Michaels Weg

Licht – Sprache der Sonne
In ihr zu denken, sprechen, tun
Zeigt Michael, der seine Frage
„Wer ist wie Gott?“
Dem Sucher vorlegt, und der schreitet
voran auf dem steinigen Pfad.

Ist Gott? Wer ist er dann?
Die Frage schon allein spricht Tod.
Nicht ist der Gott in dem
Was des Suchers Auge erfasst, sein Denken umgreift;
Er verließ des Suchers erstorbene Welt.

Was ist die Welt? Ein toter Kosmos?
Wer schuf ihn dann, aus seinem Leben?
Antwort strömt aus des Raumes Weiten nicht
Auch nicht aus Zeitenläuften.
Sie spricht in dem, der uns die Götter-Sprache
Einst selber sprechen ließ in seinem Dienst.
Nun führt uns das Sein, einer toten Welt.

Wo ist das Wesen dieser Sprache
Die zu verstehen Michael uns führt im Sprechen?
Wir können nicht mehr einfach lauschen.
Nichts wird lebendig klingen ohne unsern eignen Laut.

Denn: wer ist Gott? Er ist die Liebe
Die ihren Weg zum toten Steine sucht
In dem, der Steine kann zum Leben führen.
Der ist der Gott. Von ihm zeigt seine Sprache
Uns Michael, das Antlitz Christi.

Durch ihn spricht sie, die Liebe.
Sie spricht der Welt. Und Michael,
Er zeigt den Weg, nach dem der Sucher dürstet,
Den Weg zum Leben in der Ewigkeit.

Der Weg ist da, ein jeder kann ihn finden,
Der nur der Einfalt da, wo sie im Rechte,
Nicht hindert, sondern der ihr folgt:
Der Weg des Michael ist meiner,
Wenn ich verstehend seinem Vorbild folge
Und aus dem Leben, das in mir erstand
Durch eines Gottes Tat das meine mache.

Ja, wer ist Michael? Er ist im Menschen, der sich selbst
zum Sonnensprecher macht aus Liebe.
Er senkt das neue Leben in den Tod hinein,
Weil er das eigne Leben seinem Wege opfert,
Dem Weg, den Michael uns zeigt.

© Stefan Carl em Huisken 2023




Wie wird der Mensch?

„O Mensch, erkenne dich selbst!“ – so tönte es dem Sucher aus den alten Mysterien entgegen. Da der Mensch als Werdender aber niemals gleich bleibt, sondern immer in Entwicklung ist, kann er sich selber nur verstehen, indem er sein eigenes Werden geistig umfasst.

Das innere Erkenntnislicht entsteht aus dem Selbst-Bewusst-Werden des Menschen als einem aus dem Weltganzen gleichsam „Hinausgeworfenen“, der die Welt verloren hat und den die Welt verloren hat, und der aus alldem, was er in seinem (seelischen) Innenwesen finden kann, diesen Verlust als seinen eigenen Anfang erleben lernt, indem er seine Situation in seiner Seele anschauen lernt, bedenken lernt, mit seinem inneren Denk-Seelenlicht bescheint. Er bemerkt: Ich bin anders als die Welt, „mein Reich ist nicht von dieser Welt“.

Indem der Mensch so in innerer Besinnung auf diesen „Hinauswurf“ sein eigenes Werden nachvollziehen lernt, wendet sich der Geist, der Mensch und Welt als polar sich tragende Einheit umfasst, aus dem Menschen zur Welt, fügt dieser Welt damit etwas Neues, aus ihm selber Stammendes hinzu, und muss doch gleichzeitig bemerken, dass, was er gerade hervorbrachte, ihm im selben Augenblick wieder entgleitet. Seinen eigenen geistigen Erkenntnisprozess kann der Mensch nicht festhalten, so wie es auch der Gottesgeist mit dem seinigen nicht konnte, da dieser Prozess in ständiger Wandlung ist und nur im Tun vorhanden und anschaubar.

Zwischen Welt und Geist weben also Kräfte, welche aus beiden in unterschiedlicher Weise hervorgehen, die Einheit des jeweils individuellen Menschen. Indem der Mensch als irdisches Einzelwesen in diese gleichsam kosmische Polarität und damit als Mittelpunktswesen seines eigenen, umfassenden Seins in den Raum der Welt gestellt ist, wird er zum Träger des Ausgleichs zwischen Außenwelt und Seelengründen. Vom kosmischen Schicksal ergriffen und in diesen Mittelpunkt gestellt, findet er sich auf der Suche nach dem rechten Greifen des Ausgleichs, nach demjenigen, worin sich nach Schillers Worten Anmut und Würde ausdrücken können: der Kunst und dem Spiel.1

Der einzelne individuelle Erdenmensch, so, wie er aus dem kosmischen Schicksal heraus geworden ist als ein Mittelpunktswesen des Universums, erwacht für sein eigenes Sein, und wird dadurch zugleich diesem Mittelpunkts-Sein gerecht, indem er in seinem eigenen Erwachen die eigene, in ihrem ganzen Umfang ihm noch unbewusste Göttlichkeit bemerkt. So kann er ahnen und schauen, wie aus dem Kosmos heraus dieses ganz dem Kosmos entfremdete Wesen seiner selbst, aus sich selbst heraus, zunächst in strenger innerer Denk- oder Meditations-Arbeit den Gedanken des kosmischen Wesens und Werdens hervorzubringen beginnt, der ihm selber immer mehr zur Stütze seines eigenen Seins wird. Dadurch wird er unabhängig vom kosmischen Werden, kann aus sich selbst heraus den Weg der Freiheit betreten.

