach ihrer eigenen Auflösung. Führen Sie also irgendwo die Demokratie ein, so können Sie das in Gedanken schön ausmalen. Aber in die Wirklichkeit übergeführt, führt die Demokratie ebenso zum Gegenteil der Demokratie, wie das Pendel nach der entgegengesetzten Seite ausschlägt. Das geht gar nicht anders im Leben. Demokratien werden immer nach einiger Zeit sterben an ihrer eigenen demokratischen Natur.“3

Wäre es nicht vielleicht wünschenswert, sich hier mit noch mehr Nachdruck – fern aller äußeren Details – auch im Blick auf die Situation der anthroposophischen Gesellschaft um dasjenige zu kümmern, worauf Rudolf Steiner verwies, als er im oben zitierten Vortrag vom 1. Dezember 1918 auf eine Karte hinwies, die er zwei Jahre vorher den Zuhörern aufgezeichnet hatte:

„Sie erinnern sich, ich habe vor zwei Jahren hier eine Karte aufgezeichnet, die sich jetzt realisiert. Und diese Karte habe ich nicht nur Ihnen aufgezeichnet. Ich habe diese Karte dazumal angeben wollen, um auszusprechen, wie die Impulse von einer gewissen Seite her gehen, weil es ein Gesetz ist, daß, wenn man diese Impulse kennt, wenn man sich einläßt darauf, wenn man sie ins Bewußtsein aufnimmt, sie in einer gewissen Weise korrigiert, sie in anderes gelenkt werden können. Das ist sehr wichtig, daß man dies erfaßt.“4

Mir fällt zusätzlich dazu die Aussage Ita Wegmans ein, Dämonen könne man nicht besiegen, nur austrocknen5. Wer sich gerade gegen eine Sache mit seinen Kräften einspannt, stärkt sie dadurch, denn er erfüllt sein Bewusstsein damit und gibt seine individuelle Kraft hinein – so verstehe ich das. Sind unter solchem Gesichtspunkt die vielen Bemühungen um die Rettung der (äußeren) anthroposophischen Gesellschaft sinnvoll?

Die folgende, von Rüdiger Blankertz unter (leider nicht exakt nachgewiesenem) Bezug auf Christoph Lindenberg geschilderte Szene beim Brand des Goetheanums wirft vielleicht ein zusätzliches, erschütterndes Licht auf die Frage des Umganges mit der heute im äußeren Leben aktiven „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“:

„Nehmen wir eigentlich jene verstörende Szene zur Kenntnis, die sich am Silvesterabend 1922 in Dornach zugetragen hat? Die Zukunftsbau der Menschheitskultur, das Haus des Wortes Rudolf Steiners, brannte in dieser Nacht bis auf die Grundmauern ab. Rudolf Steiner hatte vielfach gewarnt, dass die Gefahr einer Brandstiftung seitens der (damals klerikal maskierten) Gegner besteht, gerufen und geduldet durch die der akademischen Gruppenseele verfallenden Anthroposophen. Der Brand, so Rudolf Steiner, wurde möglich, weil die Art und Weise, wie von »den lieben Freunden« in diesem »Bau des Wortes Rudolf Steiners« bei öffentlichen Anlässen zu Inhalten der Anthroposophie gesprochen wurde, als schriller Gegensatz zu den Formen dieses Baues empfunden werden musste.6 Halten wir diese Aussage gut im Gedächtnis. Und fragen wir uns: Haben wir verstanden, was das heißt? Und nun sehen wir zu, was in dieser Nacht durch Rudolf Steiner selbst geschehen ist. – Erst durch die Rauchentwicklung wurde der noch schwelende Brand entdeckt, konnte aber zunächst nicht lokalisiert werden. Schließlich stellte man fest, dass die Doppelwand des »weißen Saales« stark erwärmt war. Einige junge Leute stiegen aufs Dach, um – nach schlichter Hausfrauenphysik handelnd – die Schindeln abzuheben und das Feuer korrekt von oben zu löschen. In Kenntnis dieser Rettungsaktion aber ließ sich währenddessen Rudolf Steiner unten im Saal eine schwere Brandschutz-Axt reichen. Christoph Lindenberg beschreibt in seiner Steiner-Chronologie unter dem 31.12.1922 mit süffisantem Unterton, was nun – horribile dictu! – durch den Meister selbst geschah. Steiner sagte zu den aufgeregten, ihn umstehenden Anthroposophie-Freunden, so Lindenberg, er müsse jetzt Gewissheit haben, und begann, die zentimeterdicke Bretterwand mit der Axt zu bearbeiten. Wie gelähmt standen die Freunde dabei, keiner fiel Rudolf Steiner in den Arm, niemand wies ihn darauf hin, dass nach den elementaren Kenntnissen, die bei der Beheizung eines beliebigen Ofens zur Anwendung kommen, das Öffnen einer Luftzufuhr von unten die entschiedene Anfachung eines bloß schwelenden Feuers zur Folge haben muss. Als Steiner mit der Axt nach etlichen wuchtigen Schlägen die Wand durchbrach, schoss die Flamme, nunmehr entfesselt, in der Wandhöhlung nach oben, in Sekundenschnelle entstand ein brausender Feuersturm, vor dem sich die Helfer auf dem Dach nur mit Mühe retten konnten. Nach der Begründung seiner Entscheidung: »Wir müssen Gewissheit haben!« – die Holzwand war doch heiß! – kommentierte Rudolf Steiner die Ausführung mit den Worten: »Nun, da ist nichts mehr zu retten!« Was ist das???“7

Rüdiger Blankertz schließt an diese Darstellung eine Vielzahl wichtiger, sehr schmerzhafter Fragen an, die hier wiederzugeben zu weit führen würde – man lese selber nach8. Wenn Rudolf Steiner wirklich so handelte im Umgang mit dem Goetheanum-Bau, wie können wir Heutige dann sinnvoll handeln der äußeren, von Krisen durchschüttelten „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ gegenüber?

© Stefan Carl em Huisken 2023

1Ein Nachrichtenblatt, Näheres unter https://einnachrichtenblatt.org. Die beiden Stellungnahmen finden sich in ENB 14/2022, S. 14 ff (auf meiner Website unter https://ogy.de/5wuo) und ENB 22/2022, S. 9f (Website https://ogy.de/27dd). Weiteres unter dem Stichort „anthroposophische Gesellschaft“ auf www.emhuisken.de

2Steiner, Rudolf: Die soziale Grundforderung unserer Zeit. In geänderter Zeitlage. – Dornach, 1979, Vortrag vom 1. Dezember 1918, S. 58, Hervorhebung SCeH

3Steiner, Rudolf: Die soziale Grundforderung unserer Zeit. In geänderter Zeitlage. – Dornach, 1979, Vortrag vom 6. Dezember 1918, S. 100f

4ebd, S. 64f, Hervorhebung SCeH

5Da muß ich mal wieder die Quelle schuldig bleiben; zu gegebener Zeit taucht sie wieder auf.

6(Fussnote von Rüdiger Blankertz): Vgl. Rudolf Steiner, »An die Mitglieder«, Nachrichtenblatt vom 27. Januar 1924, II. Brief: »Das rechte Verhältnis der Gesellschaft zur Anthroposophie«, in GA 260a, S. 43

7Blankertz, Rüdiger: Die drei Feinde der Anthroposophie in uns erkennen. Oder: Wenn das eigene anthroposophische Versagen als »Rettung der Anthroposophie« gelten soll ….. Zitiert nach einer .pdf-Version des Artikels (im Netz leider nicht mehr verfügbar), S. 12f, der auch in AGORA 2022, Nr.4 veröffentlicht wurde. Das AGORA-Heft liegt mir leider nicht vor.

8Im angegebenen Heft der AGORA; der Artikel ist außerdem offenbar für ein Buch vorgesehen, dass die Edition Nadelöhr herausbringen will. Vgl. https://agora-agenda.ch/buchprojekte/


Cover Wahnsinn und Denken anthroposophische Gesellschaft

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Über die Notwendigkeit des Weltunterganges

Vorbemerkung – über das Umdenken

In unserer Zeit häufen sich die Stimmen, die ein grundsätzliches Umdenken fordern, eine ganz neue Grundlage für die Gestaltung des äußeren Lebens der Menschen. Die alte Art, darüber zu denken, sei abgelebt und zeige ja an ihren Folgen, dass sie den Anforderungen, die mit dem Ziel eines menschenwürdigen Lebens für alle verbunden sind, nicht gerecht werden könne.

Einer solchen Auffassung kann man ja nur zustimmen. Dass das alte Denken und die daraus hervorgegangene Einrichtung des Lebens nicht mehr taugt, ist offensichtlich. Allein die Frage, wie denn so ein grundsätzliches Umdenken möglich wird, findet in all den Beteuerungen seiner Notwendigkeit kaum eine Antwort.

Die alte Art der Weltgestaltung hat abgelebt, also gehen wir daran, eine neue, dem Menschen und seinem Geist gemäße aufzubauen. Einen Beitrag, vielleicht den entscheidenden Beitrag dazu lieferte Rudolf Steiner mit dem Aufbau der anthroposophischen Geisteswissenschaft. Kaum ein Kulturimpuls der neueren Zeit ist so entschieden von den Vertretern des überkommenen Wissenschaftsbetriebes ebenso wie von christlichen und anderen Religionsgemeinschaften abgelehnt und bekämpft worden – und wird es noch. Man sieht daran: nichts ist den Menschen so unbequem, ja unannehmbar, wie die Forderung, sich selbst und seine Art des Umganges mit der Welt radikal in Frage zu stellen und neu zu gestalten; genau darum ging es aber Rudolf Steiner.

Dennoch finden manche Ergebnisse anthroposophischer Geisteswissenschaft immer wieder neue Freunde: in der Medizin, der Pädagogik, der Landwirtschaft, den Künsten und in anderen Bereichen nimmt man die Anregungen gerne auf. Denn da hat man Rezepte, so glaubt man, die man nutzen kann, um nur ein bisschen etwas anders zu machen, damit das Leben angenehmer wird.

Aber so wird natürlich aus dem von Rudolf Steiner angestrebten Umdenken nichts. Wenn umgedacht werden muss, ganz grundlegend, dann ist mit kosmetischen Maßnahmen wie den genannten Rezepten nichts getan. Auch diese Rezepte werden nur so lange ein wenig funktionieren, wie in ihnen der Geist der anthroposophischen Geisteswissenschaft oder zumindest ein Rest seiner Tradition waltet. Die Entkräftung vieler anthroposophischer Initiativen im Leben der Welt wird immer offensichtlicher; von manchen ihrer Vertreter wird sogar aktiv die Anpassung an die Gebräuche der gewordenen Lebenswelt gefordert und gefördert. Man will also der immer mehr krisengeschüttelten Lebenswelt der Menschen einen neuen, aufbauenden Impuls einflößen, indem man sich an sie anpaßt. Das kann nicht funktionieren.

Versucht man dagegen, die Lösung scheinbar vordringlicher äußerer Probleme zurückzustellen, um zunächst an die Wurzel zu gehen und die Methoden solcher Problemlösung in Frage zu stellen zugunsten grundsätzlicher Erwägungen über den Menschen und sein Weltendasein, wird man leicht als weltferner Spintisierer angesehen, der das wirklich praktische Leben nicht achtet. Ein bisschen hat diese Haltung etwas von Bertold Brechts paradigmatischem Ausspruch: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. Man mache also – egal wie – erst einmal den Menschen das Leben erträglich bis angenehm, dann werden sie schon die Motivation und die Kraft zum Umdenken aufbringen – so übersetze ich mir das.

Was aber, wenn die Lösung der lebenspraktischen Probleme nicht gar mehr gelingt ohne ein grundsätzliches Umdenken, vielleicht auch diesen Satz von Brecht betreffend? Wie, wenn unter dem Einfluss der mit Brechts Ausspruch verbundenen Ideologie dieses Umdenken schon lange unterdrückt wurde und nun inzwischen auch darum mehr als überfällig ist? Rudolf Steiner sah jedenfalls die anthroposophische Geisteswissenschaft als Impulsgeber für ein solches, schon lange überfälliges Umdenken.

Wer nun aber versucht, wirklich selbständig denkend die Wege solcher Geisteswissenschaft zu wandeln, sieht sich schnell mit der Aussage konfrontiert, diese Geisteswissenschaft sei unverständlich und daher wenig hilfreich; und man wendet sich wieder ihren „leichter verständlichen und nützlichen“ Ergebnissen zu. Dazu äußerte sich Rudolf Steiner unmissverständlich: „Es muß unsere Wissenschaft so sein, daß sie mehr Verstand notwendig macht, als man bisher anzuwenden gewohnt ist. Wenn man sagt, die Geisteswissenschaft kann man nicht verstehen, so liegt es aber nicht daran, daß man nicht genügend Verstand hat, sondern daß man nicht genügend Verstand anwenden will. Darüber möchte man sich gerne täuschen. Würde man so viel Verstand anwenden, wie der Mensch haute schon aufbringen kann, so würde man die Geisteswissenschaft schon verstehen.“1

Wer dazu neigt, in der anthroposophischen Geisteswissenschaft den unserer Zeit so offensichtlich notwendigen Impuls der Erneuerung des menschlichen Weltenlebens zu sehen, wird also gut beraten sein, wenn er sich in seinen Bemühungen um die Vertiefung der geistigen Grundlagen für eine Umkehr im menschlichen Weltenleben von solchen Einwänden wie den eben angedeuteten nicht von seinem Weg abbringen lässt. Wer die Lösungen für die Probleme, vor die eine immer mehr zerfallende, absterbende Welt den Menschen stellt, nicht in dieser Welt selbst, sondern in dem diese Welt tragenden und in ihr wirkenden Geist suchen will, wird sich unbeirrt zunächst in diesen Geist zu vertiefen haben da, wo er jedem Menschen heute zugänglich ist: im eigenen, individuellen Weltenleben des Ich, einem Leben, das allen Menschen heutzutage gemeinsam ist.

In diesem Sinne ist dieser kleine Aufsatz gedacht. Er soll einen möglichen Weg des grundstürzenden – und grundsätzlichen – Umdenkens aufzeigen, der den immer deutlicher werdenden Anzeichen des Unterganges derjenigen Welt, in der wir gewohnt sind zu leben, entgegengehalten werden kann. Wer sich ernsthaft bemüht, den hier angedeuteten Weg der Vertiefung zu beschreiten, wird beim Aufbringen der notwendigen Aufmerksamkeit bald bemerken, wie viele der getroffenen Aussagen – recht verstanden – unmittelbar lebenspraktische Hinweise geben können. Sie ergeben sich dann allerdings unmittelbar und selbständig aus dem Nachvollzug der geschilderten Denkwege, und erfordern keine vorgegebenen Rezepte, sondern folgen nur aus dem ernsthaften Erkenntnis-Suchen und Erkenntnis-Schaffen des individuellen, sich seiner selbst bewusst werdenden Menschen. Dem Leser sei in diesem Sinne viel Erfolg gewünscht.

Was ist die Welt?

Diese Frage beschäftigt seit Urzeiten die erkenntnissuchenden Menschen. Sie ist bis heute allerdings ungelöst und wird es vorerst wohl auch bleiben. Eine einmalige und dann dauerhaft gültige Lösung ist nämlich gar nicht möglich – die Zeiten ändern sich, und mit ihnen die Welt –, und wird darum hier auch gar nicht angestrebt. Was versucht wird, ist lediglich die Beschreibung einer heutzutage wohl für viele gültigen Situation, vom Gesichtspunkt des denkenden, um Wahrhaftigkeit bemühten Menschen.

Diesem Menschen tritt dasjenige, was er Welt zu nennen gewohnt ist, zunächst als in sich selbständig und vom Menschen unabhängig existierende Zusammenstellung von Gegenständen entgegen, die vom Menschen zwar in ihrer Existenz und in ihrem Zusammenwirken erlebt, aber vorerst nicht letztgültig und vollständig begriffen und erklärt werden können. Wir erleben in der Welt also unmittelbar ihre von uns selber unabhängige Existenz, nicht aber das Walten derjenigen Kräfte und Mächte, die ihren jeweiligen Zustand hervorbringen und bestimmen. Was wir erleben, ist also Werk, fertiges Ergebnis, nicht Wirken und auch nicht unmittelbare Offenbarung des in dieser Welt waltenden Wesens.

Nun hat diese von jedem Menschen individuell erlebte Welt als eines ihrer hervorstechenden Charakteristika die Eigenschaft, dass alles in ihr Vorkommende früher oder später abstirbt, ein Ende findet und vergehen muss, um einem Neuen Raum zu geben2. Dazu gehört letztlich auch unsere eigene erlebende Anwesenheit in dieser Erdenwelt, denn diese Anwesenheit ist daran gebunden, dass wir einen Leib haben, durch den wir erleben und wirken können. Dieser Leib ist aus Stoffen und Kräften der Welt auferbaut und damit wie alles in der Welt vergänglich. Ohne den Leib haben wir aber vorerst keine Möglichkeit des Welterlebens. Insofern geht also die individuelle Welt eines jeden Erdenmenschen mit seinem Tod unter, löst sich auf.

Der Bemühungen, diesen persönlichen Weltuntergang zu verhindern, aufzuschieben, aus dem Bewusstsein zu verdrängen oder in etwas Wünschenwertes umzudeuten, gibt es viele. Dazu gehören die Verkündigungen von einem Eingang ins göttliche Paradies, in Gottes Schoß mit dem Tode ebenso wie die transhumanistischen3 Vorstellungen von der Dauerhaftmachung des persönlichen menschlichen Bewusstseins durch dessen Übertragung auf (als dauerhaft angenommene) Maschinen. Auch manche Rücksichtslosigkeit im ungezügelten Genießen des einzelnen Augenblicks, oftmals gesteuert durch die Hingabe an die Befriedigung von Trieben, die an das Dasein der Welt gebunden sind, hat hier ihren Ursprung. Genauso sind manche einflussreiche, oftmals fanatisierende Ideologien hier zu nennen, die der Sucht des Menschen entspringen, das Lebensregiment dem Tode in der Welt zu entreißen.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass alle derartigen Bemühungen illusionär sind. Denn auch das gewöhnliche Denken der heutigen Menschen ist ein Weltprodukt und trägt damit den Keim des Todes in sich. Wie viele scheinbar gnadenbringende Einrichtungen haben die Menschen aus solchem Denken nicht schon erschaffen, die aber dann allesamt über kurz oder lang entweder den Gang alles Irdischen genommen haben, also abgestorben, vergangen sind, oder den Menschen einem Regiment übermächtiger Weltendauer unterwerfen und damit seine Weiterentwicklung beschädigen oder unmöglich machen.

Die Tatsache, dass alles Weltensein zu seiner Zeit absterben muss, setzt nämlich die andere voraus, dass dieses Weltensein in ständigem Wandel ist, aus sich heraus sich entwickelt, also lebt. Ohne Leben kein Tod, und ohne Tod kein Leben. Wo der Mensch durch seine Taten in der Welt sein eigenes Leben den Regularien der Welt unterwerfen will durch Schaffung bürokratisch-mechanischer oder maschineller Weltprozesse, die ihn dann selber bestimmen, arbeitet er selber mit an seinem eigenen Tod. Alle solche Vorhaben zielen nämlich darauf, den Menschen nach den Regeln seines eigenen gewordenen, von der Welt bestimmten Denkens ewig, dauerhaft zu machen. Diese Regeln sind aber aus dem Erleben der absterbenden Welt gewonnen, und können daher nichts Anderes, als ein totes, ohne Entwicklung sich selber immer gleich reproduzierendes Maschinensein hervorbringen. Auf diese Weise geht aus dem Streben nach dem ewigen Leben des Erdenmenschen sein eigener Weltentod hervor, als dauernde Wiederholung des ewig Gleichen.

Was ist der Mensch?

Nun kann man aus dieser Betrachtung bereits eines lernen: indem das erlebende Ich des Menschen in die Welt tritt, und diesen Prozess nach und nach beobachten und begreifen lernt, erfährt es wohl eine Menge über das Weltendasein, nichts jedoch über sich selbst als derjenige, der in dieses Weltendasein mit der Geburt eintritt und es mit dem Tode wieder verlässt. Wer ist dann dieser individuelle Mensch, der sich selber Ich nennt und durch sein Weltensein hindurchgeht? Woher stammt er? Hat er eine Bestimmung, die in ihm selber liegt, oder erschöpft sich diese Bestimmung in dem Durchgang durch das Welten-Dasein? Solche Fragen können demjenigen aufgehen, der die Welt und sein eigenes Erleben darin unvoreingenommen beobachten und durchdenken will.

Wer mit der Frage nach sich selbst beginnt umzugehen, kann sich zunächst ein Grundsätzliches klarmachen: die Erkenntnis der Welt, wie sie uns gegenübertritt, geht zunächst von etwas Gegebenem aus, von den Inhalten unserer Sinneswahrnehmung vor allem, deren exaktes Zustandekommen wir aber genauso wenig unmittelbar gegeben haben, wie es eben bei allen Weltgegenständen ist. Wir nehmen die Erkenntnisinhalte wahr, ihr Entstehen und ihr Zusammenwirken entzieht sich der Wahrnehmung. Was wir darüber aussagen können zu ihrer Erklärung, tragen wir selber durch unsere Tätigkeit an die Gegenstände heran, fügen es ihnen hinzu.

Das ist bei der Auseinandersetzung mit der Frage nach uns selbst, nach dem Menschen also, grundsätzlich anders. Hier haben wir kein unmittelbar gegebenes Objekt, an dem wir ansetzen können. Als der Wahrnehmende und Denkende im Erkenntnisprozess treten wir als Subjekt auf, als Tätiges, das in Form unserer Gedanken und Vorstellungen sich selber erst Inhalte schaffen muss, bevor etwas erklärt werden kann. Bevor wir etwas über uns selber aussagen können, müssen wir schon etwas getan haben, nämlich den Inhalt der Aussage hervorgebracht haben.

Das ist ja bei allen Erklärungen so – auch gegenüber den Gegenständen der Sinneswelt –, aber deren Objekte sind uns gegeben und wir können unser Gedankenschaffen an ihnen überprüfen. Die Gegenstände der Sinneswelt sind uns aber nur als Ergebnis, als Werk gegeben, nicht jedoch ihr Entstehungsprozess. Das ist beim Denken über uns selbst anders: hier ist das Ergebnis nicht vorgegeben, dafür können wir aber dessen Entstehungsprozess verfolgen, denn wir sind ja selber mit unserem Tun daran beteiligt. Sowohl die Art des Hervorbringens von Vorstellungen und Gedanken als auch die Beurteilung ihres Entstehungsprozesses und ihrer Ergebnisse hängt von unserer eigenen Beteiligung daran ab.

Ist also zwar das Bewusstsein von uns selbst als einer erlebten Welt gegenüberstehendes Wesen eine gegebene Tatsache, die auch von der Sinneswelt zunächst abhängt, so schafft unser Denken über uns selbst Inhalte, die aus uns selber hervorgehen, von uns geschaffen sind und insofern nur noch mittelbar von der Existenz der Sinneswelt abhängig sind, indem sie nämlich das Bewusstsein von uns selbst für ihre Entstehung voraussetzen, nicht aber explizit die Sinneswelt als solche.

Damit schaffen wir in unserem Denken und Erkennen eine innere, geistige Welt mit, deren Entstehung in allen ihren Inhalten ohne unsere Beteiligung nicht möglich wäre. Die Inhalte dieser geistigen Welt bestehen daher gerade durch uns selber und unser Miterleben und Mitgestalten ihres Entstehungsprozesses. Ihre Beurteilung ergibt sich also nicht durch Vergleich des Ergebnisses mit dem zugehörigen gegebenen Objekt wie bei der Erkenntnis der Sinneswelt, sondern unmittelbar aus der Beobachtung ihres Werdens.

Je mehr solcher selbsterschaffener Geist-Inhalte der Mensch hervorbringt, desto mehr kann er sein Bewusstsein von sich selbst auf seine eigene schaffende Tätigkeit stützen und sich aus der Abhängigkeit im Erkennen von den Vorgaben der Sinneswelt lösen, also frei werden. Darin liegen Fluch und Segen zugleich. Der Segen ist das allmähliche Erlangen immer umfassenderer Freiheit im Erkennen. Der Fluch liegt in der Möglichkeit, diese Freiheit so zu nutzen, dass dabei die gegebene Sinneswelt den Motiven des eigenen Tuns untergeordnet wird.

Alle Utopien und Ideologien erliegen dieser Versuchung, den eigenen Zukunftswunsch den gegebenen Tatsachen überzuordnen und damit zu vergessen, woraus das Bewusstsein von uns selber ursprünglich gespeist wurde – nämlich aus dem Erleben der Sinneswelt. Damit stellt sich die Frage nach der Bestimmung des Menschen: ist er da, um seine eigenen, aus dem ja auch noch weitgehend unerkannten Inneren aufsteigenden Wünsche zu realisieren, indem er die gegebene Welt nur als Mittel seiner eigenen Macht betrachtet, oder ist er selber sozusagen das Mittel, das die Welt aus sich herausgesetzt hat, sich selber gegenüber gestellt hat, um sich selber durch den Menschen weiter zu entwickeln?

Notwendigkeit und Freiheit

Die umgebende Welt konfrontiert uns mit der Tatsache ihrer Vergänglichkeit und damit auch der Vergänglichkeit unseres eigenen, von der Existenz der Welt abhängigen Bewusstseins. Dieser Tatsache des Todes gegenüber kann also von Freiheit keine Rede sein. Wir sind hier der ehernen Notwendigkeit unterworfen, der gegenüber jede Auflehnung zwecklos ist.

In unserem Denken über uns selbst und in der Beobachtung der von uns selber ausgehenden Entstehungsprozesse unserer Gedanken und Vorstellungen bewegen wir uns demgegenüber in der Region der Freiheit, und dies umso mehr, als wir nach und nach lernen können, uns in unserem Selbstbewusstsein immer mehr auf diese selbsterschaffenen Prozesse zu stützen und uns so unabhängig zu machen von der Stütze, die uns die Sinneswelt sonst gibt.

Beide Reiche – die eherne Todesforderung der Sinneswelt, die letztlich nichts als erstorbene, fest gewordene Ergebnisse uns unmittelbar nicht gegebenen Werdens enthält, und das Reich des Lebens im Geiste, das aber in sich die Tendenz birgt, das eigene Schaffen der gegebenen Welt vorzuziehen und damit den eigenen Entstehungsgrund im Gegebenen zu leugnen – beide Reiche stehen sich so zuerst als Gegensätze gegenüber. Notwendigkeit des Todes in der Sinneswelt und Freiheit des Lebens im Geiste scheinen unvereinbar.

Wenn wir so denken, vergessen wir dabei unseren eigenen Beitrag: die Gegenüberstellung dieser beiden Seinsbereiche – Weltentod und Geistesleben – ist unser eigenes Werk im erkennenden Umgang mit den Tatsachen unseres Lebens. Die Unvereinbarkeit beider stellen wir fest aufgrund eigener, im Geiste von uns mitgestalteter Denkprozesse. Wenn wir dies bemerken, verhalten wir uns einer von uns selber geschaffenen Geisttatsache (Gedanke der Unvereinbarkeit von Notwendigkeit und Freiheit) gegenüber so, wie wir dies der Sinneswelt gegenüber gewohnt sind: wir vergleichen Denkprozess und Ergebnis und bemühen uns, beide in Übereinstimmung zu bringen. Dabei können wir feststellen, dass wir ein wichtiges Glied in der Kette noch übersehen haben.

Die Notwendigkeit des Weltenwerdens hat aus sich heraus ein Werk vollbracht – den seiner selbst sich bewusst werdenden Menschen –, das den Keim der Freiheit in sich birgt, in der Möglichkeit der Abkehr vom ersterbenden Werk und der Zuwendung zum lebendigen Schaffen. Was liegt aber dann dem Weltenwerden zugrunde als Garant des Selbstbewusst-Werdens des Menschen zu seiner Freiheit? Ist das nicht dieselbe geistige Welt des Schaffens und Hervorbringens, die wir Menschen im Gedankenschaffen in uns tragen und deren selbstbewusstes Glied wir werden können, je mehr wir uns auf diese lebendige Welt selber zu stützen lernen und damit von der gegebenen Sinneswelt uns unabhängig machen?

Der Versuch einer vorläufigen Antwort auf solche Fragen führt uns in den Bereich der tiefsten Urgründe des Menschenwesens. Was liegt der Welt der Sinneserlebnisse ebenso zugrunde wie der geistigen Welt unseres eigenen Erkenntnisschaffens? Es ist dies dasjenige Wesen, das als Urgrund unseres selbstbewussten Schaffens erst den Gegensatz von Weltobjekt und erkennendem Subjekt hervorbrachte, aus dem der freiheitssuchende Mensch hervorgeht. Dieser Mensch braucht daher zu seinem Dasein beide Seiten, um diese nach und nach in seine Freiheit aufzunehmen und in eine neue, ihrer selbst bewusste Einheit zu überführen, die sich dann aus ihrer Mitte heraus selber tragen kann.

Der Vater-Gott, der Welten-Urgrund also stellte sich im toten Werk seinem eigenen lebendigen, schaffenden Geist gegenüber und schuf sich so den Menschen-Sohn, der erst durch sich den unerbittlich waltenden Vater-Gott der Welt mit dem alles zu neuem Leben führenden Geist in sich zu einen vermag. So führt er im Sohn die Welt in den Geist, indem er den Geist der Welt in sich belebt, und den Geist in die Welt, indem er ihr sein Schaffen als Werk einfügt.

Dies kann mit Recht der Christus genannt werden, der erst durch das Auftreten des schaffenden Gottes in der Werkwelt sich mit dieser einte im Tode, und damit Ausgangspunkt zu einer Auferstehung der untergehenden Werkwelt zu neuem Leben im Geiste werden konnte. Dieser Geist des MENSCHEN-GOTTES, des Gottes-Menschen gibt in seinem Auftreten in der Werkwelt der Welt und dem aus ihr hervorgegangenen Menschen ihren Entwicklungs-Sinn.

Durch ihn ist der Vater-Gott, der Welt-Erschaffer von seinem Wirken durch die Welt zum Wirken durch jeden einzelnen Menschen, mithin durch die Menschheit als Ganzes übergegangen; er selbst, der Menschen-Gott wird im Menschen-Sohn zum Repräsentanten der Menschheit schlechthin. In jedem Einzelnen von uns lebt seitdem eine Variante dieses Menschheits-Repräsentierens, bewusst oder unbewusst.

Und weil so der innerste Kern aller individuellen Menschen ein einheitlicher, universeller ist, schließt er auch die Existenz der Welt und ihr Hervorbringen mit ein, ja, ist geradezu diese Welt, hat sich mit ihr geeint und wirkt daher durch sie. Jeder einzelne Mensch, der seinen innersten Kern sucht, kann sich sagen: das Einzigartige, Unverwechselbare, in dem meine Individualität besteht, liegt in meiner Welt! Indem ich mich meiner Welt hingebe, so wie der Christus sich der Erdenwelt als Ganzer einte, werde ich erst wirklich frei. Dann erst, im Einswerden mit der Welt nehme ich auch die Grundbedingung meiner Existenz, meiner Entwicklung zur Bewusstwerdung in mich auf, nämlich den Tod in der Welt, und schaffe damit einen Ausgangspunkt für ein zukünftiges, wahrhaft freies, geistiges Welten-Leben.

Worin liegt die Zukunft?

Meine Zukunft liegt daher in einem geistigen Leben, das seinen Gegensatz zur Welt nicht als Erleben eines dunklen Weltenzwanges ansieht, sondern darin gerade die Bedingung seines bewussten Menschenseins erkennt. Damit einher geht eine Veränderung im Leben, die radikaler nicht sein könnte: sahen wir zunächst unsere Individualität als eine welt-entsprungene an, die daher nur insofern frei sein kann, als dieser Ursprung es zuläßt, werden wir nun im Laufe der Entwicklung mehr und mehr zu Geistwesen, die ihren eigenen Weltenursprung einschließen und damit die wahre Freiheit nach und nach entstehen lassen können.

Die Führung des Lebens der Welt geht daher von der fremden, unerkannten Welt auf uns selber über, in vollem Bewusstsein. Vergessen wir aber nicht, was nötig dafür war, immer noch ist, und noch lange bleiben wird: der mehr oder weniger allmähliche, von Zeit zu Zeit aber auch sprunghaft voranschreitende Untergang der uns gegebenen, fremden Außenwelt, ihr Tod also, ihr Vergehen.

Dies kann man einerseits ganz individuell auf sich selbst beziehen. Indem ich die Welt verlasse, geht sie mir unter. Mein Dahinscheiden ist also identisch mit dem Untergang meiner individuellen Sinnes- und Erlebniswelt. Soweit diese Welt mir fremd geblieben ist, wird auch mein Geist-Erleben das Bewusstsein verlieren. Soweit ich diese Welt aber in liebender Hingabe mit mir vereint habe, also auch ihren geistigen Urgrund anstelle ihres äußeren Werk-Seins als Bedingung meines Selbst-Bewusstseins erkannt habe, habe ich mich unabhängig vom Gewordenen gemacht und kann mein individuelles Bewusstsein im Untergang der Welt aufrecht erhalten. Soweit ich also mich bewusst zum Ausdruck des Christus, des Menschheits-Repräsentanten gemacht habe, werde ich auch im Bewusstsein Anteil haben an der Auferstehung des Geistes aus dem Weltentode.

Ohne den Untergang derjenigen Welt, in der Leben und Tod sich bedingen, werde ich also des Ewigen nicht teilhaftig werden. In der Sinneswelt regieren die Lebenszyklen der Entwicklung zwischen dem sprießenden Keim und dem Vergehen; nur im Geiste können wir erleben lernen, wie aus Leben und Tod erst Entwicklung – also neues Leben – hervorgeht, können uns mit diesem Gang vereinen und so als Mitschöpfer in die ewige Entwicklung eintreten.

So wie dieser Vorgang im einzelnen irdischen Menschenleben sich ereignet, geschieht es auch in der ganzen Menschheit. Soweit, wie es Menschen gibt, die die Bedingungen der Weiterentwicklung der Menschheit und ihrer Welt in sich selber aus dem Geiste heraus erschaffen können, wird das dunkle Walten der fremd gewordenen Welt durch ein helleres, menschliches ersetzt. Das heißt aber im Umkehrschluß auch, dass die Bedrohung unserer Existenz durch den Weltuntergang, das Zerfallen, Vergehen derjenigen Welt also, die uns aus sich hervorgehen ließ und heute noch trägt, solange immer stärker und bedrängender werden wird, wie es diese geist- und weltentragenden Menschen-Söhne nicht gibt. Nicht der Weltentod, der Welt- Untergang ist also das eigentliche Problem, der Stein des Anstoßes, sondern die damit verbundene Bedrohung unserer Existenz. Diese hängt aber von unserem Umgang mit der aufgeworfenen Frage ab: sterben wir mit der Welt ab, oder erheben wir sie durch uns in den Geist?

Rudolf Steiner formulierte es einmal so: Es ist ein geheimnisvoller Zusammenhang zwischen dem, was menschliches Bewußtsein ist, und den zerstörerischen Kräften des Weltenalls, gerade den Untergangskräften des Weltenalls. (…) er besteht so, daß das eine als Ersatz für das andere auf der einen Seite dienen kann oder auf der anderen Seite dienen muß …“4. Der Weltuntergang kann also etwas Notwendiges sein, die Not, die mit ihm einhergeht, wenden, indem seine andere Seite auftritt: der Mensch als Welten-tragen-Wollender.

Irrtümer

Der im Vorstehenden umrissene Gedankengang kann nun vielfältige Irrtümer in das Bewusstsein treten lassen, die dazu führen können, dass das Erreichen des Ewigkeitszieles der bewussten Durchgeistigung von Erde und Mensch behindert und geschädigt wird. Einige davon sollen hier abschließend kurz angedeutet werden.

So kann der einzelne Mensch dazu neigen, seinen eigenen Beitrag als so unwesentlich anzusehen – aus der Erfahrung der dauernden Übermacht der Sinneswelt mit ihren Gesetzen –, dass er die mit seinem eigenen Beitrag verbundene Mühe nicht aufbringt. Wer sich so verhält, hat noch nicht genügend Verständnis erlangt für den grundsätzlich anderen Charakter der geistigen Welt, die sich in der Selbstbeobachtung des Menschen auftut, im Vergleich zur äußeren Sinneswelt, die uns gegeben ist. Auf die in der Vorbemerkung angeführte Aussage Rudolf Steiners über das Verstehen-Können und Verstehen-Wollen sei hier nochmals hingewiesen.

In der gegebenen Sinneswelt liegen die Dinge getrennt von einander vor uns, und das Gesetz der Menge regiert. Was mehr ist, wird diese Welt stärker prägen als das Wenige. Ganz anders im Geiste: hier lebt alles ineinander, geht auseinander hervor und eint sich aufs Neue. Bringt ein Einzelner Bewusstsein in bestimmte Verhältnisse hinein, so tut er dies zugleich für die ganze Menschheit – auch, wenn diese vielleicht zunächst nichts davon bemerkt. Was einer erkannt hat, ist damit für immer ein Erkanntes. Darum lebt ja auch jeder sein individuelles Leben, das ihm seine individuellen, konkreten Aufgaben stellt. Was also der eine nicht zu Bewusstsein bringt, bleibt als Erkenntnisaufgabe ungelöst, bis entweder er selber oder ein anderer die Lösung bringt. Es gibt darum ganz prinzipiell gar keinen unwesentlichen Beitrag zum Ganzen; jeder, auch der kleinste Beitrag ist wesentlich. Und alles, was der Einzelne aus sich heraus, frei gewollt leistet, kann ein solcher Beitrag sein.

Des Weiteren könnte man die Einsicht in die Notwendigkeit des Welt-Unterganges zum Anlass nehmen, nun gleich ganz vorsätzlich einmal „tabula rasa“ machen und selber den Schalter auf „Aus“ stellen zu wollen. Das ist aber genauso wie der vorher angesprochene Irrtum nur ein Ausfluss des Unwillens, die Arbeit, für die der Mensch im Weltenganzen einmal vorgesehen ist, auch auf sich zu nehmen. Den Schalter auf „Aus“ zu drehen, ist scheinbar leicht und schnell getan; die Welt in Hingabe an jedes kleine Weltenwerk nach und nach in den Geist zu führen, ist eine Aufgabe für lange Zeit, die dem Menschen daher schwer erscheint.

Den Schalter auf „Aus“ zu stellen, ist aber unwiderruflich; und der Mensch kann irren, wenn erglaubt, seine Entwicklungsaufgaben würden ihm schon von anderen abgenommen. Sind wir denn tatsächlich schon so weit entwickelt, dass wir auf den ständigen Zyklus von Leben und Tod in der Sinneswelt verzichten können? Warum erscheint uns dann immer noch der uns bedrohende Weltuntergang? Der Schalter auf „Aus“ – wäre das denn nicht derzeit auch der endgültige Menschheitstod?

Nein, die Vernichtung der Welt ist ja kein Sinn in sich; sie ist nur im Rahmen der Vergeistigung durch den Menschen not-wendig, und dies fordert eben jeden Einzelnen, der sich zum Repräsentanten reiner Menschlichkeit entwickeln will. Es geht nicht um den Tod an sich, sondern darum, den Welten-Tod in sich aufzunehmen, um ihn dadurch zum Geist hin zu überwinden.