Aber er muss ertragen, dass alles, was er sich und dem Weltenprozess aus sich selber hingibt, im Augenblick der ersten Wahrnehmung des gerade Gegebenen ihm entfällt, das Leben verliert, aus einem Ergebnis seiner eigenen Entwicklung zu einem Hindernis für das Weiterschreiten wird; der Mensch schafft sich also selber Widerstände, an deren Überwindung er dann zu wachsen hat2. So wird er von einem Geschöpf des Lebens zum Mit-Schöpfer, zu einem fortlaufend sich höher entwickelnden Quell des Lebens. Der Mensch selber wird dadurch zum Quell der Lebenskraft, einem Quell, der aus dem eigenen fortwährenden Schaffen heraus nach und nach zum verlässlichen Bestandteil des lebendigen Weltganzen werden kann, da er seine Kraft eben aus sich selbst, aus dem Beobachten des eigenen Tuns immer neu zu schöpfen lernt.

Was der Mensch in der Welt schafft, unterliegt deren Gesetzen in dem Augenblick, wo es der Welt übereignet wird. Macht sich der Mensch als schaffender Kräftequell aber selbst zum Gegenstand, der ihm schließlich im Weltganzen gegenübertritt, so schenkt er sein Leben gleichsam weg, geht selber durch den Tod, verändert dieses Weltganze damit aber so, dass er ihm neues Leben einhaucht. Sein eigener Zeitenstrom des Lebens gliedert sich dem kosmischen Entwicklungsstrom ein, verrinnt in diesem. Damit werden beide – Erdenmenschenwerden und kosmisches Werden – nach und nach eines. Indem der Mensch sein eigenes Selbst-Werden der Welt schenkt, soweit er dies sich selber gegenüberstellen kann, ist er dem Weltenwerden einverwoben3.

Damit tritt er ein in den geistigen „Raum“, dem das Werden entstammt. Was der Mensch im Bewusstwerden des eigenen Wesens erschafft, wird Bestandteil des Ewigen im Weltganzen. Sein eigenes Menschsein wird damit Ausdruck und untrennbarer Bestandteil des geistigen Seins und Werdens im Ganzen der göttlichen Schöpfung; seiner Aufgabe als Mittelpunkt und Schau-Platz des Weltenwerdens kann der Mensch so gerecht werden. Dass er selber die Welt und die Welt ihn verlor, ist damit Voraussetzung für beider neue Belebung und Auferstehung in die Zukunft hinein.

Kein Mensch ohne die Welt, aber auch keine Welt ohne den Menschen.


Im Erdendasein des Christus Jesus wurde daher gleichsam exemplarisch das Wesen Gottes als Urheber aller Werdekraft, aller Weltenziele und aller Weltobjekte im Rahmen des Weltenwerdens durch den Menschen Jesus und den ihm einverleibten Christus all den „Hinausgeworfenen“, den „verlorenen Seelen“ ganz handfest als Auftrag und Verheißung gezeigt: werde wie er, indem du ihn in dir wirken lässt (also: in Form deines eigenen, freien Lebens-Werdens). Nur im Rahmen der Gesamtbewegung der Menschenentwicklung bekommt dieses Ereignis einen Sinn. Indem wir lernen, im „Buch des Lebens“ zu lesen, also in den in unserem Denken erfassten Bewegungen der Lebensvorgänge, bekommen einzelne Tatsachen so ihren guten Sinn.


Auch mit den Worten, die aus dem lebendigen Schaffen des Dichters heraus bis zu toten Buchstaben auf Papier geronnen sind, ist es so. Ihren wirklichen Sinn bekommen sie nur, wenn wir Zugang finden zu den sie hervorbringenden lebendigen Denk- und Lautbewegungen – niemals aus dem einzelnen Wort heraus oder gar aus dem, was wir gewohnheitsmäßig mit ihm verbinden.

Und auch die Sprache des Schicksals folgt diesem Gesetz: nicht die „Worte“, hier also die einzelnen Ereignisse im Gang des Lebens lassen uns diese Sprache verstehen; es sind erst die Bewegungen, welche die Abfolge der Ereignisse in unserem Leben veranlassen, durch die wir die Bedeutung der Ereignisse ermessen lernen. Wie im ewigen Gesetz von Leben und Tod, aus dem wiederum neues Leben aufsteigen soll, der Menschengeist sich selbst erschafft und sein Leben der Welt übergibt, so gibt die Sprache des Schicksals zwischen Sterben und Auferstehung dem Menschen erst den Sinn seiner selbst.

© Stefan Carl em Huisken 2023

1vgl. Schiller, Friedrich: Über Anmut und Würde. In: Schiller, Friedrich: Schriften. Schillers Werke. Band 4. – Frankfurt a.M. 1966, S. 141ff, besonders S. 170ff

2Tat dies der Gott nicht in ähnlicher Weise? Vgl. den Aufsatz „Wer ist Gott?“, https://emhuisken.de/wer-ist-gott/

3An einer eher praktischen Frage habe ich dieses Sich-Einverweben in den Weltenstrom ein wenig erörtert in meinem Artikel „Was hilft die Aufregung? – Die Kräfte wirksam nutzen“, hier: https://emhuisken.de/das-boese-was-hilft-die-aufregung-die-kraefte-wirksam-nutzen/


Cover Wahnsinn und Denken Menschen-Werden

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Was ist die Welt?

Was für eine überflüssige Frage, mag mancher denken, das ist doch ganz klar! Dass diese Frage vielleicht nicht gar so überflüssig ist, sondern vielleicht zu interessanten und wichtigen Einsichten führen kann, soll mit diesem kleinen Aufsatz versuchsweise dargelegt werden.