Die Welt zu leugnen, sich von ihr loszusagen oder sie sogar mutwillig zerstören zu wollen um selber im Geiste von ihrem Walten frei zu werden, kann wohl persönlicher Wunsch sein. Aber in der Welt muss ein Gleichgewicht sein von Leben und Sterben. Wer sein inneres Leben nur für sich behalten will, entzieht es dem Welt- und Menschheitsganzen, und wirkt darum mit an dem Ungleichgewicht, das dort entsteht. Da nimmt man die eigene selbstbewusste Existenz als ein Geschenk des Weltenwerdens hin und gibt nichts zurück. Die ganze Welt als Werkzeug meiner Wünsche, indem ich sie mir aus dem Bewusstsein hinausschaffe, um (vermeintlich) von ihr frei zu werden?

Aber das Leben, das Er-leben ist in mir. Gebe ich es nicht der Welt, so erstarrt sie umso mehr im maschinellen Tode, in der automatischen Lebensimitiation. Ohne mein hingegebenes Miterleben der Welt stirbt sie ab – ohne dass darin die Not gewendet wird zum Geist, ohne Notwendigkeit also, nur aus reiner Willkür des sterblichen Erdenmenschen. Diese Willkür ist auch ein Irrtum. Denn der Mensch, der ihm erliegt, ist noch nicht frei geworden von dieser Welt, für diese Welt, und wird mit ihr im selbstgeschaffenen Strudel untergehen.

Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen können, sonst gerät man unter ihre Knechtschaft.“5

Leben in der Liebe zum Handeln, und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen.“6


Aphoristische Ergänzungen zum Thema

I

Der Tod ist not-wendig. Wird er nicht im Leben selbst vollzogen, so zwingt er von außen. Er muss erkannt werden als der Schlüssel zum Leben. Wer sich selbst erstirbt, zum Sterben bringt, wird sich auferstehen sehen. – Die Rede ist nicht vom „Selbstmord“ –

Was ist mein Wille? Welches Wesen spricht da in mir? Wer lebt in all den Ideen, Willensimpulsen, Gefühlen, die mich durchziehen?

Wer ist dann Volk, Familie, Menschheit, Ich? Sie alle leben in mir, durch meine Welt offenbart. Aber ich erkenne sie nur, wenn ich ihre Sprache erlausche.

Jeder Gedanke ist Wesen. Jeder Weltgegenstand spiegelt Wesen. Jeder Stoff ist Geist – in Stoffesform. Treten wir ein in den Chor der Wesen.

Hören wir, was sie sprechen. Hören wir ihr Urteil, in den Ereignissen der Zeit. Lassen wir unser Wünschen fahren – treten wir machtlos, wie wir sind, aber voller Mut und Lebensliebe alldem entgegen, was uns in den Strudel der Zerstörung ziehen will. Christus in uns – der Welt der Teilung gegenüber. Werden wir zum Quell der Heilung.

II

Deutschland kann nichts. Wer sich zum Deutschen macht, kann viel. Wer Michaels Ruf hört, geht ihm entgegen, ohne Furcht, in Liebe zum Menschen.

Dies Hören, dies Schreiten, diese Liebe sind seine Kraft, die er der Zukunft schenken wird.

Zögern wir nicht: wir alle sind Siegfried, wir alle können ihm die Erlösung schenken. Erlösung von schwerer Schuld, von Irrtum und Versagen.

So wird er uns vorangehen auf unserem Weg, zwischen Skylla und Charybdis, aber frei, den Sirenen trotzend, dem Gesang widerstehen. Beide Wege zugleich sind uns gegeben.

––––––––––––––––––––––

Die Welt zeigt außen, was wir innen leben. Nehmen wir die Führung in unsere Hände, jeden Augenblick, den wir leben.

III

Was uns umgibt, ist Wesen, ebenso wie alles, was in uns – in MIR – lebt. Wir sind Geist unter Geistern, und erleben uns doch in einem toten Schattenspiel.

Ja, meine Welt ist meine. Ich bin Wesen. Aus mir geht sie hervor. Aus ihr ging ich hervor – ihrem Wesen. So ist es, und so wird es erst einmal bleiben. Gehe ich mit meiner Welt um – innen und außen – so gehe ich mit mir um. Doch ich verstehe mich nicht, kenne meine Sprache nicht, mit der ich mich anrufe.

So soll ich etwas und kann es nicht. Nein, ich muss es tun und kann es nicht. Ich muss erst wachsen, doch wachse ich erst, wenn ich mir das Wachstum schenke, das ich nicht kenne, von dem ich nicht weiß.

Das ist unmöglich. Und doch: tagtäglich geschieht es. Lerne ich es hinnehmen. Lasse ich mich führen von mir. Nehme ich den Irrtum auf mich, den unvermeidlichen. Durch ihn lasse ich mich wachsen.

Wo der Irrtum stirbt, ersteht die Wahrheit zum Leben. Ich bin der Irrtum.
Sterbe ich, so steigt die Wahrheit auf – aber ohne mich, mein Tun, mein Wollen. Wo ich mir sterbe, lebe ich in der Wahrheit der Welt. Sterbe ich der Welt – die Welt mir – so lebe ich in mir in Wahrheit – aber ich suche die Welt, durch die ich zu mir sprechen kann.

Dass nicht ich, sondern andere die Welt in mir sprechen lassen, ist Lüge. In mir lebt der Gott, der Tropfen göttlichen Seins, der Herr ist allen Schicksals, der Sprache des Karma mächtig. Ich bin es selbst. Immer. Bis ans Ende aller Tage.

Das Fremdsein ist Lüge, geboren aus meiner Furcht vor mir selber. Ich bin unteilbar, „Individuum“. Und doch mir selber fremd geworden.

Stefan Carl em Huisken


1Rudolf Steiner: Die okkulte Bewegung im neunzehnten Jahrhundert und ihre Beziehung zur Weltkultur. GA 254. – Dornach, 1986, S. 187

2selbst für die ganze Erde geht die Geologie spätestens seit Eduard Süß (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Suess) davon aus, dass die Erde sich in einem allmählichen Ab­sterbeprozess befindet. Vgl. dazu von Rudolf Steiner z.B. der Vortrag vom 7. Mai 1923 in Rudolf Steiner: Die menschliche Seele in ihrem Zusammenhang mit göttlich-geistigen Individualitäten. Die Verinnerlichung der Jahresfeste. GA 224. – Dornach, 1992, S. 144ff

3vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Transhumanismus und https://emhuisken.de/den-menschen-ueberwinden-transhumanismus-und-geist-erkenntnis/

4Rudolf Steiner: Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis. GA 177. – dornach, 1999, S. 17

5Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit. GA 4. Dornach, 1973, S. 271)

6ebd., S. 166


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Cover Wahnsinn und Denken Umdenken Weltuntergang

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Was tun in der anthroposophischen Gesellschaft?

Vorbemerkung

Aufgrund meiner Stellungnahme zur Frage der Mitgliedschaft in der anthroposophischen Gesellschaft1 ergab sich die weiterführende Fragestellung, wie es nun möglich sein könnte, aus einer solchen Perspektive Schritte in die Zukunft auszumachen. Da scheint es mir angebracht, vorab wieder einmal auf eine der wichtigsten Handreichungen Rudolf Steiners zu Fragen der Zukunftsgestaltung im sozialen Feld hinzuweisen:

„Die Aufgaben, welche das soziale Leben der Gegenwart stellt, muß derjenige verkennen, der an sie mit dem Gedanken an irgendeine Utopie herantritt. Man kann aus gewissen Anschauungen und Empfindungen den Glauben haben, diese oder jene Einrichtungen, die man sich in seinen Ideen zurechtgelegt hat, müsse die Menschen beglücken; dieser Glaube kann überwältigende Überzeugungskraft annehmen; an dem, was gegenwärtig die «soziale Frage» bedeutet,
kann man doch völlig vorbeireden, wenn man einen solchen Glauben geltend machen will.“2

In den darauf folgenden Sätzen Rudolf Steiners, ja eigentlich im gesamten folgenden Buch geschieht nichts anderes, als diese Einleitungssätze immer weiter auszuführen und bis ins Einzelne hinein zu konkretisieren.

In meinem nun folgenden Versuch, einige Gedanken zu Schritten zu formulieren, die in der anthroposophischen Gesellschaft3 in die Zukunft hinein gegangen werden könnten, bemühe ich mich, diese Sätze Rudolf Steiners zu beherzigen. Angesichts meiner mangelnden Fertigkeit, jeden der Sätze mit umfangreichen Zitaten zu belegen, bin ich genötigt, meine Darstellung gleichsam „mehr aus dem einförmigen Umgang mit mir selbst als aus einer reichen Welterfahrung geschöpft oder durch Lektüre erworben“4 auf mein eigenes Denken zu stützen.

„Dreigliederung des sozialen Organismus“

Allzuleicht rutscht der strebende Mensch bei diesem Ausdruck in eine letztlich doch wieder utopistische Denkweise hinein, indem er versucht, Rudolf Steiners Ausführungen darüber irgendwie handlungsleitende Zielsetzungen und Konzeptionen zu entnehmen, durch die diese „Dreigliederung“ in der Welt geltend gemacht werden kann.

Aus meiner Sicht schildert Steiner nirgends derartige Zielsetzungen. Er beschreibt die vorhandene Dreigliederung in Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben der Menschen. Die Menschen lassen sich aber von überholten, angelernten Einheitsvorstellungen vom sogenannten „Sozialen“ bestimmen, wodurch die vorhandene, zugrundeliegende Dreigliederung nicht ins Bewusstsein kommt, und in der Folge immer mehr Unordnung und damit Krankheitserscheinungen von den Menschen in den sozialen Organismus hineingebracht werden. Die Dreigliederung ist also da, aber mangels Bewusstsein davon entsprechen die Handlungen der Menschen ihr nicht.

Wir sehen ja derzeit nur allzu deutlich, wie überall das Gegenteil des Nötigen geschieht, wenn zum Beispiel Verbrüderungen in ideologischen Zirkeln welcher Art auch immer im Verbund mit wirtschaftlicher Konkurrenz sich des äußeren Rechtes bedienen (dieses auch bestimmen), um die ihnen genehme Weltgestaltung allen anderen Menschen aufzuzwingen. Das hat ein einheitliches Zentrum in dem rein auf das Irdische und dessen abstrakt-ideologische Nutzung für das eigene Wohlergehen gerichtetenDenken, Fühlen und Wollen der heutigen Alltags-Egoisten – wozu wir uns wohl alle in gewissem Sinne zählen dürfen.

Aber das sind eben die Krankheitserscheinungen, die nur überwindbar werden, wenn sie als solche erkannt werden, und diese Erkenntnis sich im Bewusstseinsleben der Menschheit auch ausdrücken kann. Daran mitzuwirken, ist Aufgabe der anthroposophischen Gesellschaft – nicht irgendeiner äußeren Organisation (eines „Vereines“) also, sondern des Zusammenwirkens derjenigen Individualitäten, die sich darin zu einander gesellen. Dies kann nur gelingen, wenn dabei die vorhandene Dreigliederung des sozialen Organismus berücksichtigt wird.

Was kann das konkret heißen? Nichts anderes ist doch damit intendiert als ein Schritt zur Befreiung des Geisteslebens, welches konkret das lebendige Zusammenwirken geistiger Wesen (verkörpert oder nicht, vielleicht sogar menschlich oder nicht) im Sinne der freien Entfaltung der geistigen Tätigkeit all dieser Wesen ist. Wo mehrere Einzelne sich – frei! – in den Dienst anthroposophischer Geisteswissenschaft stellen, ist Aussicht auf einen Beitrag zur Gesundung des Ganzen. Denn es ist ja unabweisbar: wenn die Erkrankung des Ganzen nicht zunächst als solche erkannt wird, ist keine Aussicht auf Besserung.

Anthroposophische Gesellschaft

Der Zusammenschluss anthroposophisch Strebender in der anthroposophischen Gesellschaft ist insofern ein Glied des Geisteslebens, indem er in dem Zusammenwirken von Geistwesen welcher Art auch immer zum Zwecke der Pflege anthroposophischer Geisteswissenschaft besteht. Als solcher ist dieser Zusammenschluss Ergebnis des Zusammenfließens der konkreten Willensimpulse der Beteiligten, und also nur solange und in dem Maße überhaupt vorhanden, wie die beteiligten Wesen ihn vorantreiben und ihm ihre individuellen Kräfte zur Verfügung stellen. Jede andere Handhabung würde aus dem lebendigen Zusammenwirken der Geister eine vom äußeren irdischen Dasein bestimmte Art von „Maschine“ machen. Der Geist kann sich eben nur da geltend machen, wo er in der Freiheit leben kann. Das schließt allerdings immer auch die Möglichkeit des Scheiterns, des Absterbens und Neuerstehens ein. Der Tod gehört zum Leben, kein Leben ohne Tod. Zum Geistesleben gehört in diesem Sinne also auch das Absterben des lebendigen geistigen Impulses in das Äußere hinein.

Will ein solcher Zusammenschluss im irdischen Leben der Welt und der Menschen wirksam werden, indem er darin als Ausdruck seines Zweckes auftritt, so benötigt er selbstverständlich dafür Formen, die sowohl das äußere Zusammenwirken der Beteiligten beschreiben (Recht) als auch die irdischen Bedürfnisse der Beteiligten befriedigen (Wirtschaft). Nur müssen diese „Nebentätigkeiten“, die durch den Willen der Gesellschafter zum gemeinsamen Wirken erforderlich werden, aber jederzeit dem Charakter des Ganzen der Gesellschaft dienen, nämlich dem sich entwickelnden Menschengeist. Diese „Nebentätigkeiten“ können daher niemals – wenn sie dem frei gewählten geistigen Ziel der Pflege anthroposophischer Geisteswissenschaft dienen – diesem Ziel hinderlich werden, wie sehr dies auch äußerlich so scheinen mag.

Werden solche Tätigkeiten scheinbar hinderlich, so sind sie nicht weiter als Tätigkeiten der freien Geistgemeinschaft anzusehen, sondern sind offensichtlich „in andere Hände“ übergegangen. Dass sie selbst dann aber noch – indem sie äußerlich gesehen zerstörerisch wirken – ihrem ursprünglichen Ziel dienen können, erhellt sich aus der Tatsache, dass sie dadurch gerade zur Weiterentwicklung der Erkenntnis innerhalb der Geist-Gemeinschaft beitragen können; jedenfalls gilt dies dann, wenn die Geist-Gemeinschaft den Erkenntniswillen und die Erkenntniskraft aufbringt, dieses „Fremde“ in sich aufzulösen. Man kann an diesen „aus der Art geschlagenen“ Tätigkeiten eben lernen, wie der Geist nicht wirkt. Es ist hinzunehmen, wenn das eigene Tun sich im Werk verfestigt und abstirbt.

Wer möchte, kann in diesem Zusammenhang durchaus die Okkupation zentraler anthroposophischer Wirkungsstätten zum Beispiel durch Mormonen, Freimaurer, Jesuiten und abstrakte Akademiker wiedererkennen. So wirkt der ursprüngliche – freie – Zusammenschluss der Geistindividualitäten eben nicht mehr; dieser sucht sich dann andere Wirkungsstätten. „Wir betreiben hier aus Freiheit Anthroposophie, früher gemeinsam mit Dornach, nun nach der Okkupation eben ohne Dornach“ hörte ich letztens sinngemäß ein leitendes Mitglied in einem größeren anthroposophischen Kreis sagen.

Wirksam werden

Wirksam wird die anthroposophische Gesellschaft – so betrachtet – eben nicht, indem sie äußere Institute schafft, sondern indem Menschen und Geister frei gemeinsam agieren. Was diese Vielen (oder Wenigen) tun, tritt in der Welt auf in Allem, was diese Gesellschafter im Sinne ihrer Geistgemeinschaft in die Welt stellen so, dass es sich mit dem Tun Anderer verbindet, zu einem gemeinsamen „Werk“ zusammen „wirkt“.

Nun wird ja zumeist davon ausgegangen, dass bei solchem Zusammenwirken mit Anderen eben immer Kompromisse nötig sind. Kompromisse versteht dann Mancher als die Notwendigkeit, seinen „Standpunkt“ eben dem des Anderen anzunähern, also ein Stück weit seine eigenen Gesichtspunkte zu verlassen, ja vielleicht sogar „zu verraten“. Davon kann aber hier keine Rede sein. Ein Zusammenwirken mit Anderen aus Erkenntnis – und darum kann es ja hier nur gehen – schließt die Berücksichtigung von deren geistiger Aufgabe im Rahmen der Menschheitsentwicklung immer mit ein, jedenfalls dann, wenn es wie hier um die anthroposophische Gesellschaft als Akteur geht. Der Entwicklung feindliche Impulse können in diesem Zusammenwirken nur insoweit zur Geltung kommen, als das Bewusstsein für eine klare Erkenntnis der unterschiedlichen Intentionen nicht ausreicht.

Es kann also nur darum gehen, die anthroposophische Erkenntnisart immer weiter zu verstärken, so dass das zunächst Fremde in der Erkenntnis mit dem Eigenen zusammenkommen kann. Dann fließen wiederum Willensimpulse zusammen, aus freiem Antrieb, so dass jede Seite sich und das Ihrige darin wiederfinden kann. Anders ist Frieden heute gar nicht mehr möglich. Es geschieht nur das, was auch gewollt ist – bewusst von den Mitwirkenden aus, oder unbewusst durch sie hindurch.

Ein äußeres Zusammenwirken in der Welt der toten, erstarrten Institutionen erfordert daher umso mehr innere Kraft bei denjenigen, die aus dem Erstarrungstode des vormals lebendigen Geistes neues Leben erstehen lassen wollen; denn alles, was auf diesem Felde äußerlich erschaffen wird, tendiert zu einer toten, maschinellen Dauer, muss darum über kurz oder lang dem Herrn des Todes und der Materie anheimfallen, und also – vergehen. Das kann durchaus so weit gehen, dass das eigene, freie, lebendige Tun aus dem Geiste von den dann erstarrten Institutionen so aufgefasst wird, dass sie dieses Leben aus dem Geist für sich selber als zerstörerisch ansehen müssen, und es daher aufs Schärfste bekämpfen.

Man denke aber dabei an Rudolf Steiners Schilderung der damals noch unausgeführten Statue des Menschheitsrepräsentanten. Die rechte Hand der Menschengestalt weist auf Ahriman, dem diese Geste Anlass ist, sich selber an die Materie zu fesseln. Nicht der Christus tut dies, Ahriman fesselt sich selber. In ähnlicher Weise wird dort auch auf die erhobene linke Hand der Statue hingewiesen, deren Geste dazu führt, dass Luzifer sich die Schwingen bricht und stürzt.5

Wo also das Zerstörungspotential äußerer Institute zum Anlass genommen wird, sie äußerlich zu bekämpfen, ist man schon auf dem Holzweg, ebenso da, wo man sich von ihnen veranlassen lässt, die eigenen Erkenntniswege zu relativieren und damit „faule“ Kompromisse einzugehen. Weder zu bekriegen, noch sich vereinnahmen zu lassen, sondern immer wieder die geistige Freiheit zu erringen, die erst eigenständiges Leben ermöglicht, kann neues Leben in der äußeren Welt zur Wirkung bringen. Dafür kann es notwendig sein, Institutionen auch sterben zu lassen und in den Folgen ihres Vergehens neue Samen zu legen.

Tod und Auferstehung

Der Tod ist im Äußeren immer mit Auflösung verbunden, die im Inneren aber zu einer Verstärkung des Eigenlebens führen kann, immer gerade so weit, wie das Bewusstsein es tragen kann. Dem physischen Tod des Christus und seiner Auferstehung folgte der Tod des gegebenen, „instinktiven“ Geisterlebens der Menschheit, final im Denken im 19. Jahrhundert, und dann die Auferstehung des Geist-Erlebens durch das Wirken Rudolf Steiners im Beginn des 20. Jahrhunderts. Was jetzt im allmählichen Absterben der damals zunächst geschaffenen äußerlichen (rechtlichen und wirtschaftlichen) Lebensformen der anthroposophischen Gesellschaft geschieht, ist insofern eigentlich der „Beweis“, dass der lebendige Geist wirkt. Sonst würden die äußeren „anthroposophischen“ Institutionen weltweit angesehene, für alle Zeiten reibungslos funktionierende Wirkungsstätten sein – Wirkungsstätten desjenigen, was es eben in der wirklichen anthroposophischen Gesellschaft nicht geben kann. Seien wir froh, dass der Tod sich das Seine holt; aber lassen wir uns auch nicht verleiten, selbst Hand anzulegen bei diesem Sterbeprozess (vgl. das oben im Hinblick auf die Statue Gesagte).

Die Auferstehung erfolgt eben so, wie das in diesem Fall allein möglich ist: in den Einzelnen, die sich und ihre persönliche Wirkungsstätte in der Welt – ihre irdische, leibliche Person also – frei in den Dienst der Anthroposophie stellen wollen. In ihrem Zusammenwirken, in ihrem Wirken in den weiteren Verbindungen mit dem Weltgeschehen spricht sich das Leben des Geistes in der Anthroposophie aus. Anthroposophie und anthroposophische Gesellschaft leben eben nicht so in der Welt, dass sich der einzelne Anthroposoph davon tragen lassen kann. Sie leben nur dort und solange die einzelnen Anthroposophen selber sie tragen.

Was kann das konkret bedeuten?

Daraus ergibt sich, dass es äußere Einrichtungen der Zusammenarbeit eben nur dann und nur insoferne geben kann, wie konkrete irdische Projekte verfolgt werden, in denen sich Mitglieder der anthroposophischen Gesellschaft wirkend betätigen. Letztlich ist dies der Grund dafür, dass manche sogenannte „anthroposophische Institution“ sich den Regeln der äußeren Welt völlig angeglichen hat, nachdem die sie tragenden („charismatischen“) Gründergeister sie verlassen haben. Diese Einrichtungen waren dann eben Instrumente, Werkzeuge des durch die Gründer wirkenden Geistes. Und wo keine Nachfolger sich finden, die das Bestehende aus ihrem Geiste aufgreifen und weiterentwickeln wollen und können (frei und individuell), stirbt das Bestehende. Es bleibt also vielleicht schon etwas bestehen, aber das ist dann tot, erstarrt und geistverlassen. Man sollte das nicht als etwas Schlimmes ansehen; der Tod gehört zum Leben. Schließlich hat zum Beispiel die erstarrte katholische Kirche doch auch dafür gesorgt, dass die Überlieferung des Ereignisses von Golgatha erhalten blieb.

Man wird also aus der Perspektive des Geisteslebens äußere Institutionen immer nur als Werkzeuge des Geistes ansehen können, die entstehen, leben und vergehen, aber niemals als in sich selber dauerhaft lebensfähige Systeme. Was so geschaffen wird, macht dann die eigenständige Rechts- und Wirtschaftsorganisation des Geisteslebens aus. Sie ist immer an die Lebenszyklen des Geistes in der Welt gebunden, aus dem sie hervorgegangen ist, das heißt also hier: an die sie tragenden individuell wirkenden Menschen.

Für mich wurde schon vor vielen Jahren klar, dass viele der tradierten „anthroposophischen Institutionen“ – also die äußeren anthroposophischen Vereine, aber auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Verknüpfungen mit anderen Rechts- und Wirtschaftsinstituten in der Welt so, wie sie bestanden und bestehen, auf Dauer nicht lebensfähig sind. Wie man sehen kann, fallen sie ja nach und nach „feindlichen Übernahmen“ anheim oder verfallen, transformieren sich zu „ganz normalen“ Einrichtungen der heutigen Zeit. Inwieweit sich auf den Überresten ehemaligen anthroposophischen Lebens in der Welt Neues errichten lässt, wird sich aus der Kraft und dem Willen derjenigen ergeben, die sich solchen Aufgaben erkennend zuwenden wollen.

Wie das Karma wirkt, haben wir ohne Murren hinzunehmen; was daraus an Neuem entstehen kann, obliegt uns zu gestalten. Es gibt keine äußere Institution „Anthroposophie“, die uns trägt – wir sind sie selber, und sie ist und wird durch uns. Der äußere Niedergang ist bloß die Begleitmusik für das Entstehen neuen geistigen Lebens.

Nachbemerkung

Ja, wie denn nun? – mag der Leser fragen, der bis hierhin durchgehalten hat. Die Frage wird er sich wohl selber zu beantworten haben. Allerdings kann hier noch hingewiesen werden auf eine Ermahnung Rudolf Steiners für den Umgang mit den Einflüssen von Luzifer und Ahriman: der Mensch möge doch dem eigenen Denken gegenüber recht ahrimanisch sein und alles Gedachte erst der harten Prüfung an den Weltgesetzen unterwerfen, dagegen dem ahrimanischen Blendwerk der toten physischen Welt gegenüber doch luziferisch geprägte Liebe zu jeder Einzelheit der eigenen Welt walten lassen, im Versuch, sie zu verstehen.6 So sei man geschützt – so verstehe ich Steiners Ausführungen in diesem Zusammenhang – sowohl vor fantasierendem Irrlichtelieren im Denken wie auch vor Ignoranz und Dilettantismus im Umgang mit der Welt.

Worauf will ich damit hinweisen? Darauf, dass die Beachtung beider Teile dieser Ermahnung erst die Grundlage bildet für ein eingreifendes Wirken in der Welt aus dem Geiste heraus. Wer ahrimanische Institutionen, wie sie in der Welt nun einmal sind, für Aufgaben nutzen will, die sich aus dem Geist der Menschheitsentwicklung ergeben, wird die Gesetze der Welt so gut kennen müssen, dass er sie auch beherrschen kann. Wer seine Ideen, durch die er sich im Geiste finden will, vor dem Abgleiten in Wunschdenken beschützen will, wird sie an den Tatsachen des irdischen Lebens überprüfen und den Ausgang dieser Prüfung dann gelassen hinnehmen müssen.

In beiden Richtungen ist wohl in der Vergangenheit in der anthroposophischen Bewegung mancherlei versündigt worden; Kompetenz auf dem Felde der übernommen Aufgaben – ganz im traditionellen Sinne – und fester, wacher Tatsachenbezug in der Entwicklung des eigenen Denkens sind erforderlich. Wo beides (oder eines von beiden) nicht genügend vorliegt, wenn Institutionen aus dem Geist heraus in die Wirksamkeit in der Welt treten wollen, kann man vorhersehbar zumeist menschliche und wirtschaftliche Katastrophen erleben. Leidvolle Erfahrungen dieser Art liegen wohl für jeden genügend vor, auch im Rahmen der anthroposophischen Gesellschaft.

Was insbesondere den Umgang mit den ahrimanisch geprägten Einrichtungen der heutigen Welt betrifft, kann gar nicht genug darauf hingewiesen werden, dass weder der Verzicht auf die Klarheit äußerer Festlegung („das brauchen wir jetzt nicht festzulegen, das findet sich dann ganz lebendig“, oder „solche Festlegungen ignorieren wir einfach, sie sind nicht geistgemäß“) noch das Abwürgen jeder Lebensregung durch Vorschriften bis ins Kleinste (das kennen wir doch aus den letzten zwei Jahren zur Genüge) irgendwie weiterführt. Man muss Ahriman in seinem Wirken verstehen, ihn also im Detail kennenlernen, dann verliert er seine Kraft.

In besonderer Weise drückt dies ein Gedicht von Helmut Siegfried Unbehoven aus, das ich daher hier ergänzend anfügen möchte7:

Fürchte einzig des Dämons Lächeln,
Des Verfälschers tröstliche Glätte,
Des Lügners einleuchtende Wahrheiten,
Des Mörders Lebensklugheit,
Des Verräters daseinsbezwingende List,
Des Verleumders exakte Wissenschaft.

Fürchte nur des Dämons
Uralt unerkannte Gottähnlichkeit,
Die strahlende Maske,
Vielen tödlich.

Und fürchte ihn nicht!
Blick ihm ruhig ins trauernde Antlitz:
Von kalten Blitzen entzündet,
Gefurcht von Verachtung der Feigen,
Von Haß zerstört gegen
Einen ihm schweigenden Gott –
Blick ihm ruhig ins versteinerte Aug,
Immer steht er neben Dir.

Nicht schenkte ein Gott Dir sein Blut,
Daß in Furcht du erstarrst,
Leuchte dem Dämon zu späterer Erlösung,
Da er trug auch Dich,
Als Du ihm ähnlich warst.
Nun hilf ihm.

© Stefan Carl em Huisken 2022

1vgl. https://emhuisken.de/wordpress/2022/06/wer-ist-mitglied-der-allgemeinen-anthroposophischen-gesellschaft-eine-stellungnahme/, auch in: Ein Nachrichtenblatt 14/2022, S. 14f

2Steiner, Rudolf: Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft. – Stuttgart, 1920. S. 5

3Mit dem Ausdruck „anthroposophische Gesellschaft“ bezeichne ich hier ausschließlich den freien geistigen Zusammenschluss von Individualitäten (verkörpert oder nicht) zum Zwecke der Pflege der Anthroposophie. Nach Rudolf Steiners Worten sollte ja die anthroposophische Gesellschaft allem Vereinsmäßigen, d.h. also allem äußerlich Institutionellen ferne sein.

4vgl. Schiller, Friedrich von: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. In ders.: Schriften. Schillers Werke, Bd. 4. – Frankfurt a.M., 1966, S. 193

5vgl. Steiner, Rudolf: Das Geheimnis des Todes. GA 159. – Dornach, 1980. S. 248f. Die Textstelle ist auch wiedergegeben in DIE LAHNUNG – Mitteilungen für individuelle Entwicklung und Lebenskunde, Nr. 7, Januar 2022, wo die hier besprochene Frage der Bildung von Geist-Gemeinschaften von anderen Gesichtspunkten aus ebenfalls erörtert wird.

6vgl. dazu Steiner, Rudolf: Die geistigen Hintergründe der sozialen Frage. – Dornach, 1989. 12. Vortrag, S. 211ff, dort auch viele weitere Hinweise zur Vertiefung der in diesem Artikel angeschnittenen Fragen.

7Das Gedicht kam zu mir durch Freunde, die einige Zeit lang mit Helmut Siegfried Unbehoven zusammengearbeitet haben. Unbehoven ist inzwischen verstorben. Trotz intensiver Bemühungen konnte kein Rechteinhaber ausfindig gemacht werden. Sollte also ein Leser Rechte an diesem Text haben und nachweisen können, bitte ich um Kontaktaufnahme mit mir über Email info@emhuisken.de.


Cover Wahnsinn und Denken anthroposophische Gesellschaft

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Freie Geistgemeinschaft oder äußere Institution?

Ergänzende Anmerkung zu meiner Stellungnahme

In ENB1 14/2022, S. 14f wurde eine Stellungnahme von mir zur Frage der Mitgliedschaft in der anthroposophischen Gesellschaft veröffentlicht2. Der abschließende Absatz führte zu Nachfragen. Ich schrieb damals:

„Nur der Vollständigkeit halber sei zum Abschluss darauf hingewiesen, dass Rudolf Steiner vielfältig und immer wieder darauf aufmerksam machte, dass geistige Initiativen, wenn sie zu irdischen Institutionen werden, verkannt werden und sich in ihr Gegenteil verkehren müssen. Beides gut voneinander zu unterscheiden, und die äußere Institution, wenn sie ihrem Zweck nicht mehr angemessen dient, aufzugeben oder wenn möglich gänzlich neu zu fassen scheint für manche Menschen schwer oder gar nicht denkbar. Notwendig könnte es trotzdem sein.“

Insbesondere wurde nach einer Quelle für die entsprechenden Hinweise Rudolf Steiners gefragt. Dazu möchte ich feststellen, dass ich meine, sicher zu wissen, dass es eine Aussage Rudolf Steiners gibt, die den im ersten Satz des Abschnitts umrissenen Sachverhalt klar zum Ausdruck bringt, ich diese nach meiner Erinnerung fast wörtlich so formulierte Aussage aber derzeit nicht belegen kann3.

Das ändert meiner Ansicht nach aber nichts an der Aussage selbst, und auch nicht daran, dass sie ganz offensichtlich mit den geistigen Tatsachen zusammenstimmt, von denen Rudolf Steiner bei diesem Thema immer wieder sprach. In diesem Sinne stehe ich zu meiner Aussage; sollte ich das Zitat wiederfinden, werde ich es unmittelbar zur Verfügung stellen. Die Aussage selbst möchte ich aber im Folgenden ein wenig illustrieren. Möglicherweise wirft das auch ein zusätzliches Licht auf die in ENB 15/2022 mitgeteilte4 und in ENB 16/2022 anfänglich diskutierte5 Aussage Rudolf Steiners zur Dreigliederung.

Geistesleben

„In dem einen der drei Glieder des sozialen Organismus strebt diese Idee [von der Dreigliederung des sozialen Organismus]6ein Zusammenwirken von Menschen an, das ganz auf den freien Verkehr und die freie Vergesellschaftung von Individualität zu Individualität begründet ist. In keine vorbestimmte Einrichtung werden da die Individualitäten hineingezwängt.“7

Nimmt man diese Aussage ernst, so kann es keine äußerlichen Institutionen geben, die diesen freien Verkehr erst ermöglichen, denn sie würden durch ihre äußeren (rechtlichen und/oder wirtschaftlichen) Setzungen gerade etwas „vorbestimmen“. Eine Befreiung des Geisteslebens kann daher niemals irgendwie von außen erfolgen, sondern ist nur als eine Selbstbefreiung aus dem Geiste heraus denkbar. Die sinnvolle Regulierung aller anderen Bereiche geht ja gerade vom Geistesleben aus. Äußere Institutionen, die dem Geistesleben dienen sollen, können also allenfalls verwalten, was vom Geistesleben ausgeht, und dies auch nur in Sinne einer Selbstverwaltung.

Eine solche Auffassung geht von der Tatsache aus, dass es sich bei der Dreigliederung um eine Idee handelt, die existierende Verhältnisse beschreibt (analog der Dreigliederung des menschlichen Organismus), aber nur gesund wirken kann, wenn sie im menschlichen Bewusstsein erfasst und geltend gemacht wird. Dann ist sie geistige Tatsache und keine Utopie8.

Institutionen

„Was hinzukommen muß, ist die lebendige Anschauung, die für dieses Erdenleben auch mit dem Tod rechnet, die sich bewußt wird: Wir machen in der Gegenwart Institutionen, die notwendigerweise auch untergehen müssen, weil sie schon das Todesprinzip in sich tragen, die gar nicht wollen einen ewigen Bestand haben, die gar nicht daran denken, etwas Bleibendes zu sein. Wodurch kann denn aber so etwas realisiert werden ? (…) wenn man erkennen wird: Wir leben im Reich der Phrase, unter dem das bloße Wirtschaftsleben, der bloße wirtschaftliche Imperialismus glimmt –, dann wird man rufen nach dem Geiste, der unsichtbar, aber in der Wirklichkeit waltet.“9

„Die «soziale Frage» (…) wird für jeden Augenblick der weltgeschichtlichen Entwickelung neu gelöst werden müssen. Denn das Menschenleben ist mit der neuesten Zeit in einen Zustand eingetreten, der aus dem sozial Eingerichteten immer wieder das Antisoziale hervorgehen läßt. Dieses muß stets neu bewältigt werden. Wie ein Organismus einige Zeit nach der Sättigung immer wieder in den Zustand des Hungers eintritt, so der soziale Organismus aus einer Ordnung der Verhältnisse in die Unordnung. Eine Universal­arznei zur Ordnung der sozialen Verhältnisse gibt es so wenig wie ein Nahrungsmittel, das für alle Zeiten sättigt. Aber die Menschen können in solche Gemeinschaften eintreten, daß durch ihr lebendiges Zusammenwirken dem Dasein immer wieder die Richtung zum Sozialen gegeben wird.10

Ich lese daraus: die (ja unbezweifelbar äußere) Institution AAG hat möglicherweise das Ende ihres Lebenszyklus erreicht, weil sie verkannt wird, für mehr gehalten wird als für ein vorübergehendes Verwaltungsinstrument, sich darum vom Sozialen ins Antisoziale verkehrt und damit den ursprünglichen Geistimpuls der Anthroposophie dem Reiche Ahrimans (der äußeren Welt also) öffnet.

Die Rache der Geister

„Der irrigste Glaube, den jemals die Menschheit hat hegen können, das ist der – wenn ich mich trivial ausdrücken darf –, daß die Geister es sich gefallen lassen, ignoriert zu werden. Fassen Sie es meinetwillen auf als einen Egoismus, als eine Selbstsucht der Geister, aber in der geistigen Welt gilt eine andere Terminologie als hier in der sinnlich-physischen Welt. Also fassen Sie es meinetwillen auf als einen Egoismus der Geister, aber die Geister rächen sich, wenn sie ignoriert werden hier. Es ist ein Gesetz, es ist eine eherne Notwendigkeit: Die Geister rächen sich. Und unter den mancherlei Charakteristiken, die man geben kann für die Gegenwart, ist auch diese richtig, daß man sagen kann: Die Rache der Geister dafür, daß man sie so lange ignoriert hat, das ist das gegenwärtige Menschheitschaos. (…) Es ist ein geheimnisvoller Zusammenhang zwischen dem, was menschliches Bewußtsein ist, und den zerstörerischen Kräften des Weltenalls, gerade den Untergangskräften des Weltenalls. (…) er besteht so, daß das eine als Ersatz für das andere auf der einen Seite dienen kann oder auf der andern Seite dienen muß …“11

Sollte eine solche Aussage nicht auch für die Anthroposophie und die anthroposophische Gesellschaft gelten? Von verschiedenen Seiten ist dargelegt worden, wie vielleicht eine Notwendigkeit sich darin ausspricht, dass die äußere Institution AAG vielfach nicht (mehr) dem eigentlichen Geist der anthroposophischen Gesellschaft (der Gesellschaft von freien Individuen, die sich geistig einander zugesellen) zu entsprechen scheint12. Wenn etwas diskutiert werden muss, ist es ja keine unmittelbar erfahrene Wahrheit mehr. Solche Wahrheit aus dem individuellen Wollen der beteiligten Geist- und Menschenwesen neu zu fassen, wäre dann eine aktuelle Aufgabe der anthroposophischen Gesellschaft, wiederum verstanden als freier Zusammenschluss von mit der Anthroposophie arbeitenden Individualitäten13.


1Ein Nachrichtenblatt, Näheres unter https://einnachrichtenblatt.org

2Auf dieser Website hier zu finden: Wer ist Mitglied der anthroposophischen Gesellschaft?