Zunächst: was jedem Einzelnen von uns als Welt sinnlich wahrnehmbar gegenübersteht, hat den Charakter des Gewordenen, bis zum derzeitigen Zustand Fertiggestellten, und als solches zunächst also Unveränderlichen – das in der Vergangenheit liegende Werden kann nicht mehr so beeinflusst werden, dass die vorliegende Erscheinung der Welt eine andere wird. Soll etwas anders werden, muss der vorliegenden Welt ein neuer Werdeprozess hinzugefügt werden, der dann einen veränderten Zustand der Welt zur Folge hat. Es muss also zunächst der Summe der bisherigen Werdevorgänge eine neuer Vorgang hinzugefügt werden.

Dies kann uns aufmerken lassen: der aktuelle Zustand der wahrnehmbaren Welt ist ein fester, gegebener. Jede Veränderung kann nicht aus diesem Zustand selbst erfolgen, denn dieser ist eben Zustand. Und Zustande sind Ergebnisse von Vorgängen, welche aus sich selber heraus niemals Zustände sein können, sondern diese eben hervorbringen. Prozesse als solche können also keine wahrnehmbaren Gegenstände der Sinneswelt sein, also geworden, sondern sie sind geradezu das Werden selbst.

Der sinnlich wahrgenommene Welt-Zustand kann also niemals aus sich selbst heraus Veränderung erfahren, sondern nur aus dem Reich der Zeitgestalten heraus, das heißt, der sich im zeitlichen Ablauf formenden Intentionen. Um Missverständnissen vorzubeugen: mit dem Wort „Intention“ wird hier nicht bloß auf bewußte Zielorientierungen hingedeutet, sondern einfach auf die Tatsache, dass jedem zeitlichen Ablauf das Erreichen irgendeines Zieles eignet, sei es vorher oder nachher oder gar nicht erkannt. Sobald der Ablauf beginnt, wirkt also wie aus der Zukunft heraus eine „Intention“.

Jede Veränderung des Weltzustandes hat damit ihren Ausgangspunkt außerhalb der Summe der im Weltzustand zusammengefassten Einzel-Gegenstände und Verhältnisse. Das Reich des Werdens ist ein anderes als dasjenige des Seins. Schon in den Wortklängen drückt sich das aus: durch das Walten der Intentionen entsteht die Welt in ihrer jeweiligen Verfassung.

Es ist wichtig zu bemerken, dass nur die gewordene, also „seiende“ Welt mit Sinnen wahrgenommen werden kann. Das Werden nehmen wir nicht direkt wahr, wir konstatieren es nur anhand der Unterschiede der aufeinanderfolgenden Welt-Zustände, im Rahmen unseres Mit-Erlebens. Das Werden ist also nicht Bestandteil der Sinneswelt, sondern formt diese, ist ihr in gewissem Sinne „übergeordnet“. Die Gesamtheit solcher Werdevorgänge bezeichnen wir in der Regel als das „Leben der Welt“; sofern diese Vorgänge uns als Person betreffen, als unser eigenes Leben1. Kurz und gut: der Welt eignet ein Leben, das aber, da es als Auslöser immer neuer Welt-Zustände fungiert, der aktuell seienden Sinneswelt offenbar übergeordnet ist. Dieses Leben ist selber ein Nicht-sinnliches, das man aufgrund der genannten Überordnung auch ein Übersinnliches, also Geistiges nennen könnte.

Noch „geistiger“ in diesem Sinne ist die den Lebensprozeß bestimmende Intention. Sie schließt den gesamten Prozeßverlauf einschließlich seines Anfangs- und Zielzustandes ein, ist also sozusagen ein „das Leben Bewirkendes“ und damit noch „übersinnlicher“ als das Leben selbst. Die Intention ist damit Offenbarung eines Wollens2, eines Willens also, der sich bereits ein Ziel gesucht hat.

Jede Zustandveränderung in der Sinneswelt ist damit ein im Übersinnlichen wurzelndes Offenbaren eines Wollens durch eine Intention, die das Walten des Lebens so bestimmt, dass eine gerichtete Zustandsveränderung in der sinnlich wahrnehmbaren Welt stattfindet. Wollen, Intention und Leben sind übersinnliche Entitäten, die für den Einzelnen daher nicht unmittelbar gegeben, sondern nur durch eigene Anstrengung denkend erfassbar sind3.

In einem umfassenderen Sinne kann man nun auch die ganze Summe der sinnlichen Welt-Erscheinungen zusammen mit den darin waltenden Lebensprozessen und Intentionen als „Welt“ bezeichnen, insofern sie uns in der inneren Anschauung gegenübertritt, also gleichsam „wahrgenommen“ wird. Denn auch der Intentionen- und Lebensprozess-Vorrat, der zu dem jeweils gegebenen Zustand der Erscheinungswelt gehört, ist in gewissem Sinne ein „Gewordenes“, wenngleich durch seinen übersinnlichen Charakter nicht unveränderlich, sondern in ständiger Entwicklung begriffen; bezogen auf einen bestimmten Weltzustand ist er aber ein Gewordenes. Es gibt also ganz offenbar ein noch höheres Reich außer den Sinneserscheinungen, den übergeordneten Lebensprozessen und den darin waltenden Intentionen als Ausdruck gerichteten Wollens, ein Reich, von dem aus die Gesamtheit von Zuständen, Prozessen und Intentionen beobachtet werden kann.