3trotzdem ich über Wochen immer wieder intensiv nach dem Zitat gesucht habe

4vgl. ENB 15/2022, S. 10: „Die Dreigliederung war an eine kurze Zeit gebunden“

5vgl. ENB 16/2022, S. 1-9

6sinngemäß ergänzt SCeH

7Steiner, Rudolf: Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915-1921. GA 24. – Dornach, 1961, S. 70

8vgl. dazu die Vorrede und Einleitung zum 41. bis 80. Tausend dieser Schrift in Steiner, Rudolf: Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft. – Stuttgart, 1920, S. 5 ff

9Steiner, Rudolf: Geistige und soziale Wandlungen in der Menschheitsentwickelung. Dornach, 1992, S.285

10Steiner, Rudolf, wie Anm. 8, S. 10, Hervorhebung SceH

11Steiner, Rudolf: Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis. – Dornach, 1999, S. 16f

12vgl. z.B. Barkhoff, Martin: Kulmination, Grab und goldene Zeit der Anthroposophie. Voraussagen Rudolf Steiners werden Wirklichkeit. Manuskriptdruck Kooperative Dürnau, 2019; Delor, Andreas: Das Ereignis Rudolf Steiner im Lebenswerk von Sigurd Böhm und Judith von Halle – Borchen, 2018, v.a. Kapitel 6 „Rudolf Steiners Wiederkehr“

13Ergänzend kann in diesem Zusammenhang hingewiesen werden auf Rudolf Steiners Darstellungen zu dem notwendigen Zerstörungsherd, den der Mensch in sich trägt, und seinem Verhältnis zur Außenwelt in GA 207, sowie von mir: „Individuelle Entwicklung: von der Drei zur Vier“, in: DIE LAHNUNG – Mitteilungen für individuelle Entwicklung und Lebenskunde, Nr. 8 – Juni 2022, S. 3ff


Cover Wahnsinn und Denken anthroposophische Gesellschaft

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Wer ist Mitglied der allgemeinen anthroposophischen Gesellschaft? – Eine Stellungnahme

Vorbemerkung: Für manchen Leser, der mit Fragen der anthroposophischen Gesellschaftsbildung nicht oder wenig vertraut ist, mögen die folgenden Ausführungen seltsam, überflüssig oder unverständlich klingen. In diesem Fall ist es das Einfachste, nicht weiter zu lesen. Falls aber doch Fragen entstehen, kann man sich gerne an mich wenden.

Das Nachdenken über die Existenz oder Nichtexistenz der allgemeinen anthroposophischen Gesellschaft, die zu Weihnachten 1923/24 in Dornach unter der Leitung von Rudolf Steiner begründet wurde, zieht sich ja durch die Jahrzehnte seit diesem Gründungsakt. Daran knüpft sich auch die Frage nach der Mitgliedschaft in dieser Gesellschaft. Der Versuch, diese Fragen nach der heutzutage üblichen Methode der Interpretation vergangener Prozesse anhand von Zeugenaussagen und vorhandenen Dokumenten zu entscheiden, hat vor allem zu Einem geführt: einer Vielzahl möglicher Standpunkte, die mehr oder weniger – meist weniger bis überhaupt nicht – vereinbar erscheinen und sich teilweise heftig bekämpfen.

Meine eigenen Überlegungen und Erfahrungen dazu mögen ja vielleicht für den Einen oder Anderen von Interesse sein, weswegen ich hier eine Art Essenz davon referiere. Dabei muss ich auch einiges Persönliche mitteilen; ich tue dies nur, um daran aufzuzeigen, wie sich die zugrunde liegenden geistigen Verhältnisse gleichsam symptomatisch im Leben aussprechen können.

Mitte der 1970er Jahre mit der Anthroposophie in Berührung gekommen, war ich sofort unheilbar infiziert; die Anthroposophie ist seitdem untrennbares, prägendes Glied meines Lebens. Durch Andreas Delor zur Anthroposophie gebracht, begegnete ich bald eindrucksvollen Persönlichkeiten wie Gerhard Kienle, Heinz und Christel Frankfurt, Christof Lindenau, und dann auch – wiederum durch Andreas Delor vermittelt – Sigurd Böhm, dessen kompromissloses Denken mich zu den eigenen Wurzeln rief, was dann letztlich auch dazu führte, dass ich wieder aus seinem Umkreis entfernt wurde.

Sobald ich von der Weihnachtstagung 1923/24 erfahren hatte, betrachtete ich mich wie selbstverständlich mit denjenigen Menschen geistig verbunden, die daran teilnehmend damals den „Grundstock“ der anthroposophischen Gesellschaft gebildet hatten. In den Schicksalsfügungen, die mich immer tiefer in die Anthroposophie leiteten, sah ich einen Ausdruck des „Willkommensgrußes“ in ihrem Kreis. Dieser „Grundstock“ und die freie Zuordnung des Individuums zu ihm ist für mich eine geistige Tatsache, die unauslöschlich Bestand hat.

Der äußeren Institution – den entsprechenden Vereinen in der Schweiz und in Deutschland – stehe ich sehr distanziert gegenüber. Ich sehe sie als vergängliche Zeiterscheinungen, die mit der geistigen Realität zu einem großen Teil nicht übereinstimmen.

Die Begegnung mit Bernd Lampe führte zu dem Wunsch, an den von ihm geleiteten Hochschulstunden teilzunehmen. Dies war aus den Verhältnissen der Zeit heraus (1990er Jahre) nur möglich durch eine Beitrittserklärung zur Anthroposophischen Gesellschaft und in der Nachfolge durch Aufnahme in die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft auf entsprechenden Antrag.

Weder auf der rosa noch auf der blauen Karte steht irgendein Hinweis auf den Charakter der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft oder der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland als Verein, d.h. einer äußeren Institution, die der jeweils am Ort gültigen Rechtsordnung unterworfen ist. Auch die damals verwendeten Beitrittsformulare enthielten solche Hinweise nicht. Inwiefern stillschweigendes Einvernehmen zum Beitritt in solche Vereine von irgendwem vorausgesetzt wurde, vermag ich nicht zu sagen. Mein Einverständnis zu einem entsprechenden Vereinsbeitritt habe ich jedenfalls niemals gegeben.

In der Folge habe ich nach meinen Möglichkeiten Beiträge an den für mich relevanten Zweig Friesland geleistet; diese Beiträge waren von mir so gewollt und bedurften keiner Mitglieds- oder Finanzordnung irgendeines Vereines.

Das gesamte Szenario von Fragen um die Mitgliedschaft begann zu brodeln, als Anfang der 2000er Jahre finanzielle Unregelmäßigkeiten im Verein der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland auftauchten. In der Folge suchte und fand ich Möglichkeiten, Beiträge auch wirtschaftlicher Art zu demjenigen zu leisten, was mir als der geistige Sinn der anthroposophischen Arbeit in der Gesellschaft vorschwebte.

In einem Briefwechsel mit verschiedenen Personen im Arbeitszentrum Nord, in der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland und im Vorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach wurden dann einige Feststellungen getätigt, die von niemandem ausdrücklich bestritten wurden:

  • Ich bin Mitglied der am 28. Dezember 1923 begründeten Anthroposophischen Gesellschaft und auf dieser Grundlage Mitglied der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft.
  • Ich bin niemals Mitglied eines anthroposophischen Vereines – weder im ehemaligen Bauverein (heute AAG e.V. in der Schweiz) noch im Großverein AGiD e.V. in Stuttgart geworden. Insofern konnte ich auch dort nicht austreten, und satzungsgemäße Rechte und Pflichten dieser Vereine betrafen und betreffen mich nicht.

Bemerkenswert ist, dass in vielen der Schreiben immer wieder die Frage der finanziellen Mitgliedsbeiträge in den Vordergrund gerückt wurde. Ist die Mitgliedschaft in der Anthroposophischen Gesellschaft für die Verfasser solcher Schreiben vorrangig eine Frage finanzieller Art? Dieser Eindruck konnte dabei entstehen.

Die Mitgliedschaft in der anthroposophischen Gesellschaft, die ja nach Rudolf Steiners Worten nichts mit Vereinsmäßigem zu tun habe, entsteht also durch den freien Zusammenschluss von Individuen, dessen Vollzug äußerlich durch eine Mitgliedskarte dokumentiert ist. Ein Ausscheiden kann daher ebenso nur im Einvernehmen erfolgen, weswegen die ursprünglichen Statuten auch keinen Ausschlußparagrafen enthielten. Bei einem äußeren Verein, dessen Interessen als irdisches Rechtsinstitut ja über den Interessen des einzelnen Mitgliedes rangieren können, ist ein solcher Ausschluss möglich.

Bezüglich eines Ausschlusses aus der Freien Hochschule muss die Frage aufgeworfen werden, welche der jeweils am Goetheanum tätigen Personen sich als fähig und berechtigt ansehen konnte bzw. kann, einen solchen Schritt als Massnahme der Leitung der Hochschule wirksam zu vollziehen. Soweit ich weiß, hat Rudolf Steiner vor seinem Hingang keinen Nachfolger benannt. Wer kann also hier in seinem Sinne handeln?

Die Begründung der anthroposophischen Gesellschaft durch den „Grundstock“ zu Weihnachten 1923/24 ist also eine geistige Tatsache, die nicht ausgelöscht werden kann. Die nachträgliche Zuordnung eines individuellen Menschen zu diesem „Grundstock“ (einschließlich derjenigen, die ihm nachträglich angewachsen sind) ist eine Frage des freien Individuums an diesen „Grundstock“; eine lebenswirksame Antwort kann der heutigen Situation entsprechend (viele der ursprünglichen Mitglieder des „Grundstockes“ haben ihr irdisches Leben bereits beendet) nur auf dem Wege von Schicksalsfügungen im Leben des fragenden Menschen gegeben werden. Einzelne oder mehrere Vertreter irgendeines Vereines können wohl Mitwirkende in solchen Schicksalsfügungen sein (z.B. Unterschriften auf Mitgliedskarten leisten), niemals aber ohne das Einverständnis des Betroffenen, allein aus ihren Gesichtspunkten heraus, die Ergebnisse solcher Fügungen für ungültig erklären.

Kurzum, mir scheint in der gesamten Diskussion um diese Fragen oftmals die Unterscheidung zwischen geistigen Tatsachen, die aufgrund wirksam vollzogener Handlungen entstanden sind, und äußeren Verwaltungsakten, die doch – wenn sie als voll berechtigt gelten wollen – immer nur Ausdruck geistiger Realitäten sein können, nicht klar genug zu Bewusstsein gebracht zu werden.

Nur der Vollständigkeit halber sei zum Abschluss darauf hingewiesen, dass Rudolf Steiner vielfältig und immer wieder darauf aufmerksam machte, dass geistige Initiativen, wenn sie zu irdischen Institutionen werden, verkannt werden und sich in ihr Gegenteil verkehren müssen. Beides gut voneinander zu unterscheiden, und die äußere Institution, wenn sie ihrem Zweck nicht mehr angemessen dient, aufzugeben oder wenn möglich gänzlich neu zu fassen scheint für manche Menschen schwer oder gar nicht denkbar. Notwendig könnte es trotzdem sein.

© Stefan Carl em Huisken 2022


Wahnsinn und Denken MItglied der anthroposophischen Gesellschaft

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart habe ich dargestellt in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




DIE LAHNUNG – Mitteilungen für individuelle Entwicklung und Lebenskunde

Seit dem Jahr 2020 gebe ich DIE LAHNUNG – Mitteilungen für individuelle Entwicklung und Lebenskunde heraus. Dieses Mitteilungsblatt war ursprünglich für einen kleinen Kreis von Menschen gedacht, die mit der anthroposophischen Geisteswissenschaft und mit mir persönlich auf die eine oder andere Weise verbunden sind. Das Projekt fand Anklang, und es schreiben inzwischen auch unterschiedliche Menschen Beiträge darin. Geplant sind derzeit drei Ausgaben pro Jahr. Bei Interesse kann man sich bei mir melden; das Abonnement kostet 21 €/Jahr für drei Ausgaben. Ermäßigung ist nach individueller Absprache möglich.

Zur Deckung der Kosten für dieses Projekt sind finanzielle Beiträge erwünscht; finanzielle Unterstützung ermöglicht ja ganz allgemein die Fortführung und möglicherweise Erweiterung meiner Arbeit. Siehe => Unterstützung.

Auf dieser Seite können die Inhaltsverzeichnisse der bisher erschienenen Ausgaben eingesehen und heruntergeladen werden. Soweit noch vorhanden, können auf Anfrage auch Exemplare der bisherigen Ausgaben bezogen werden (Einzelpreis 7€ + Versandkosten 2,95€).

Außerdem gibt es hin und wieder Sonderhefte zu besonderen Themen. Diese finden Sie in meinem kleinen Internet-Shop unter „Druckerzeugnisse“, also =>hier.

Hier die Inhaltsverzeichnisse:

Ausgabe 1 – Februar 2020

Ausgabe 2 – Mai 2020

Ausgabe 3 – Oktober 2020

Ausgabe 4 – Januar 2021

Ausgabe 5 – Mai 2021

Ausgabe 6 – September 2021

Ausgabe 7 – Januar 2022

Ausgabe 8 – Juni 2022

Ausgabe 9 – Oktober 2022

Ausgabe 10 – Januar 2023

Ausgabe 11 – Mai 2023

Ausgabe 12 – September 2023




Wahnsinn und Denken – Der Kampf geht weiter

Buch Wahnsinn und Denken der Kampf um den Menschen

„Wahnsinn und Denken – Der Kampf um den Menschen“ ist ja der Titel meines neuen Buches, das ab sofort lieferbar ist. Manch einer mag ja glauben, dass dieser Kampf demnächst mit dem Ende der Corona-Pandemie entschieden wäre – weit gefehlt. Er fängt gerade erst an, und entschieden ist gar nichts, schon gar nicht mit irgendwelchen einlullenden Nachrichten über „Lockerungen“, „Erleichterungen“ oder Ähnliches.

Bisher ist nämlich das eigentliche Thema, um das die Auseinandersetzung geht, noch gar nicht richtig im Bewusstsein angekommen. Es ist auch zu befürchten, dass es noch eine Weile dauert, bis bemerkt wird, dass alles Bisherige, und auch die kommenden Angriffe auf die Menschlichkeit, die unter Stichworten wie „Klimaschutz“, „weltweite Solidarität mit den Schwachen“, oder vielleicht auch „Endkampf gegen den bösen russischen Totalitarismus“ oder dergleichen vonstatten gehen werden, solange nur zu weiteren Zerstörungen an Mensch und Erde führen können, wie die grundsätzlichen Denkfehler, die die eigentliche, schon lange grassierende „Pandemie“ ausmachen, nicht erkannt und entschlossen angegangen werden.

Dass es zukünftig vielleicht ein paar wenige Menschen mehr geben kann, die die wirkliche Bedeutung dieser schweren Entscheidungszeit ahnen, dazu möchte dieses Buch beitragen. Es ist alles Andere als eine spektakuläre Räuberpistole, die man sich bequem abends im Bett reinziehen kann, um sich dann wohlinformiert und guten Gewissens einem ruhigen Schlaf zuzuwenden. Das Buch ist auch eine wirkliche Forderung an den Leser, eine Forderung allerdings, die derjenige, der sich darauf einlässt, möglicherweise für seine eigene Entwicklung und der Entwicklung seiner Möglichkeiten, zum allgemeinen Wohl beizutragen, außerordentlich schätzen wird.

Bestellt werden kann es => hier.

Oder im Buchhandel: Stefan Carl em Huisken: Wahnsinn und Denken – Der Kampf um den Menschen. 116 Seiten, Hardcover, Fadenheftung. Verlag Ch. Möllmann. 15 €. ISBN 978-3-89979-335-2.




Plädoyer für den Menschen – gegen die Missachtung

Warum muss man ihn eigentlich verteidigen, für ihn „plädieren“, den Menschen? Kann er das nicht selber? Aber ja doch, tut er ja gerade, denn ich bin auch Mensch, oder? Und andere Verteidiger als Menschen sind ja nicht zur Hand ….

Missachtung

Aber wogegen überhaupt? Wer greift ihn an? Nun, das ist eine schwere Frage, denn die Missachtung des Menschen ist groß in der Welt, aber die Missachtenden sind alle eines: Menschen. Und dann ist das mit der Verteidigung auch so eine Sache, denn nach gängigem Verständnis hätte der Verteidiger als seine Gegner eben Menschen. Und deren Missachtung des Menschen müsste man dann, wenn man ihr nicht beipflichten kann und will – was ja ein Verteidiger natürlich weder kann noch darf – eben erst einmal als ungerechtfertigt ansehen und dadurch diese Menschen in ihrer Ansicht erst einmal – und jetzt wird es schwierig – missachten.

Kurzum: die Missachtung des Menschen, des realen, der ich bin, von dem ich ganz sicher weiß wie jeder andere Mensch auch, ist eine Art selbsterfüllende Vorgabe: hat sie ein Mensch, diese Missachtung, so ist jeder, der gegen sie streitet, und damit ihre Existenz im anderen nicht gelten lassen will, erst einmal gezwungen, sie auch zu haben. Oder?

Erlebte Wirklichkeit

Worauf das hinweist, ist aber eigentlich eine ganz einfache Sache. Jeder von uns erlebt sich in sich, geistig-seelisch, von außen unmessbar und nur für den sich selber erlebenden real. Sehr real allerdings, denn man braucht nicht einmal äußere Sinne, um von der eigenen Realität überzeugt zu sein. Sie ist für jeden wachen Menschen einfach gegeben in unserer heutigen Welt.

Wohl brauchen wir die Sinne, aber nur mittelbar. Denn ohne Sinneswahrnehmung sind wir in der Regel nicht wach, und wissen daher auch nicht von uns selber, der wir ja allen diesen Wahrnehmungen gegenüberstehen und sie doch nicht sind. Könnten wir wach sein ohne Sinneswahrnehmungen – und es gibt Menschen, die sagen, dass sie das können – so wüssten wir auch dann von unserer eigenen Existenz, und hätten darin dann den praktischen Beweis, dass wir selber, die geistig-seelischen Menschen, von der Sinneswelt unabhängige, sagen wir einmal „übersinnliche“ oder „geistige“ Wesen sind.

Weil wir solche Wesen eben nur sind, aber nicht wahrnehmen, vor allem dieses geistige Sein im Anderen nicht wahrnehmen können, missachten wir es. Denn für wirklich halten wir immer nur, was wir auch wahrnehmen können, was uns gewissermaßen „gegenübersteht“. Denn das können wir uns dann von Anderen bestätigen lassen, und erst dann gilt es uns als „wirklich“.

Selbst-Missachtung

Warum eigentlich? Genau, weil wir selber mit der Missachtung des Menschen bei uns selber anfangen. Selbst, was wir als ganz unumstößlich vorhanden erleben, uns selber nämlich, und unser Denken, achten wir nicht.

Womit der Quell der sich selbst erfüllenden Vorgabe der Missachtung des Menschen ausfindig gemacht wäre: er liegt in der Selbst-Missachtung des Einzelnen. Allerdings, um hier einem Missverständnis gleich zuvor zu kommen: es geht um die Missachtung oder wieder zu erlangende Achtung des unmittelbaren, geistig-seelischen Selbst-Erlebens des Menschen, nicht um die Missachtung oder Achtung gegenüber irgendwelchen inhaltlichen, auf die erlebte Welt bezogenen Meinungen, Gefühlen, Erkenntnissen oder „Wollungen“. Das sind nämlich alles beschreibbare Gegenstände einer inneren geistig-seelischen Umwelt. Die sieht man in der Regel als genauso unwirklich, “bloß subjektiv“ an wie sich selber. Aber wenn man erst einmal die Wirklichkeit der eigenen geistig-seelischen Existenz anerkennt, also überhaupt etwas Un-Sinnliches, Übersinnliches als wirklich anerkennt, stellen sich in Bezug auf die genannten innerseelischen „Begleiter“ auch andere Fragen.

Diagnose

Jedenfalls können wir festhalten: die allgemein zu beklagende Missachtung des Menschen in der Welt hat einen Ausgangspunkt in uns selber, in unserer Missachtung für unser ohne Zweifel reales Selbst-Erleben. Wer sich selber nicht achtet, hat es schwer, das Menschsein des Anderen zu achten. Allerdings gibt es da viele Regeln, Gewohnheiten und Haltungen, die uns im verflossenen Leben zugewachsen sind, und die uns dann auch dazu bringen können, es mit der Missachtung nicht zu übertreiben. Wie die einfache Beobachtung des Lebens ergibt, verlieren diese Regeln aber rasant an Kraft.