Bis zu diesem Punkt gekommen, scheint es auch berechtigt, in gewisser Weise von unterschiedlichen „Welten“ zu sprechen: der äußeren Welt der sinnlich-physischen Körper, der Welt der Lebensprozesse, die vielfach auch die „ätherische Welt“ genannt wird, und die Welt, aus der als Offenbarungen eines Wollens die Intentionen stammen, die in den Lebensprozessen wirken. All diesen Welten gehört der Mensch an mit dem Teil seiner Gesamtwesenheit, der ihm das Leben in der Welt vermittelt. Dadurch, dass er sich aber diesen drei Welten gegenüberstellen und dadurch einen Gesichtspunkt einnehmen kann, der über sie hinausgeht, erweist er sich gleichzeitig als Angehöriger desjenigen Reiches, das diese drei Welten umfasst und sich dadurch ihnen übergeordnet zeigt.

Sind schon die Regionen der Lebensprozesse und Intentionen als übersinnliche gewissermaßen ein „Geistiges“, so kann man diejenige Welt, aus der erst Wollen und Intentionen hervorgehen, und der der Mensch angehört, als die „eigentliche geistige Welt“ bezeichnen. In ihr wurzelt der Mensch mit seinem Ich, das sich durch sein leiblich-seelisches Leben in der Welt ausprägt. So kann er auch seine Intentionen dem Weltenwerden einverleiben.

Nun ist es aber eine Tatsache, dass die jeweilige bewusstwerdende Kombination von Intentionen, Lebensprozessen und Weltgegenständen, die für einen Menschen seine Welt bedeutet, vollkommen individuell, für jeden Menschen einzigartig ist. Was in ihm von der Gesamtheit dieser Welten bewusst, und was unbewusst auftritt, ist für jeden Menschen individuell verschieden. Dennoch kann gesagt werden, dass alle Menschen in dieser Hinsicht in derselben Welt leben. Denn auch das, was einem Menschen unbewusst bleibt – in den meisten Fällen also wohl der überwältigend große Teil der Bestandteile dieser drei Welten – gehört zu ihm, ganz individuell.

Ebenso, wie man unzweifelhaft wissen kann, dass der Bewusstseinsinhalt eines jeden Menschen ein einzigartiger, individueller ist, muss gesagt werden, dass der Inhalt eines jeden menschlichen Unbewussten völlig individuell ist; ebenso wie jeder Mensch nur einen individuellen Teil der ihm gegenüberstehenden Welten mit seinem Bewusstsein umschließt, ist der aus seinem Bewusstsein ausgeschlossene Teil des gesamten Weltenseins ein völlig individueller. Damit steht immer das Weltganze jedem einzelnen Menschen als Teil seinen ureigensten Wesens gegenüber; lediglich die Verteilung von Bewusstem und Unbewusstem ist bei jedem Menschen verschieden.

Man kann also insofern sagen, dass es eine wie auch immer geartete Welt ohne den Menschen gar nicht geben kann, denn ohne ein ihr gegenüberstehendes Ich, das ihre Existenz in allen Facetten umgreift, kann ihr Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gar nicht festgestellt, allenfalls vermutet oder geglaubt werden. Damit ist ja nicht gesagt, dass die Welt (oder die Welten) nur von des Menschen Gnaden und von ihm bewusst oder unbewusst erzeugt würden; nur, dass es eine Welt ohne den Menschen nicht geben kann, ebenso wie ohne Welt kein Mensch existieren könnte. Beide gehören untrennbar zusammen.

Diese Zusammengehörigkeit von Welt und Mensch ist eine polare: was ihm als Welt gegenübersteht, bekommt seine Impulse aus der Region, der der Mensch entstammt, dem Reich des Geistes also. In diesem Reich des Geistes selbst kann es zunächst keine Intentionen, Lebensprozesse und Sinnesobjekte in Form von Wahrnehmungen von etwas Gewordenem geben; sie gehen ja gerade aus diesem Reich hervor und stellen sich ihm im Menschen gegenüber. Dieses „Gegenüberstehen im Sein“ ist also die Sache der Welt. Was oben als eine Art übersinnlicher Welten bezeichnet wurde, umfasst insofern immer nur diejenigen Prozesse und Intentionen, die sich bereits in der Schaffung eines bestimmten Zustandes ausgewirkt haben; die aktuell wirksamen Prozesse und Intentionen wirken ja gerade auf diesen gegenwärtigen Welt-Zustand ein, stehen ihm insofern gegenüber, so lange, bis sie sich ihm sozusagen „einverleibt“ haben.

So umschließt das Reich des Geistes alles Weltensein, denn ohne dieses Geistesreich des Ur-Wesenhaften wäre die Welt nicht; ohne die Welt aber hätte der Geist kein Feld, auf dem er sich seiner selbst bewusst werden könnte. Keine Weltgesamtheit ohne den – sagen wir es nur frei heraus: göttlichen – Geist, aber auch kein Geistbewusstsein ohne Welt. Jeder individuelle Mensch kann insofern als eine einzigartige Variante dieses Verhältnisses von Gott und Welt angesehen werden.

Man könnte auch sagen: Gott ist der Geist der Welt, in ihm hat alles Weltensein sein Urwesen, auch dasjenige des Menschen. Bezüglich des heutigen Menschen4 muss man sagen, dass er ganz grundsätzlich ein Werdender ist auf dem Wege immer umfassenderer Erkenntnis der Welt, aus der er lernen muss, das göttliche Urwesen immer mehr mit sich selber übereinstimmend zu erleben, damit also den unbewussten Teil seiner Welt immer weiter in einen bewussten umzuformen, indem er nach und nach „Denkorgane“ entwickelt, durch die er Übersinnliches in seine Anschauung aufnehmen kann; jedenfalls dann muss er dies lernen, wenn er nicht bei seinem erreichten Erkenntnisstand verbleiben und nur aus diesem heraus sein Leben fristen will.

Gleichzeitig ist aber der Mensch dasjenige Wesen, das im Prinzip, in seiner geistigen Konfiguration dem göttlichen Geiste gleicht, und das dadurch zum Werkzeug des Fortschrittes der Bewusstwerdung der gesamten Welt werden kann. Ohne ein solches Werkzeug-Wesen müsste Gott sozusagen darauf verzichten, sich seiner selbst bewusst zu werden. Hier gilt es: „Und Gott schuf dem Menschen zu seinem Bilde“ – das ist gleichermaßen Vermächtnis und Aufgabe für den Menschen.

Wenn also heutzutage aus Bereichen heraus, die den meisten Menschen unbewusst bleiben, zunehmend zerstörerische Tendenzen sich im gewohnten, gewordenen Leben der Welt geltend machen, ist es vielleicht überlegenswert, dort zu suchen, wo diese Tendenzen entspringen, und sich zu fragen, welche Intentionen aus der göttlich-geistigen Welt wohl darin walten, dass dem Menschen sein gewohntes Leben in der Welt zunehmend sauer wird, und dies gerade und vorwiegend durch diejenigen Dinge und Prozesse, die er selber in die Welt gesetzt hat unter der Verheißung einer Art ewigen, bequemen Schlaraffenland-Lebens.

Wer nicht selber mitwirkt an der Bewusstwerdung Gottes durch den Menschen in der Welt, indem er sich zurücklehnt, sich mit dem schon Erreichten zufriedengibt und ansonsten „Gott lenken“ lässt, seine eigene Welt also nicht durch eigene Erkenntnisarbeit immer mehr mit Bewusstsein durchdringen will, muss damit rechnen, dass die ursprünglichen göttlichen Intentionen in seiner individuellen menschlichen Welt so wirken, dass sie ihm die Folgen seines Tuns nachhaltig zu Bewusstsein bringen, dann allerdings ohne die Beteiligung des Menschen, weil der ja eben nicht mitwirkt.

Ohne Gott („Geisterreich“) keine Welt, ohne Welt aber auch kein Mensch. Und ohne die Mitwirkung des Menschen dann irgendwann keine Welt, und damit auch kein Mensch. Die Menschen-Welt trägt in sich die göttliche Intention der Bewusstwerdung, der sich der einzelne Mensch wohl widersetzen kann – aber mit welchen Folgen?

Die Welt scheint also für jeden Einzelnen vielleicht mehr zu bedeuten, als er sich derzeit eingesteht. Darauf wollte dieser kleine Aufsatz hinweisen.

© Stefan Carl em Huisken 2023

1Inwieweit diese Aussage evtl. im Hinblick auf technische Gegenstände modifiziert werden muss, ist andernorts zu erörtern.

2wiederum: nicht unbedingt eines irgendwie bewussten Wollens.

3Es kann sich durch ausreichende Übung des eigenen Denkens durchaus eine Art „Wahrnehmung“ solchen übersinnlichen Entitäten ergeben; sie fallen im Augenblick der Wahrnehmung in den Bereich des Gewordenen hinein. Auch ein Werdeprozeß kann in diesem Sinne „geworden“ sein, indem er immer wieder unverändert abläuft, gleichsam automatisch, maschinell.

4Für andere Zeitepochen ist durchaus ein anderes Verhältnis von Mensch und Welt denkbar.


Cover Wahnsinn und Denken Welt

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Wer ist Gott?

Ein mir sehr nahestehender Mensch, der durchaus genialische Züge hatte, sehr viel weiter dachte als viele andere und aus diesen Eigenschaften heraus künstlerisch tätig war – er malte, schrieb, erzählte Geschichten, verfasste Lieder und war im „Brotjob“ journalistisch tätig – pflegte auf die Frage nach Gott das Folgende zu antworten, sinngemäß:

„Mit Gott habe ich nichts zu tun. Entweder er ist allwissend, allweise, allmächtig – dann ist er für mein begrenztes Auffassungsvermögen zu groß, unfassbar, so dass ich mit ihm nichts anfangen kann. Oder er ist bloß mein Gedanke, dann ist er aber mir untertan und daher irrelevant, der Mühe nicht wert. Also habe ich mit ihm nichts zu tun.“

Dieser Mensch, der so dachte, ist an dem zugrunde liegenden Problem letztlich so nachhaltig gescheitert, dass er nur noch aus dem Leben scheiden konnte. Das hat ihn aber natürlich keinen Schritt weiter gebracht im Sinne einer Lösung.

Denn: wie, wenn er nun wirklich den allweisen, allmächtigen Gott gar nicht fassen konnte? Dann könnte er doch gar nicht beurteilen, ob er ihn fassen könnte in seinem Denken? Dann fehlte ihm doch der Urteilsmaßstab? Oder hat er da – unbemerkt – doch schon gleich sein eigenes Urteil über die eigene Begrenztheit Gott untergeschoben?

Und: wie, wenn er nun diesen Gott eben nur so denken könnte, wie er sich selber erkennt, nämlich begrenzt? Dann wäre Gott ihm ja „zu klein“ – ist er sich selber zu klein gewesen? War denn daran gar nichts zu ändern?

Man sieht schon an diesen relativ überschaubaren Fragen, wie sehr auch ein sonst klarer und scharfer Denker Wesentliches übersehen kann.