Denn freilich, freie Achtung für einander wächst nur in Menschen, die sich selber genauso achten wie den Anderen. Man kann das auch so ausdrücken: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Auch diese Formulierung gibt ja nur dann einen Sinn, wenn man mit der Selbst-Liebe nicht die Liebe zur Erfüllung der eigenen Wünsche, zum eigenen Rechthaben oder zur Macht über Andere meint, sondern wirklich zu sich selbst, diesem elementaren Ich-Erlebnis, unabhängig von allen geistig-seelischen „Begleitern“.

Heilmittel

Dann kennen wir aber – wie überhaupt in der Heilkunde überall – mit der Diagnose das Heilmittel. Nehmen wir uns selber ernst in unserer geistig-seelischen Existenz! Wachen wir auf dafür, dass auch unsere inneren „Begleiter“ Tatsachen sind, Wirklichkeiten, mit denen zu rechnen ist! Wie viele Dinge in der Welt hat es zuerst als Gedanken, als Wünsche gegeben, die nun aber Welt-Tatsachen sind!? Nur leider, wie oft haben wir oder die anderen Urheber solcher Gedanken, Gefühle oder Willensimpulse nicht gewusst, was sie auslösen, wenn das Innere durch Taten erst zu Lebens-Tatsachen wird! Und dann stehen wir staunend, manchmal auch schaudernd vor den Ergebnissen.

Wie gut wäre es, wenn wir über das Verhältnis zwischen der geistig-seelischen Welt, als deren Teil wir selber in uns leben, und der äußeren Sinneswelt mehr wüssten als bisher? Diejenige Wissenschaft, die nur auf das Äußere geht, kann das niemals klären; sie kann nur eines, was sie ja auch ganz ausdrücklich will: den inneren, sich selbst erlebenden, „bloß subjektiven“ Menschen missachten.

Und da solche Dinge wie Moral, Achtung, Gefühl und Ähnliches eben alles keine äußeren Gegenstände sind und bloß im „subjektiven“ Menschen vorkommen, gelten diese Dinge solcher Wissenschaft nichts. Sie soll ja „wertfrei“ sein. Damit schließt sie aber den unmittelbar wahren, lebenden Menschen aus.

Leider merkt sie dabei gar nicht, dass sie sich selber auch für unwirklich erklärt: ihre Gedanken über die Welt, ihre theoretischen Gedankengebäude, die den inneren Menschen zu etwas Unwirklichem erklären, sind ja bloß eines, nämlich: Gedanken, also subjektiv. Und ihre subjektiven Gedanken sind dann eben so, dass sie den real sich selbst erlebenden Menschen missachten müssen.

Geisteswissenschaft

Was uns fehlt, ist daher eine erneuerte Wissenschaft, eine Wissenschaft vom Menschen aus, und damit eine Geistes-Wissenschaft vom realen Geist, der in jedem Menschen lebt, denn der erlebende Mensch ist geistig. Solche Wissenschaft kann man auch Anthroposophie nennen; sie erkennt dann selbstverständlich an, was Welt-Wissenschaft über ihren Gegenstand zu sagen hat, geht aber darüber hinaus und schließt auch die reale Grundlage der Welt-Wissenschaft mit ein: den realen, geistigen Menschen. Und dann kommt es auch zu einem Ende mit der Missachtung des Menschen.

Und wir kennen damit auch den „Retter“, der alle Verteidigung, jedes Plädoyer für den Menschen dann unnötig macht: den Menschen selber, der sich in freiem Entschluss zu sich selbst und dem Geist bekennt, dem er entstammt und in dem er lebt.

Tut er das nicht, so wird die Missachtung bleiben, und voraussichtlich wachsen. Denn ohne den Menschen ist kein Leben in der Erkenntnis; nur er kann dieses Leben geben. Ohne ihn wird alle Erkenntnis nur eine abstrakte, absterbende, tote sein. Und wie alles, was erst im Geiste ist, wird sie dann auch Welten-Wirklichkeit – also den Tod in die Welt bringen. Sehen wir das nicht täglich, wo scheinbar „wertfreie“ Wissenschaft und Technik den Menschen missachtet, ihm seinen inneren Wert raubt und seine Welt zerstört?

© Stefan Carl em Huisken 2021




Das Erscheinen des Christus im Ätherischen und die Erkenntnisaufgabe des Menschen durch Anthroposophie

Vorbemerkung

Einmal mehr scheint es erforderlich, auf den besonderen Charakter von Texten aufmerksam zu machen, die nicht einfach äußere Tatsachen nachbildend beschreiben wollen, sondern demgegenüber die (auch die äußeren Tatsachen) umfassende Wirksamkeit des lebendigen Geistes im Menschen zur Geltung bringen wollen, indem sie auf das in sich selbst schaffende Denken als grundlegende Tatsache jeder wahrhaften Erkenntnis hinweisen.

Solche Texte sollen also Hinweise sein auf dasjenige, was erkannt werden soll. Die Erkenntnis bleibt dadurch frei und in die Verantwortung des einzelnen Lesers gelegt. Nicht anders darf heutzutage der Versuch gemacht werden, Wahrheit zur Geltung zu bringen. Priester und Gläubige, also steuernde, auch manipulierende – weil wissende – Eliten und von ihnen abhängige „Gemeinden“ gibt es heutzutage genug, in sogenannter „Wissenschaft“ ebenso wie in Parteien, Konfessionen, Ideologien überall auf der Welt. Weitere davon sind ebenso unnötig, wie die Überwindung der bestehenden not-wendig.

Anthroposophie, anthroposophische Geisteswissenschaft geht vom Menschen aus – von jedem Einzelnen also, der sie will – und braucht deswegen keine „esoterischen Eliten“.

Als ein solcher Hinweis auf erkennbare Wahrheit ist auch dieser Text intendiert. Er ist vorläufiger Abschluss und auch Zusammenfassung einer Reihe von Artikeln, auf die im Folgenden wo erforderlich hingewiesen wird. Ihre Kenntnis ist daher in gewisser Weise vorausgesetzt; sie sind alle über meine Website www.emhuisken.de/uebersicht-beitraege-geisteswissenschaft/ verfügbar.

Ausgangspunkt Mensch

Ausgangspunkt anthroposophischer Geisteswissenschaft ist der Mensch, wie er als irdisches Wesen sich selbst erkennen kann. Dieser Mensch ist zunächst im heutigen alltäglichen Leben vereinzelt, von allen anderen getrennt, denn er ist umgeben von einer nur ihm erscheinenden Welt („niemand kann durch die Augen eines Anderen sehen“), mit der er in einer nur für ihn individuell möglichen Weise umgeht. Niemand anders kann dies genauso wie dieser eine Mensch, denn nur dieser eine Mensch hat dabei seinen eigenen individuellen Entwicklungsgang zugrunde liegen, in diesen oder jenen Erlebnissen, Erkenntnissen und Strebensrichtungen.

Genau in dieser Tatsache, die ja jeder einigermaßen denkwillige Mensch leicht einsehen kann, und die die Menschen in maximal möglicher Art von einander trennt, besteht aber auch ihre größte Einigkeit: ausnahmslos jeder Mensch ist als irdisches Wesen in genau dieser Situation. Sieht man diese Gemeinsamkeit und Gleichheit aller Menschen ein, dass nämlich jeder Mensch in seiner Weltsicht – seiner „Welt-Anschauung“ – etwas hat, was nur für ihn gilt, und das universelle, alle Menschen umfassende Element daher zunächst nicht in der Welt, auch nicht in der Welt der Vorstellungen und Theorien über den Menschen, seine Seele, seinen Geist zu finden ist, sondern als lebendige, in jedem Augenblick sich erneuernde Tatsache seines individuellen Umganges mit seiner Welt-Anschauung im sich selbst beobachtenden Denken, – sieht man dies als ausnahmslos allen Menschen eigene Wahrheit ein, so ist damit ein Anfang gemacht zur Überwindung des in unserer Zeit ausufernden Streites der Weltanschauungen.

Damit ist aber auch ein Schritt getan zum Ersetzen des Glaubens an eine irgendwie gewordene Weltanschauung durch ein wahres Wissen von Tatsachen; der erkennende Mensch tritt dadurch im Ansatz wiederum – nun bewusst – ein in den Ausgangspunkt der Erkenntnis.

Die Grundsituation ebenso wie die Folgen für ein wahres Erkennen, die sich aus diesem menschlich-realen Ausgangspunkt ergeben, sind ja bereits ausführlicher ausgeleuchtet worden; hier mag daher der Hinweis darauf genügen.1

Erkenntnis-Aufgabe unserer Zeit

Rudolf Steiner spricht von ferner Zukunft, wenn er sagt:

Das wird eine Zeit sein, in welcher die Menschen in weit höherem Grade als heute eine gemeinsame Weisheit haben werden, sozusagen in gemeinsame Weisheit eingetaucht sein werden. Es wird beginnen etwas davon, daß man empfinden wird, daß das Ureigenste des Menschen zu gleicher Zeit das Allgemeingültigste ist. Das, was man im heutigen Sinne als individuelles Gut des Menschen auffaßt, ist noch nicht ein individuelles Gut auf einer hohen Stufe. Heute ist mit der Individualität, mit der Persönlichkeit des Menschen noch im hohen Grade verknüpft, daß die Menschen sich streiten, daß die Menschen verschiedene Meinungen haben und behaupten: Wenn man nicht verschiedener Meinung sein dürfte, würde man ja kein selbständiger Mensch sein. Gerade weil sie selbständige Menschen sein wollen, müssen sie zu verschiedenen Meinungen kommen. Aber das ist ein untergeordneter Standpunkt der Anschauung. Am friedlichsten und harmonischsten werden die Menschen sein, wenn der einzelne Mensch am individuellsten sein wird. Solange … gibt es Meinungen, die voneinander verschieden sind. Diese Meinungen sind noch nicht im wahren Innersten des Menschen empfunden.

Heute gibt es nur einige Vorläufer für die im wahren Innern empfundenen Dinge. Das sind die mathematischen und geometrischen Wahrheiten. Über die kann man nicht abstimmen. Wenn eine Million Menschen Ihnen sagen würde, daß 2 x 2 = 5 ist, und Sie sehen es selbst im eigenen Innern ein, daß es 4 ist, so wissen Sie es, und Sie wissen auch, daß die anderen im Irrtum sein müssen – geradeso, wie wenn jemand behauptete, daß die drei Winkel eines Dreiecks nicht zusammen 180 Grad betragen.

Das ist Manas-Kultur, wenn immer mehr empfunden werden die Quellen der Wahrheit in dem stark gewordenen Individuellen, Persönlichen des Menschen und wenn zu gleicher Zeit das, was empfunden wird als höhere Wahrheit, auch von Mensch zu Mensch übereinstimmt wie die mathematischen Wahrheiten. In diesen stimmen die Menschen heute schon überein, weil das die trivialsten Wahrheiten sind. In bezug auf die anderen Wahrheiten streiten sich die Menschen, nicht weil es über dieselbe Sache zwei verschiedene richtige Meinungen geben kann, sondern weil die Menschen noch nicht so weit gekommen sind, das alles zu erkennen und niederzukämpfen, was an persönlicher Sympathie oder Antipathie sie trennt. Würde bei den einfachen mathematischen Wahrheiten noch die eigene Meinung in Betracht kommen, so würden viele Hausfrauen vielleicht dafür stimmen, daß 2 x 2 = 5 ist und nicht 4. Für den, der tiefer in die Natur der Dinge hineinsieht, ist es eben unmöglich, über die höhere Natur der Dinge zu streiten, es gibt nur die Möglichkeit, sich dazu hinaufzuentwickeln. Dann trifft die Wahrheit, die in der einen Seele gefunden ist, genau zusammen mit der Wahrheit in der anderen Seele; dann streitet man nicht mehr. Und das ist die Gewähr des wahren Friedens und der wahren Brüderlichkeit, weil es nur eine Wahrheit gibt, und diese Wahrheit hat wirklich etwas zu tun mit der geistigen Sonne. Denken Sie einmal, wie die einzelnen Pflanzen ordentlich wachsen; jede Pflanze wächst der Sonne zu, und es ist nur eine einzige Sonne.“2

Die Grundlagen dafür zu legen, indem wir in der völligen Vereinzelung aufmerksam werden auf den allen Menschen gleichen Quell des sich selbst als lebendige Tatsache erkennenden Denkens im Umgang mit der Welt, das ist die Aufgabe unserer Zeit. Sie bereitet vor, was einst in der Zukunft als allen Menschen eigene Wahrheits-Erkenntnis in immer weiteren Kreisen das Leben prägen kann.

Wollen wir eine solche Wahrheits-Wissenschaft erreichen, tun wir gut daran, zunächst die Wege dazu durch unser tätiges Denken zu ergründen. Diese Wege beginnen immer dort, wo wir auf die erste uns als Menschen zugängliche rein geistige Tatsache aufmerksam werden: die Tatsache des individuellen, durch unser Denken von uns selbst gestaltbaren Umgangs mit unserer immer von derjenigen aller anderen Menschen verschiedenen konkreten Welt. Diese Tatsache ist nur duch das Denken selbst fassbar, und darum rein geistig.

Individuelles Selbst-Bewusstsein

Ein so sich darlebendes individuelles Bewusstsein des Menschen von sich selbst ist keineswegs dem Menschen vom Anbeginn gegeben. Es erfordert die qualvoll erlittene Einsicht in die Unvollkommenheit der jedem Menschen in seiner Vereinzelung gegebenen Mittel. Diese Mittel können den Menschen nicht zu einer Überwindung derjenigen Probleme führen, die eben durch die Vereinzelung – und ihre Nutzung durch kundige Eliten für ihre eigenen Zwecke! – entstehen.

Wo nämlich der Mensch dem leidvollen Erleben seiner eigenen Erkenntnis-Ohnmacht (der Wahrheit gegenüber) zu entfliehen versucht, indem er alte (Glaubens-)Bindungen durch neue, vermeintlich selbst gewählte ersetzt, macht er sich selber zum Spielball derjenigen, die solche Selbst-Aufgabe als Grundlage ihrer selbstsüchtigen Macht schätzen. Macht lebt auch vom Glauben der (scheinbar) Ohnmächtigen.

Die Einsicht, dass auch die äußere Macht sich nur solange ungehindert entfalten kann, wie die einzelnen zunächst scheinbar „Ohnmächtigen“ ihr auch innerlich glauben, muss auf lange Sicht den Bestand der äußeren Macht zersetzen. Ist man genötigt, in der äußeren Wirksamkeit einen Kompromiß zu schließen, so muß man sich dessen bewußt werden und nicht in leichtfertiger Weise darüber hinwegreden. Man muß sich ruhig sagen: Der Gewalt muß selbstverständlich gewi­chen werden. Aber man muß nicht bei sich selber in der Erkenntnis Kompromisse schließen. Man muß nicht glauben, daß das richtig ist, was man tut unter dem Einfluß der Gewalt.3

Das individuelle Selbst-Bewusstsein in der Selbst-Erkenntnis zu pflegen als Vollzug der Aufgabe unserer Zeit, gegenüber allen Widerständen und Hindernissen, die uns die äußere Gewalt immer wieder aufzuzwingen sucht, legt also den Grund für die von Rudolf Steiner angedeutete Zukunfts-Kultur der Wahrheit.

Die Sprache der Ohnmacht

Bedingung dafür ist und bleibt die Einsicht des einzelnen irdischen Menschen in seine ganz grundsätzliche Ohnmacht, im Rahmen seiner persönlichen Welt-Anschauung wirkliche Wahrheit zu erkennen. Erst die Not, in die durch diese Tatsache Mensch und Welt ganz allgemein versetzt sind, kann im Einzelnen ein Aufwachen für sich selbst als Gleicher unter Gleichen im Rahmen der Menschheit als ganzer erwirken.4

Der Mangel an Macht bei den meisten Menschen, der Wirklichkeit die eigenen Wünsche aufzuzwingen, steht einer ungeheuren Konzentration der Macht in den Händen Weniger gegenüber, die sie derzeit vor allem dazu nutzen, Welt und Menschen ihren eigenen, persönlichen Wünschen und Auffassungen zu unterwerfen. Aber – wie gezeigt – Macht basiert auch auf Glauben. Und die Abkehr von diesem Glauben weckt die Kraft im Menschen, in sich selber die Wahrheit immer energischer anzustreben.

Die Macht Einzelner durch die Macht der Masse bekämpfen zu wollen, ist ein Unterfangen, das der zwangsweisen Ent-Individualisierung durch die Gewalt gewisser Eliten die freiwillige Unterwerfung der Masse unter einen allgemeinen Primat der unbeschränkten Geltung äußerer Macht unterwirft. Provokant ausgedruckt, ist das eine Art Selbst-Aufgabe: „Danke, deinen mächtigen Zwang zur Vermassung brauchen wir nicht. Das können wir freiwillig besser.“ Denn jede Masse, die als Macht auftreten will, muss sich dabei einem für jedes ihrer Glieder gleichen Ziel unterwerfen – also einer Ideologie zum Beispiel oder dem Glauben daran, das „Gute“, das den eigenen Interessen diene, werde sich schon finden, wenn nur erst die andere, die „böse“ Macht zerstört sei.

Es ist aber durch die Selbst-Ermächtigung des Individuums zur Einsicht in erste universell für alle Menschen geltende Lebens-Tatsachen bereits die Axt gelegt an jede Realisierung äußerer Macht im herkömmlichen Sinne. Auch die jetzt scheinbar „Mächtigen“ sind Menschen, auch für sie gilt die heutzutage prinzipielle Ohnmacht des irdischen Individuums. Ihre Macht ist bloß geliehen von denjenigen Einflüssen oder Wesen, denen sie dienen.

Diese Wesen leben in der Regel nicht begrenzt in einem einzelnen Menschen, sondern benutzen nur ihre Anhänger, die sich im Geiste ihnen anschließen. Für sie zählt ein Mensch nur so viel, wie er ihnen nützt. Man kann sie als Geistwesen ansehen, die den gläubigen Menschen steuern.5 Sie verlieren ihre Macht dort, wo der Mensch aufhört zu glauben, und sich den Tatsachen des Lebens in Wahrheit zuwendet. Sie wirken ungehindert nur dort, wo sie unerkannt bleiben. Verführer und Lügner können nur im Verborgenen ihre Ziele erreichen. Werden sie erkannt, müssen sie ihren Einfluss verlieren.

Die Einsicht in die weitreichende, grundsätzliche Ohnmacht jedes Einzelnen – auch des Anderen, scheinbar „Mächtigen“ – ermöglicht den Blick auf den Keim der Wahrheit in jedem Menschen, auch des Verführtesten. Verstehen wir also diese Sprache der Ohnmacht recht: jede Machtausübung – einzeln, in der Gruppe, in der entindividualisierten Masse – verletzt die Freiheit des sich entfaltenden Individuums, bei mir oder beim Anderen, das ist aufs Ganze gesehen einerlei (wenn auch für den Einzelnen manchmal unerträglich). Soll aber Freiheit in die Zukunft hinein erst allumfassend werden (wohlgemerkt: Freiheit, nicht egoistische Unabhängigkeit von allen Einschränkungen beim Erfüllen irdischer Wünsche), muss sie gewollt und gepflegt werden.