Die Sache hat ihren Ursprung darin, dass eben sowohl „Gott“ als auch „Ich“ als ein Statisches, also gleichsam „Fertiges“ gedacht werden – also ein Begrenztes. Das sind aber beide nicht; zumindest bei mir selber kann ich ja beobachten, dass ich mich entwickle, anders werde, vielleicht von Zeit zu Zeit sogar ein bisschen weiser – gottähnlicher? Da ich aber zunächst mich als Geschöpf ansehen muss von Mächten, die zu einem relevanten Teil außerhalb meines Bewusstseins liegen, von Mächten also, die ich einmal summarisch auch als „Gott, der Unbegriffene“ oder einfach als „Götter“ bezeichnen könnte, gleichzeitig aber die Entwicklungsfähigkeit grundsätzlich in mir angelegt ist, kann diese Fähigkeit – jedenfalls, soweit ich sie mir nicht eindeutig selber angeeignet habe – nur von eben diesen Mächten in mich gelegt worden sein. Sie müssen sie also besitzen, oder zumindest besessen haben, als sie diese Fähigkeit in mir anlegten. Damit sind aber sowohl „Gott“ bzw. die „Götter“ als auch ich im Grundsatz unbegrenzt, denn Entwicklung aus sich selbst heraus kennt erst einmal keine prinzipiellen Grenzen.

Warum also sollte nicht Gott mich als begrenztes Wesen in seine Allmacht aufgenommen haben? Denn wie entstehen Allmacht und Allweisheit? Nur aus begrenzter Macht und Weisheit, die sich selber aus sich selbst entwickeln. Woher sollte Gott seine Allweisheit und Allmacht haben als aus sich selbst? Es kann kein Wesen über ihm geben, sonst wäre er ja eben nicht – Gott, der Allweise und Allmächtige.

Also schuf er den Menschen zu seinem Bilde. Und das Bild musste alles in sich tragen, was Gott ausmacht, aber so, dass das Bild zugleich all dies erst noch aus sich selber entwickeln musste: die Allweisheit und Allmacht zum Beispiel. Denn sonst wäre es ja nicht das Bild Gottes.

Gott ist frei – Allweisheit und Allmacht sind bloß Attribute dieser Freiheit. Und zugleich ist er der Träger der Allliebe, denn er schenkt seine Freiheit, mit der Allweisheit und Allmacht, seinem Bilde, gibt sein Bestes hin. Aber er schenkt es so, dass sein Bild von alledem nichts kennt, nichts weiß, sich die Erkenntnis und das Wissen erst erarbeiten muss – als eben etwas Begrenztes, aber Entwicklungsfähiges. Den Menschen also, uns selber hat er dann erschaffen. Und der trägt in sich, in jedem Exemplar, den Gott, als Gedanken, als Bild, als Antrieb, als Wille also, als Ziel seines Wollens.

Ist der Mensch bereit, den Gott in sich, in seiner Welt, in jedem anderen Menschen so zu lieben, dass er bereit ist, seine eigene Entwicklung dem Gotte, dem anderen Menschen als Bild des Gottes, ja, auch sich selbst als Gottes Bild zu opfern, so wird er seinem göttlichen Kern und Ursprung gerecht, realisiert durch sich, was er erst werden soll.

Lehnt der Mensch sich aber bequem zurück, dann muss er damit rechnen, dass Gott es ihm gleich tut. Indem der Mensch also seine eigene Entwicklung nicht selber erringen will, sondern sie sich vom Gotte schenken lassen, so wird er erleben, wie der Gott ihn, den Menschen, gleichgültig verschmähen wird, ebenso wie der Mensch es verschmäht, sich dem Gotte hinzugeben.

Wenn der Gott sich durch den Menschen selber neu erschaffen will, so muss er seine Freiheit und damit Allweisheit und Allmacht dem Menschen schenken, in Allliebe. Und dann ist es am Menschen, ob er diese Allliebe erwidern will, in der Hingabe an sein Schicksal, das ihm den Gott vorstellt. Tut er das nicht, dann vernichtet er zugleich sich selber, denn wo kein Mensch, der den Gott erschaffen will, in fortwährender Selbstentwickelung, da ist auch kein Gott, der sich zum Menschen machen will.

So ist das eben mit der Freiheit. Sie kann sich nur in Liebe zum Fremden selbst erschaffen, oder sie zerstört sich selbst.

Der Mensch, den ich eingangs schilderte, hat diesen grundlegenden Gedanken der Entwicklung nicht denken können. Sonst hätte er im Leben – also in seiner Entwicklung in der Welt – bleiben können. Was in ihm noch lag an möglichen Liebestaten in der Welt – und ich bin sicher, das war noch viel –, ist nun für dieses sein Leben und das seiner Zeitgenossen zunächst verloren. Aber es ist ja nicht weg, einfach weg. Es ist jetzt dort, wo eben sein Unbewusstes lag, das Unbewusstsein der grenzenlosen Entwicklung – in uns allen also, die wir doch Tag für Tag im Alltag uns ähnlich benehmen wie dieser Mensch, indem wir überall Grenzen sehen, die wir nicht übersteigen zu können vermeinen.

Eine dieser Grenzen ist der Tod – aber woher wollen wir eigentlich wissen, dass der Tod eine absolute Grenze ist, nicht nur eine Schwelle, die wir im Entwicklungsgang von Zeit zu Zeit zu überschreiten haben, ebenso wie die Geburt? Wenn unsere Entwicklungsmöglichkeit vorhanden ist, wir also prinzipiell grenzenlos, dann können wir uns auch in unser und des Gottes Ewigkeit hinein entwickeln, also: Gott werden, allweise und allmächtig. Und Gott erschuf den Tod. Also steht er über ihm. Auch wenn der Tod – das eigene Geschöpf – ihm erst die Möglichkeit des ewigen Lebens in der Auferstehung verschafft. Und daran sind wir Menschen nicht ganz unbeteiligt.