Neue Einsicht

Die Einsicht(smöglichkeit) in diese Ohnmacht ist neu, und sie folgt auf das vollständige Ohnmächtig-Werden aller Naturerkenntnis durch das heute fast unumschränkt herrschende materialistische Dogma des: „Nur die materielle Außenwelt ist wirklich. Leider haben wir darüber kein Wissen, nur Theorien.“

Dass solche Art von Wissenschaft mehr Probleme hervorruft als sie löst – insbesondere kann sie die selbstgeschaffenen Probleme nicht lösen (sic!) – ist spätestens seit dem Aufkommen der Atomkraft offensichtlich. In unserer Zeit treibt besonders der Versuch, das Denken gänzlich der äußeren Welt zu übereignen durch die Auslagerung aller wesentlichen gesellschaftlichen Entscheidungen auf Computermodelle vielfältig giftige Blüten. Es bleibt aber der monumentale Satz von Lewis Mumford in seinem umfangreichen Werk „Mythos der Maschine“ unumschränkt gültig: „Kein mechanisches System (also auch kein Computer als System der Mechanisierung des Denkens, Anm. EH) kennt die Bedeutung von Bedeutung“6

In unsere Zeit übersetzt ist damit auf die Tatsache verwiesen, dass die allen Menschen gleiche Grundsituation der Vereinzelung und Erkenntnisohnmacht – die ja die allen Menschen gleiche Grundwahrheit ist – selbstverständlich von keinem Computer bemerkt werden kann. Wo sich aber der Mensch nicht zur Selbst-Erkenntnis aufschwingt, ermächtigt er das Welt-Maschinenwesen zum Herrscher über die Menschen, der dann aber bar jeder moralischen Einsicht ausschließlich nach den Gesetzen der außermenschlichen Welt – eben maschinell – regiert.

Was ist der Grund dafür, dass wir Menschen uns vom bloßen Erleiden der Ohnmacht zur Selbst-Erkenntnis aufschwingen können, mit allen Folgen für das Welterkennen, wie sie bereits in vorangehenden Artikeln beschrieben wurden?7 Diese Selbst-Erkenntnis gibt uns den Schlüssel zur Freiheit, zur Selbst-Befreiung von den Zwängen altüberkommener, geglaubter Weltanschauungsinhalte, Glaubenssätze und Ideologien.

Erst dadurch kann der Mensch lernen, sich auf sich selbst zu stellen.

Die Einsicht in die Bedeutung des Denkens als geistige Tatsache, die sich ihrer selbst im Menschen bewusst wird, ist von Rudolf Steiner am Ende des 19. Jahrhunderts in Gedankenform fürmuliert worden (vgl. seine Bücher „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“, Wahrheit und Wissenschaft“ und „Die Philosophie der Freiheit“) und Anfang des 20. Jahrhunderts durch die weitreichende Veröffentlichung ehemals geheimgehaltener geistiger Tatsachen der äußeren Entwicklung der Menschheit einverleibt worden. Seitdem können wir davon wissen, damit umgehen und uns daran selber weiterentwickeln.

Dass wir erst dadurch als heutige Menschen wieder in die Lage kommen, uns selbst, den heutigen Menschen und seine Situation überhaupt – einschließlich aller Irrtümer und Zerstörungen – als notwendiges Glied einer sinnvollen Entwicklung zu erkennen, ist ja in den bisherigen Darstellungen vielfach aufgewiesen worden.8 Was also ist dann das Auftreten Rudolf Steiners im Rahmen dieses Entwicklungsprozesses?

Anthroposophische Bewegung

Die anthroposophische Geisteswissenschaft als menschheitsgeschichtliche Tatsache trat zu Beginn des 20. Jahrhunderts ins öffentliche Bewusstsein Mitteleuropas (und der Welt). Die in Gedankenform gefasste Grundlegung aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts (vgl. vorigen Abschnitt) war zuvor nahezu unbemerkt und unverstanden einfach unberücksichtigt geblieben.

Erst mit dem Anknüpfen an altüberkommene esoterische Überlieferungen gewann Aufmerksamkeit, was Rudolf Steiner zu sagen hatte. Wenn man das äußere Wachstum der anthroposophischen Bewegung ins Auge fasst, kann es scheinen, als ob dabei das Erlangen von Anerkennung durch die hergebrachten Gesellschaftsformationen von Vielen als wichtigstes Zeichen eines Gelingens dieser geisteswissenschaftlichen Bewegung angesehen wurde. Die Denkweise der Macht, die äußere Anerkennung als Grundlage braucht (da sie keine Wahrheit in sich trägt), wurde offenbar auch auf die Anthroposophie angewendet – man wollte mitspielen im Kampf um die Lenkung der Menschheit.

Rudolf Steiner hat diese Haltung vielfach und jederzeit wieder auf das Schärfste abgelehnt und jede Bestrebung, durch die anthroposophische Geisteswissenschaft sich zahm in den Kanon hergebrachter Theorien über Welt und Mensch einreihen sollte, unmißverständlich als zerstörerisch und der Anthroposophie entgegengesetzt gekennzeichnet.9 Das liegt ja auch auf der Hand, ist doch jeder Gedanke an äußere Machtausübung der unbedingten Wahrheitsverpflichtung der Geisteswissenschaft abträglich.

Rudolf Steiner wollte nur durch die Wahrheit wirken, die Wahrheit im Sinne des Maßstabes, in dem sich das Denken in der Selbstbeobachtung selbst erschafft, oder – anders ausgedrückt – im Sinne des Maßstabes, der sich aus der Betrachtung der Evolution von Mensch und Welt als Selbsterschaffungsprozess des göttlichen Urgrundes in der Selbsterkenntnis ergibt.10

Dieser eigentliche Kern der Anthroposophie ist unabhängig von äußeren Machtfaktoren, zielt er doch eigentlich darauf, die diese äußere Macht steuernden geistigen Wesenheiten kennenzulernen und in ihrem Chor selbstbewusst mitzuwirken. Dieser Kern ist vielfach verraten worden, zu Rudolf Steiners Lebenszeit ebenso wie danach, bis heute. Er ist dennoch unzerstörbar, als eine Tatsache der Menschenentwicklung, die ein für alle Mal Bestandteil der Menschheit geworden ist.

Manchmal bekommt man den Eindruck, als ob gerade in Zeiten, in denen der Druck von Außen immer stärker wird, gleichzeitig – oft im Verborgenen und nur bei wenigen Menschen – die Besinnung auf das Wesentliche immer umfassender wird, ganz im Sinne der oben skizzierten „Sprache der Ohnmacht“.

Wozu Geisteswissenschaft?

Wenn nun die anthroposophische Geisteswissenschaft nicht einfach eine Bewegung wie viele andere ist (auch und schon gar nicht die endgültige, alles klärende ultimative Wahrheitslehre!) – was ist sie dann? Welche Bedeutung hat diese Geisteswissenschaft im Rahmen des Ganzen von Mensch und Welt?

Dies zu klären, hat – wie Rudolf Steiner selber immer wieder und häufig genug betonte – allein diese Geisteswissenschaft selbst die Möglichkeit in unserer Zeit. Nur sie selber entspringt dem universellen Wahrheitskriterium, das ins Bewusstsein zu bringen sie immer wieder zu ihrem Ziel gemacht hat.11 Das entspricht der Einsicht, dass eben nur das Denken selbst die Möglichkeit hat, seine eigene Bedeutung zu erkennen.

Wenn also die Denkwege des sich selbst erkennenden denkenden Menschen sich in den Entwicklungswegen der Menschheit wiederfinden können, so erkennen sie sich selber dadurch als wahr.

Zeichnen wir diese Entwicklungswege noch einmal nach:

Aus dem schaffenden – grundlos schaffenden, d.i. liebenden – Göttlich-Geistigen entsteht die geistdurchglühte Welt, in ihr der Mensch als dasjenige Wesen, das dem Gotte zum Bilde werden soll, und darum dessen liebende Schöpferkraft als Möglichkeit in sich schließt. Das Menschenwesen entwickelt seine Kräfte zunächst unter der Leitung der göttlichen Weisheit. Soll es aber eigenschöpferisch werden, also lieben lernen, so muss es frei werden und dafür zunächst alle vorgefasste Weisheit verlieren; sie würde – bliebe sie dem Menschen erhalten – die Voraussetzung wirklicher Liebe, nämlich seine Freiheit schmälern. Der irdische Mensch hat heute alle überkommene Weisheit verloren; aus der Sehnsucht nach dem Verlorenen heraus kann er zunächst nur spekulieren und experimentieren.

Damit nun nicht die äußere Erdenwelt gänzlich verloren gehe – sie ist ja nötig, damit der Mensch in seiner Ohnmacht darin sich selber finden kann – tritt das zentrale göttliche Wesen ins irdische Dasein und erleidet den irdischen Tod. Wie der Mensch, wenn er durch den Tod geht, eins wird mit demjenigen, was er im Leben als sein „Außen” ansah, mit den Urgründen der irdischen Welt also, eint sich im irdischen Gottestod das göttliche Wesen mit dem Wesen der Erde, dem irdischen Sein, demjenigen also, was – vom göttlichen Gesichtspunkt aus – das „Außen“ ist. Seit diesem Zeitpunkt des Mysteriums von Golgatha ist das Göttliche als Christusprinzip im Irdischen auffindbar.

Der Mensch, der die göttliche Weisheit verloren hat, sich also in einer gott- und geistlosen Welt erlebt, kann dieses Christus-Ereignis aber nur verstehen, wenn er Wege findet, sich die göttliche Weisheit aus sich selbst wiederum zu erringen. Das ist Intention der Anthroposophie, der „Weisheit vom Menschen“, derjenigen Weisheit also, die vom Menschen ausgeht.

Das Menschheits-Ereignis verstehen

Indem nun das göttliche Wesen sich mit dem irdischen Sein verbunden hat – wo ist es dann dort zu finden? Ganz sicher nicht in der gott- und geistlosen Erscheinungswelt, die den einzelnen individuellen Menschen heutzutage als seine „Welt-Anschauung“ umgibt. Das allumfassende göttliche Wesen kann nur dort erscheinen, wo ein Allumfassendes, Universelles waltet: im individuellen, ohnmächtigen Menschen also, der sich selbst erkennt.

Dies ist durch die Zeit in vielfältigster Weise von den Menschen angestrebt worden seit dem Eintreten des Mysteriums von Golgatha: sich selbst erkennen, den Christus in sich finden. Dieses Streben ist aber seit langer Zeit, bis heute, geprägt von alten, überkommenen Verhaltensweisen des Menschen.

Die enthusiasmierten, von Resten alter Weisheit noch nicht gänzlich freien Urchristen, die Askese mittelalterlicher Mönche ebenso wie die mystische Versenkung einzelner Weiser waren eines nicht: getragen von einem gänzlich selbst errungenen Urverständnis des Zentralereignisses der Menschheitsentwicklung, des Mysteriums von Golgatha. All diese Menschen hatten auf andere Weise – aus empfundener Nachfolge Christi, aus durch Kultus und Versenkung vermittelter innerer Schau oder auch durch den Glauben an die Gültigkeit der Lehren, die die Priester verbreiteten zur Rechtfertigung ihres eigenen Daseins als Elemente der „Kirche Gottes“ – ein Verhältnis zu dem gefunden, was für sie „der Christus“ war.

Ein wirkliches Verständnis für das Christus-Ereignis kann erst derjenige gewinnen, dem alle Reste alter Traditionen nichts mehr bedeuten, über den all diese Einflüsse keine Macht mehr haben, und der daher nur noch aus sich selbst heraus Leben in die geist- und gottlosen Vorgänge der Welt bringen kann. Das ist der Mensch unserer Zeit.

Rudolf Steiners Leben

Wie in einem einzelnen Menschen konzentriert erscheint im Leben Rudolf Steiners, was den Menschen fehlt, um sich zur Selbstbeobachtung im Denken aufzuschwingen. In alle Lebensgebiete hinein wirkte das, was durch Rudolf Steiners irdisches Wirken den Weg fand in das Leben der Menschen. In schier unglaublicher Weise wirkte die Person Rudolf Steiner inspirierend und weckend auf diejenigen, die zeitweise oder auch länger in seinem Lebensumfeld sein konnten.

Diese direkte Art des Wirkens, im irdischen Dasein, wurde darum auch von selbst den nächsten Freunden und Mitarbeitern Steiners als das Eigentliche der Anthroposophie gesehen, als dasjenige, worauf es ankam. Im direkten Mitleben des irdischen Wirkens schwand vielleicht bei Manchem der Gedanke an die Frage, welches Verhältnis dieses irdische Wirken zum geistig fassbaren Entwicklungsgang der Menschheit haben könnte.

Wenn Rudolf Steiner immer wieder beteuerte, nur durch die anthroposophische Geisteswissenschaft, niemals durch irgendein „Glauben“ könne wirklich verstanden werden, wovon er spreche, und insbesondere dasjenige, was er als das Mysterium von Golgatha benannte, sei nur durch diese Geisteswissenschaft zu verstehen, dann folgten seine Zuhörer seinen Gedankengängen und – glaubten ihnen. Wie sollte es angesichts einer solchen Persönlichkeit wie Rudolf Steiner auch anders sein?

Oft genug wies Rudolf Steiner darauf hin, dass selbständige anthroposophische Forschungen nötig seien, und stellte alles, was auf diesem Gebiet, meist durch einige wenige Menschen seiner nächsten Umgebung geschah, als Vorbild vor seine Zuhörer hin.

Eine ungeheure Fülle von Anregungen ging von ihm aus, die zu verarbeiten seine Umgebung bis weit über ihre Möglichkeiten forderte. Wer kann es den Menschen verdenken, dass sie nicht wirklich daran dachten, was geschehen solle, wenn dieser schier unerschöpfliche Quell versiegt?

Der Übergang

Dies Versäumnis zeigte seine Folgen unmittelbar nach dem Tode Rudolf Steiners. Was er durch sein unermüdliches Wirken zusammengehalten hatte, zerbrach schnell, wenn es auch einige Zeit brauchte, bis dies Zerbrechen ins Bewusstsein der Beteiligten trat. Und ebenso schnell, wie die Streitigkeiten zwischen vorher einmütig zusammenarbeitenden Menschen eskalierten, wurde aus der anthroposophischen Bewegung etwas, was Rudolf Steiner niemals wollte: eine Institution, in der die Leitenden glaubten – jeder für sich, oftmals untereinander streitende Fraktionen bildend – für die Gesamtheit entscheiden zu müssen.

Wie in der Vergangenheit in der katholischen Kirche entstand in der geisteswissenschaftlichen Bewegung schnell eine Art „Kastensystem“ aus „einfachen“ und „besseren“ Anthroposophen, die nur durch eines zusammengehalten wurden: den gemeinsamen Glauben an die Mission der Anthroposophie innerhalb der Menschheitsentwicklung.

Was aber war eigentlich geschehen? Derjenige Mensch, der das grundlegende Erkenntnisproblem seiner Zeit einer Lösung zuführte in seinen frühen Werken (vgl. oben, Abschnitt „Neue Einsicht“) und niemals aufhörte zu beteuern, dass alles, was er später gesagt oder geschrieben hatte, von dem dort, ganz zu Anfang formulierten Gesichtspunkt zu erschließen sei; derjenige Mensch, der jahrhunderte-, ja jahrtausendelang geheim gehaltenes Mysterienwissen rückhaltlos veröffentlichte, weil jede Geheimhaltung die nunmehr notwendige Freiheit des Menschen beeinträchtigt – dieser Mensch war aus dem irdischen Dasein in diejenige Welt übergegangen, die er selber als seine geistige „Außenwelt“ beschrieben hatte.

Was er als Keime für ein Verständnis des Mysteriums von Golgatha aussäte in seinen Schriften und Vorträgen, war nun auf dem Wege, Gemeingut der Menschheit zu werden.

Dass es in der Folge immer wieder Menschen gab, die die Aussaat-Tätigkeit Rudolf Steiners meinten nachmachen zu müssen, zeigt nur, wie wenig verstanden wurde, was er tat.

Liebe und Freiheit

Etwas Neues war dem Menschheitsbewusstsein übergeben worden: die Möglichkeit, nicht nur äußerlich von dem Mysterium von Golgatha zu wissen, sondern es in allen Einzelheiten aus eigener Kraft zu verstehen. Allerdings war diese Möglichkeit eine solche, die allen überkommenen Denkgewohnheiten der Menschen widersprach. Verstehen kann bei einem solchen Ereignis nämlich nicht bedeuten, alle Einzelheiten zu wissen, als Erkenntnisinhalte aufzuspeichern und ansonsten dabei der gleiche Mensch zu bleiben wie vorher. Verstehen erfordert hier ein inneres Mitgehen mit dem Gang der Menschheitsgeschichte, damit verbunden dem übenden Nachvollziehen der dafür erforderlichen Denkbewegungen aus derjenigen Kraft heraus, die erst aus der vollständigen Geistverlassenheit der Mensch sich selber erringen kann.12

Ein lebendiger irdischer Mensch, dem wir folgen können, wird immer diejenigen mitreißen, die dies wollen; er kann sich selber noch so viel dagegen wehren. Rudolf Steiner hat dies leidvoll erfahren müssen.

Ein wirklich selbsterrungenes Verständnis für das, was Rudolf Steiner als das unserer Zeit so Nötige bezeichnete, das Verständnis für das Mysterium von Golgatha also, es konnte erst verbreitet auftreten, als die irdische Person, die dieses Verständnis zu wecken angetreten war, nicht mehr auf dem physischen Plan wirken konnte. Erst dann war für jeden, der dies wollte, wirklich vollständige Freiheit gegeben – sie hat ja als Voraussetzung die ohnmächtige Vereinzelung in der geistverlassenen Welt.

Der Vortragende Rudolf Steiner, der ursprünglich nicht wollte, dass das gesprochene Wort festgehalten würde, musste es der Unvollkommenheit seiner Zuhörer zugeben, dass die Mitschriften doch geschahen und dann auch veröffentlicht wurden. Diese Vorträge waren ja immer an ein bestimmtes Auditorium, niemals an die allgemeine Öffentlichkeit gerichtet. Was von Anfang an für die Öffentlichkeit bestimmt war – die Schriften Rudolf Steiners also – sie sind nun dasjenige, durch das wir mit seinem Wirken in unmittelbare Berührung kommen können. Sie sind aber zugleich derjenige Teil seines Wirkens, der am meisten Nichtbeachtung und Ablehnung gefunden hat.

Man erlebt die Texte als zu „schwer“, zu „unverständlich“, zu „kompakt“, manchmal auch „zu schwülstig und unnötig kompliziert“ – nun, das sollten sie wohl sein, denn sie sind aus demjenigen Geist heraus geschrieben, der für jeden Menschen, die „Öffentlichkeit“ also, zu einem Erüben des geistigen Grundereignisses des Menschen führen sollten: der liebenden Zuwendung zum Menschen in seiner Entwicklung. Bereits in der Vorbemerkung wurde ja auf den besonderen Charakter solcher Texte hingewiesen.

Liebe setzt Freiheit voraus; ist sie durch irgendetwas vorbestimmt, so wird sie zum „Haben-Wollen“ oder „Etwas-erreichen-wollen“. Liebe zum sich entwickelnden Menschen – im einzelnen, individuellen Menschen ebenso wie in der Menschheitsentwickelung als Ganzer – will nur diesen Menschen fördern, so, wie er sich selber entwickelt. Diese Liebe kann ebenso ausgehen von jedem Einzelnen wie vom Menschheitsgott, dem menschgewordenen Gott im Christus, durch jeden Einzelnen.

Christus im Ätherischen

Wenn Rudolf Steiner vom Erscheinen des Christus im Ätherischen spricht, so spricht er davon, dass dasjenige göttliche Wesen, das einst durch den Gang durch den Menschentod sich mit der Erde vereinigte, nunmehr im Lebendigen erscheint, in den Lebensprozessen, die im Menschen durch innere Bemühung in inneren Bewegungsbildern aufsteigen können. Die Bedingung dafür ist das Aufschwingen zur Selbstbeobachtung im Denken in der Weise, wie es hier und in vorangegangenen Darstellungen umschrieben wurde.

Die Erscheinung des Christus im Ätherischen ist also identisch mit dem denkenden Verstehen-Lernen gegenüber dem Mysterium von Golgatha. Wird uns beim Denken über die Menschheitsentwicklung, und darin über das Mysterium von Golgatha, die Zeit zum Raum, lernen wir, dies in uns selbst als Bewegungsbild der eigenen Entwicklung denkend zu durchlaufen, so erleben wir den Gang des Christus durch den Tod als den verstehenden Gang des in der Zeit lebenden sich entwickelnden Denkens durch den selbstgewollten Tod unseres gewordenen Weltwissens.