Ein Beweis, dass Menschen auch im Tode noch ihre Entwicklungsimpulse fassen können, ist diese kleine Erzählung und Erörterung. Weil der Mensch, von dem ich ausging, so war, wie er war, und danach handelte, entstand dieser kleine Aufsatz. Ohne diesen Menschen wäre das wohl nicht in der gleichen Weise geschehen. Da hat der „Tote“ wohl durch mich seinen Ausdruck gesucht; einen eigenen Leib in der Welt hat er ja gerade nicht zur Verfügung, um das hier Dargestellte zu erleben, zu denken, zu schreiben. – Sind die Toten eigentlich wirklich tot, also „aus der Welt“?

Und ja. ist Gott tot? Haben wir etwas damit zu tun?

© Stefan Carl em Huisken 2023


Cover Wahnsinn und Denken Gott

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Veranstaltungsreihe: Em Huisken’s Kultur-Raritäten

Mit der Veranstaltungsreihe „Em Huisken’s Kultur-Raritäten“ möchte der Norder Autor, Musiker und Geisteswissenschaftler Stefan Carl em Huisken beginnend mit dem Frühjahr 2023 Beiträge aus der Gegenwartskultur – vor allem aus der Region – zur Geltung bringen, die sich ansonsten „rar machen“, die man also in dieser Form in der Region sonst kaum oder gar nicht finden wird. 2024 geht die Reihe ins zweite Jahr.

Es gibt zwei unterschiedliche Schwerpunkte: Einerseits gibt es kleine, intime Konzerte mit Musik, manchmal auch Tanz, (meistens) abseits des Mainstreams, Lesungen und kleine Ausstellungen von ungewöhnlicher Kunst. Hier kommen vor allem regionale Künstler zum Zuge. Auf der anderen Seite finden geisteswissenschaftliche Vorträge und Gespräche statt. Seit Jahren gibt es in Ostfriesland kaum wahrnehmbare Aktivitäten auf der Grundlage wirklicher Geisteswissenschaft; hier soll eine Art Anlaufstelle geschaffen werden, durch die sich auch neue Arbeitsgruppen konstituieren können.

Die Veranstaltungen sind – ihrem gemeinsamen Thema gemäß – als kleine, eher intime Zusammenkünfte geplant. Die Platzzahl ist zunächst meistens begrenzt auf maximal 20 Teilnehmer; der Eintritt beträgt 10 €, wobei auf Anfrage Ermäßigung möglich ist. Sie finden in den gemütlichen Räumen der Teestube Westgaster Mühle in Norden statt und werden begleitet durch die freundliche Belegschaft der Teestube. Getränke und/oder kleine Snacks sind also verfügbar, aber immer ohne Verzehrzwang. Beginn ist in der Regel 19:30 Uhr, Ende 22:00 Uhr, zumeist mit einer Pause.

Besonders erfreulich ist, dass sich in Norden ein wunderbar geeigneter Ort für solche Veranstaltungen gefunden hat: die Teestube Westgaster Mühle in der Alleestraße. Sie bietet mit ihren Räumen beste Möglichkeiten; ein Besuch lohnt sich absolut auch außerhalb der Veranstaltungen. Die Zusammenarbeit mit der Inhaberin gestaltet sich sehr gut.

Alle Veranstaltungen werden rechtzeitig vorher der regionalen Presse mitgeteilt, und =>hier bzw. auf der Website der Teestube in der Westgaster Mühle angekündigt. Platzreservierungen sind auf der einzelnen Veranstaltungsseite, per =>Email oder über Telefon 04931/972537 möglich (Veranstaltungsdatum und -titel, Name, Wohnort, Telefon und Anzahl der reservierten Plätze nennen).

Es besteht die Hoffnung, dass diese kleinen, intimen Veranstaltungen zu einem festen Bestandteil des Norder Kulturlebens werden können.




Schottisch-Friesische Freiheit im Lokschuppen Jever

Musiker-Projekt spielt wieder vor ausverkauftem Haus

Kulturzentrum LOK 11.03.2023
Die Projektband beim Finale in Jever

Am vergangenen Samstag, dem 11. März 2023, lud wiederum die Musiker-Kooperation „Schottisch-Friesische Freiheit – Klänge von Moor und Mee(h)r“ zu einem Konzert in der Region ein, diesmal im Kulturzentrum LOK in Jever. Wie schon im vergangenen November im Hayungshof in Dunum waren die Karten bereits lange vor dem Konzert ausverkauft, so dass die knapp 30 Mitwirkenden wiederum vor einem ausverkauften Saal ihr außergewöhnliches Programm darboten. Wer einen Platz ergattert hatte, wird es wohl schwerlich bereut haben. Dafür sprechen jedenfalls lang anhaltender Applaus und viele positive Rückmeldungen nach dem Konzert. Ein neuerlicher Auftritt der Projektband in Jever im kommenden Jahr ist bereits in Vorbereitung.

Erster Teil

Ein stimmungvoller Einstieg mit dem bekannten Lied „Amazing Grace“, gesungen von Petra Fuchs und dem Chorus LokEmotion, der ja eine der regelmäßigen Aktivitäten im Kulturzentrum LOK darstellt, und gespielt von der gut gestimmten Dudelsackband „Moorland Pipes an Drums“ ließ bereits aufhorchen. Nach der Begrüßung durch den Moderator Stefan Carl em Huisken aus Norden ließen die „Moorland Pipes an Drums“ aus der Wesermarsch, deren Mitspieler von der Küste von Cuxhaven bis Südbrookmerland kommen, unter der Leitung von Pipemajor Heike Büsing einen Auszug aus ihrem Programm hören. Hier an diesem Abend spielte eine Pipeband, die darauf Wert legt, nicht nur laut, sondern auch schön zu klingen. Das Publikum applaudierte begeistert; besonders das Drumsolo, genannt „Drum Salute“ ist hervorzuheben.