Rudolf Steiner sprach immer wieder davon, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Erscheinung des Christus in der ätherischen Welt anheben sollte. Er meinte damit sicherlich keine visionären Gestalt-Erscheinungen, Licht-Offenbarungen oder dergleichen. Er wird wohl von der Erscheinung der geistigen Wirklichkeit des Christus, die im Entwicklungsgang des sich selbst beobachtenden Denkens besteht, gesprochen haben.

Rudolf Steiner kann insofern als eine Art „Gesandter“, „Vorbereiter“, „Verkündiger“ oder auch „Auslöser“ dieses Christus-Ereignisses des 20. Jahrhunderts angesehen werden.

Er starb in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, am 30. März 1925. Seitdem wirkt er in der geistigen Welt, in derjenigen Welt, in der wir alle als Geistwesen leben. Durch ihn sind wir in der Lage, uns zu demjenigen inneren Erleben aufzuschwingen, in dem die Erscheinung des Christus im Ätherischen ins sich selbst verstehende Bewusstsein treten kann.

© Stefan Carl em Huisken 2021


1 Vgl. z.B. „Den Anderen nach-denken hilft“, vor allem aber „Vom Sterben in den Geist

2 Rudolf Steiner: Das Johannes-Evangelium. GA 103. – Dornach, 1995. S. 174f. Der darin enthaltene Ausdruck „Manas-Kultur“ deutet auf eine zukünftige menschheitliche Entwicklungsepoche hin, in der das alle Menschen einigende Geistige prägend werden soll.

3 Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen, GA 192.Dornach 1964, S. 354

4 Im Zusammenhang mit der proletarischen Bewegung seiner Zeit wies Rudolf Steiner immer wieder darauf hin, dass das Berechtigte dieser Bewegung gerade darin zu finden ist, dass der Proletarier im Vergleich zu anderen, Besitzenden oder sozial Protegierten eben ein Mensch ist, der im irdischen Leben nichts als sich selbst hat, um damit sein Leben zu fristen, und daher gezwungen ist, sich ganz auf sich selbst zu stellen. Vgl. z.B. Rudolf Steiner: Neugestaltung des sozialen Organismus. GA 330. – Dornach, 1983, in fast jedem in dem Buch enthaltenen Vortrag.

5 vgl. z.B. meinen Artikel „Dämonisierte Zone Corona“ unter https://emhuisken.de/daemonisierte-zone/. Der Text kann dort als .pdf-Datei heruntergeladen werden.

6 Lewis Mumford: Mythos der Maschine. Frankfurt, 1978, S. 108

7 vgl. diverse Artikel auf meiner Website, u.a. „Den Anderen nach-denken hilft“, „Der Spiegel des Individuellen – Den Anderen nach-denken II“, „Aufwachen für das Kommende“, „Vom Sterben in den Geist“, „Der individuelle Mensch als Ausdruck und Bedingung einer geistigen Welt“, „Vom Einswerden mit der geistigen Welt“. Eine Übersicht über alle Artikel mit geisteswissenschaftlichen Inhalten findet sich hier: https://emhuisken.de/uebersicht-beitraege-geisteswissenschaft/

8 vgl. Anmerkungen 5 und 7

9 Es gibt dazu derartig viele Aussagen Rudolf Steiners in seinen Vorträgen, als dass ein einzelnes Aufzählen an dieser Stelle überhaupt sinnvoll scheinen könnte. Vgl. vor allem die Vorträge aus dem Jahr 1923.

10 Vgl. Der individuelle Mensch als Ausdruck und Bedingung einer geistigen Welt, auch in: Die Lahnung, Mitteilungen für individuelle Entwicklung und Lebenskunde, Nr. 4, 2021, S. 12 ff

11 Vgl. Anmerkung 10

12 Vgl. Anmerkung 10




Der Spiegel des Individuellen – Den Anderen nach-denken II

In => diesem Artikel wies ich darauf hin, dass Verständnis von Mensch zu Mensch nicht bedeuten muss, Gedanken, Haltungen und andere „Weggefährten“ eines anderen Menschen zu übernehmen. Das Entscheidende geschieht vielmehr im Nach-Gehen oder Nach-Denken seiner Entwicklungswege. Von einem anderen Gesichtspunkt aus möchte ich darauf hier noch einmal eingehen.

Wodurch lebt mein „Ich“?

Leben ist Veränderung, niemals Stillstand. Ein erreichter Zustand kann also niemals ein wirklich „lebendiger“ sein, denn er ist Zustand, also keine Bewegung, keine Veränderung. Jeder irgendwann erreichte Zustand ist also gleichsam „tot“, und sein Erschaffen beinhaltet auch den Sterbeprozess, der diesen Zustand als Endprodukt schließlich hervorbringt.

Nun ist mein „Ich“ aber gerade dasjenige in mir, was durch jede Veränderung, jede Entwicklung erst hindurchgeht, diese also erlebt, erst zu Leben macht. Ohne das erlebende Ich würden nämlich die jeweils vorübergehenden, vom Ich durchlaufenen Zustände nicht meinem Leben zugehörig anzusehen sein, kein sich entwickelndes Ganzes ergeben, sondern zunächst vielleicht verbunden mit anderen Lebensprozessen erscheinen, in Bezug auf mich aber „tot“ bleiben, eben Zustände, die ich beobachte, die aber nicht mit meinem Leben verbunden sind.

Dadurch, dass ich erlebend diese Zustände durchlaufe, verbinde ich sie mit mir, mit meinem Leben. Durch jede neue Verbindung, die ich so schaffe, verändere ich aber mich selber. Denn mein Leben wird reicher an „Weggefährten“, die ich mit ihm verbunden habe, und jeder neue „Gefährte“ schafft für mich neue Möglichkeiten.

Was Ich als sich entwickelndes Individuum jeweils werde, und welche Erlebens-Möglichkeiten mir dadurch zuwachsen, ergibt sich also aus meinen eigenen Taten und Impulsen. Mein Ich lebt durch sich selbst. Zwar ist es zunächst als ein durch fremden Einfluss Gewordenes entstanden (die Weltentwicklung hat mich auf geheimnisvolle Weise hervorgebracht). Je mehr ich mich aber auf das Gewordene verlasse, desto mehr stütze ich mich auf Totes, erlebe auch nichts Neues; und je mehr ich eigene Initiative hervorbringe und mit meinem Leben verbinde, desto mehr lebe ich durch mich selbst.

Leben ist Sterben

Mit jedem Schritt, den ich durch mein Leben gehe, produziere ich neue, gewordene Zustände, die ich als Ergebnisse hinter mir lasse. Jede Situation, die ich durchlebe, wird notwendig zu einer vergangenen. Wie das Wort „vergangen“schon sagt: die lebendige Situation vergeht.

Vergehen ist Sterben, Verlust des Lebens also. Jedes Leben produziert aber Vergehendes, ein solches Vergehendes, mit dem das Leben sich verbunden hat und damit auch nach und nach vergeht. Paradox zunächst, aber doch in gewissem Sinne wahr: Das Leben verzehrt sich selber, bringt den Tod hervor, einfach weil es Leben ist.

Allerdings: ist dieses Leben dasjenige des Ich, so lebt es durch sich selbst, und – stirbt fortwährend durch sich selbst ab. Ein tiefes Geheimnis unserer Zeit ist damit angesprochen. Viele Bestandteile unserer individuellen „Lebenswelten“ – also der jeweiligen individuellen Welt, in der das Ich sein Leben fristet – sind heute von Sterbeprozessen betroffen: das Sterben von Tier- und Pflanzenarten, der Verlust der Lebenskraft des Menschen (wir als Zeitgenossen werden immer kränker), ja, der Verlust der Lebenskraft des Gesamtorganismus „Erde“ sind unübersehbar. Das Absterben der Erde als Ganzer ist Gegenstand vielfältiger Theorien und Prophezeihungen geworden. Woher soll neues Leben kommen?

Schlafen und Wachen

In jedem Menschenleben gibt es einen „kleinen Bruder“ des Todes: den Schlaf. Ebenso wie der Schlaf unser Bewusstsein auslöscht bis zum nächsten Erwachen, stellen wir uns den Tod vor: als Auslöschen unseres Bewusstseins, aber so, dass dem Tod eben kein Aufwachen folgt, sondern dass das Auslöschen endgültig sei. Darum fürchten wir uns vor dem Tod, lieben ihn nicht, sondern versuchen, ihn von uns fern zu halten. Denn wir selber sind Leben, wollen leben.

Das bisher Geschilderte vorausgesetzt, können wir aber wissen, dass wir selber in genau dem Bereich leben, in dem wir im Schlaf – und im Tod – gänzlich versinken. Unser eigenes Erleben beobachten wir nicht; wir nehmen nur das Gewordene, also schon abgestorbene wahr. Wir selber sind also nicht von dieser wahrgenommenen Welt, die uns umgibt. Wir leben dort, wohin Schlaf und Tod uns führen wollen.

Das hat durchgreifende Bedeutung für das menschliche Zusammenleben. Der Andere ist – wie im =>vorigen Artikel gezeigt – in der selben Situation wie ich. Auch der Andere lebt also in der Welt, in die der Tod führt. Hören wir also einem Anderen wirklich zu, versuchen, seine (Denk-)Wege mit zu gehen, so erfordert das, dass wir gleichsam in ihn „hineinschlafen“, uns selber so lange aufgeben, wie wir den Anderen mit-leben wollen. Die Furcht vor dem endgültigen Selbstverlust, also dem eigenen Tod klingt immer mit, wenn wir uns ganz auf einen Anderen einzulassen versuchen. Nur zu verständlich, dass wir immer wieder zu uns selber zurück wollen, unser Eigenes ihm entgegen halten, und dabei sehr oft überhören, auf welche Wege er uns mitnehmen könnte, was aus seinen Wegen zu uns spricht. Wir sind also gleichsam – unbewußt – ständig im „Krieg“.

Das ist eine sehr antisoziale Seite, die aber jeder Mensch heute in sich trägt. Kein Wunder, dass es zwischen den Menschen so viel Mißgunst, Ablehnung und Streit gibt. Nur, wo der Andere mir nützt – also meiner inneren und äußeren Welt aus Sinnesdingen, Gedanken, Gefühlen, Willensimpulsen, einschließlich der gewordenen Vorstellung meiner selbst, die ich meistens „Ich“ zu nennen pflege –, nur da ist er für mich erträglich, denn nur da ist für mich Sicherheit. Ansonsten ist der Andere mein Feind, denn ließe ich mich auf ihn ein, auf sein wirkliches Leben, so könnte er mich auslöschen.

Kein Wunder auch, dass wir der Erde gegenüber, der Natur insgesamt, mit allen Tieren, Pflanzen darin, so sehr geneigt sind, nur das Tote, Feststellbare gelten zu lassen. Das ist nämlich die Erscheinung der Welt, die uns gegenüber steht, in der für jeden Menschen individuellen Konfiguration, die er eben erleben kann. Was diese Welt werden läßt, ihr Leben ist, stammt aus demselben Reich, in dem ich selber lebe. In diese Welt des Lebens komme ich nur im Schlaf oder – im Tod. Und dann weiß ich nichts mehr davon. Davor habe ich Furcht, und bleibe deswegen im Erklären der Welt lieber bei der Erscheinung: der toten, sicheren, festen Erscheinung

Sich selber fremd

Schauen wir uns das an: das „Ich“ lebt in einem Bereich, den es zunächst selber nicht wahrnehmen kann, der ihm unbewusst ist. Es ist dieser Bereich der Unbewusstheit, in den wir in jedem Schlaf versinken und – jedenfalls nehmen wir das an – auch im Tod. Aber auch das Leben und Werden der Welt findet in diesem Bereich statt: wir können nicht mit-erlebend erkennen, wie das Leben entsteht, können es jedenfalls nicht in feste Vorstellungen fassen, auf die wir uns stützen können. Kein Wunder: die feste Vorstellung ist ein Gewordenes, Vergangenes, also: Totes, darum kann sie das Leben nicht fassen.

Auch unsere Vorstellung von uns selber ist letztlich immer eine gewordene, also tote. Nur, dass wir – genügende Wachheit und Aufmerksamkeit vorausgesetzt – diese Vorstellung ständig verändern und immer wieder an die neue Situation anpassen können, das Gewordene also immer wieder neu, in jedem Augenblick überwinden können, unsere Selbst-Vorstellung also immer wieder neu aus unserem Leben hervorbringen können. Das „Ich“ lebt in seinem eigenen Tun (s.o.). Und da wir die Veränderung selber vornehmen, durchleben wir ihr Entstehen und wissen, darum, wie sie zustande kommt.

Beginnen wir zu erkennen, wie wir auf diesem Wege unser eigenes Sterben produzieren, in immer neuen gewordenen Vorstellungen von uns selber, können wir erkennen, wie wir selber ein Ausdruck sind des wohl stärksten Gegensatzes, den wir kennen, des Gegensatzes von Tod und Leben nämlich. Das „Ich“ ist Leben, das sich durch sich selbst produziert als Totes, als Vorstellung von sich selbst, als Person in der Wahrnehmungswelt, die sich in dieser Welt selbst erscheint, in der so vieles auftritt, aber niemals das Leben selbst. Die Oberfläche all der schaffenden Wesen der Welt, die wir um uns her erleben, ist immer nur eine todgeweihte. Das Leben wirkt woanders. Von mir wahrnehmen kann ich zunächst auch nur diese Oberfläche, das Gewordene.

So ist auch das, was uns aus dieser Welt in Bezug auf unser eigenes Leben entgegen kommt, eben dasjenige, was uns dem Tode näher bringt. Unser Schicksal nämlich, dasjenige, was als Bestandteil unserer individuellen Umwelt in Form der „Weggefährten“ nach und nach uns beigeordnet wird, von uns mehr oder weniger ergriffen und mit unserem Leben verbunden. Auch darin leben wir selber. All das, was mir da zukommt, gehört zu mir, meinem Ich, meiner Individualität. Es kommt so wie mir niemandem anders zu, allenfalls diejenigen Teile davon, die zum Beispiel als Zeiten-, Völker- oder Menschheitsschicksal angesehen werden können.

Auch in den Figuren, durch die mein äußeres Schicksal mich leitet, lebe ich also selber auf. Denn sie gehören zu mir, meiner Entwicklung, meinem Leben.

Spiegel des Individuellen

All das Geschilderte, das Leben und Sterben aus der Welt heraus in die geistige, lebendige Welt hinein, findet nun nicht nur in mir statt, sondern in jedem Menschen. Ich kann ja an jedem Menschen erleben, dass er in der selben Situation wie ich ist: aus einem unwahrgenommenen Ich heraus eine Welt erlebend und miterschaffend, die ihm gegenüber steht. Nirgendwo in dieser Welt kann er sich selber als Lebendigen wahrnehmen, nur immer dasjenige von sich, was geworden ist.

Doch, er kann das individuelle Leben wahrnehmen, an einer Stelle: im anderen Menschen, dem Spiegel des Individuellen. Den Anderen nach-denken – nicht seine „Weggefährten“ zu übernehmen, sondern sein Leben ein Stück mit zu gehen! – ist ein Weg, sich selber zu begegnen. Nur steht uns da die Furcht im Wege, die uns sofort überkommt, wenn wir unser eigenes Selbst-Bewusstsein hingeben sollen, um den anderen zu er-leben. Ja, es ist wahr: wir er-leben den anderen, schenken ihm Leben durch diese Tat. Wir geben ihm – und uns selber! – den Tod, wenn wir uns nur auf uns selbst zurückziehen, auf unserem und seinem Sicheren, Festen, schon fertig Gewordenen beharren.

Ganz unbewusst, im Reich des eigenen Er-Lebens, in das wir durch den Erdentod erst ganz hineinkommen werden, tun wir dies immerwährend. In jedem auch noch so kurzen Zuhören lebt es, dieses In-den-Anderen-Hineinschlafen und Zu-sich-selber-Aufwachen. Wir könnten sonst niemals wirklich verstehen, was ein anderer sagt oder uns bedeutet, könnten höchstens dasjenige, was er für unsere eigene gewordene, irdische Persönlichkeit ist, mit Sympathie oder Antipathie begleiten. Nur die uns selber betreffende Nützlichkeit des Anderen als Weltgegenstand wäre dann noch für uns von Bedeutung. Wer auch nur ein Kleines über diese Auffassung vom Anderen hinauskommt, ist schon ein Stück weit mit ihm mit gegangen, hat ihn ohne es zu merken, nach-gedacht und mit sich selbst verbunden. Nur fehlt dann das Bewusstsein davon, was geschehen ist.

Man könnte an dieser Stelle viele empirische Befunde anführen, die diese Darstellung untermauern: die gesamte Nachahmung kleiner Kinder fällt in diesen Bereich, bis hin zu Messungen, die zeigen, dass der Sprachorganismus eines intensiv Zuhörenden (auch schon von Neugeborenen!) zeitgleich die Bewegungstendenzen des Sprechenden nachbildet. Zeit-gleich, nicht eine Winzigkeit später. Der Zuhörende lebt also unbewusst mit dem Sprechenden mit, erlebt ihn nach, lebt für die Zeit des Zuhörens im selben geistigen Raum wie der Sprechende, lebt dessen Intentionen mit, wird zum Spiegel des Sprechers. Und spricht dieser aus einem Erleben der Wege des Zuhörers heraus, dann kann dieser das Sprechen wie aus sich selbst heraus erleben, als wie von ihm selber gesagt. Dann hat der Sprecher es geschafft, im äußeren Sprechen innerlich wachend so in den Zuhörer „hinein zu schlafen“, dass er wie aus diesem selber sprechen kann.

Im Anderen auferstehen

Der Sprecher, der von außen zu mir spricht, sein Sprechen aber wie aus mir selber erklingen läßt, hat etwas geschafft, was jedem Menschen zunächst durch die Furcht verbaut ist. Er ist in mich hinein eingeschlafen, und doch dabei wach geblieben. Mehr noch: er hat dann sein eigenes Leben so mit mir verbunden in der (geistigen) Welt, in der wir beide leben, das es meines geworden ist, und meines seins!.

Darum ist und bleibt er aber doch er selber, denn er steht mir ja gegenüber und spricht zu mir. Er ist gleichsam in seine Erscheinung hinein gestorben, ist geworden, was er mir im Außen nun ist, und ist gleichzeitig in mir selber zu neuem Leben gekommen. Aber ich habe dasselbe getan, ihm mein Leben geschenkt, mein Mit-Erleben, indem ich es gewagt habe, mich den Wegen, die er mich führt, gänzlich zu überlassen. Wir tun beide das gleiche, aber doch anders: ich schlafe für mich selber im Irdischen, nehme mich nicht wahr, gebe mich dem äußeren Sprechen des Anderen hin, und lasse ihn in mir auferstehen, indem ich ihn nach-denke; der Sprecher schläft im Innern für sich selber, läßt mich in sich wirken, das heißt aber mich, den Lebendigen, um mich in seinem Sprechen im Außen auferstehen zu lassen.

So kann menschliches Zusammen-Leben neue Gemeinschaft wirken: im Wechsel zwischen dem In-den-Anderen Hineinschlafen und dem Für-mich-selber-Aufwachen, je nach Rolle, die jeder gerade im Äußeren spielt. So wacht jeder im anderen auf und dadurch für sich selbst, wird so bewusst zum Spiegel des Individuellen.

Auf dieser Grundlage kann aber niemals wirklicher Streit entstehen, nur Verständnis für das fremde Wollen, das durch die ganz anderen „Weggefährten“ des Anderen notwendig als ein Fremdes erscheinen muss. So kann das „Den-Anderen-Nachdenken“ helfen, eine neue Gemeinschaft entstehen zu lassen, in der wirkliche Freiheit möglich wird.

© Stefan Carl em Huisken 2020