Zweiter Teil

Nach der Pause begann es zunächst wiederum stimmungsvoll und sehr viel leiser. Der Moderator Stefan Carl em Huisken leitete kundig und humorvoll durch das Programm. Die erst im Rahmen des Projektes entstandene Formation „Moorland Smallpipes and Friends“ bestehend aus Heike Büsing und Gerda Lücken von der Pipeband (Smallpipes), Johann Reents vom Chorus LokEmotion (hier mit der Gitarre) und Stefan Carl em Huisken von Duo jank frison (Akkordeon) spielten einige erst besinnliche, dann schwungvollere schottische Tunes. Anschließend bot der Chorus LokEmotion a capella einen besinnlichen Folksong und zwei Shanties einschließlich des allgemein bekannten „Wellaman“ dar. Dabei stieg die Stimmung bereits merklich.

Das Duo jank frison – Heike Büsing (Dudelsäcke) und Stefan Carl em Huisken (Akkordeon, Gesang, Gitarre) gingen dann zum friesischen Part über: ihre Texte sind in Friesisch (Altfriesisch, Saterfriesisch) und Oostfräiske Toal verfasst. Alte Sageninhalte, ein Loblied auf die sogenannten „kleinen Sprachen“, eine Hymne auf die Frieslande und die sehr tanzbar neu arrangierte Ballade vom „Buhske di Remmer“ gipfelten schließlich im „Danz för dunker-griese Dagen“. Das Publikum sang teilweise kraftvoll mit oder klatschte und stampfte den Rhythmus. Der Chorus LokEmotion hatte zu mehreren der Lieder Chorsätze einstudiert, wodurch die Lieder klanglich besonders gut zur Geltung kamen. Während des letzten Tanzstückes marschierte bereits die Pipeband wieder auf die Bühne; die Drummer unterstützten den Rhythmus.

Finale

Das Finale mit dem Titel „Störm“ bot eine bekannte irische Melodie mit einem neuen plattdeutschen Text von Gerda Lücken aus Südbrookmerland. Hier wurden alle Beteiligten zusammengeführt: die Solosängerin Petra Fuchs, Chorus LokEmotion beim Refrain, an der Gitarre Johann Reents und Stefan Carl em Huisken, an der Great Highland Bagpipe einige Zwischenspiele von Heike Büsing, und zum Schluß die Pipeband mit Gitarren- und Chorbegleitung. Als Zugabe nochmals eine etwas anders arrangierte Version von Amazing Grace und ein schottisches Set von den „Moorland Pipes and Drums“ schlossen diesen eindrucksvollen Abend ab. Mancher hätte sicherlich gerne noch weitere Zugaben gehört.

Das Projekt „Schottisch-Friesische Freiheit“ ist eine freie Kooperation von Musikern und Musikgruppen aus der Küstenregion von Cuxhaven bis Norden, die sowohl professionell als auch „im Nebenberuf“ musikalisch aktiv sind. Nähere Informationen finden Sie unter schottisch-friesische-freiheit.de im Internet.

Für das Jahr 2023 sind noch mehrere Konzerttermine in der Region in Vorbereitung. Wer informiert sein will, kann sich auf der Website für einen Newsletter anmelden; die Presse erhält immer rechtzeitig vorher ausführliche Informationen.

© Stefan Carl em Huisken 2023




Vielen Dank, Martin Barkhoff!

Der folgende Text entstand als Reaktion auf einen Artikel von Martin Barkhoff in Ein Nachrichtenblatt, Nr. 5/2023. Dieser Artikel steht natürlich hier nicht zur Verfügung, ist auch nicht einfach frei im Internet zugänglich. Da aber in meiner Ergänzung ganz allgemein Verständliches dargelegt wird, das auch – meiner Ansicht nach – notwendig ist zu sagen, stelle ich meinen Text hier zu Verfügung. Er wurde auch an „Ein Nachrichtenblatt“ versandt mit der Bitte um Veröffentlichung.

Selten ist es mir so gegangen wie mit Martin Barkhoffs Artikel „Was kommt nach der Demokratie? – Zukünftige anthroposophische Gesellschaften“ in ENB 5/2023, S. 6ff. War schon der Titel vielversprechend – ich hatte ja selber in zwei Beiträgen1 auf meine eher „individualistische“ Auffassung anthroposophischer Gesellschaftsbildung aufmerksam gemacht, besondern im Hinblick auf Rechtskonstrukte, wie die „Demokratie“ ja auch eines ist – so klang bei mir spätesten ab dem dritten Absatz des Barkhoffschen Textes ständig innerlich ein „Applaus, Applaus!“ beim Lesen mit. Und es kam der Gedanke auf: endlich sagt es mal einer, und einer, der vielleicht auch gehört wird! Herzlichen Dank, Martin Barkhoff!

Einen Aspekt möchte ich aber noch hinzufügen, der vor allem mit der Motivation desjenigen zu tun hat, der sich im Sinne der von Barkhoff geschilderten Art, sich zu assoziieren, zum „Instrument für das Erforderliche umformen“2 will. Er wurde von Rudolf Steiner im Jahre 1900 in seinem zweiteiligen Artikel „Der geniale Mensch“ in einer Art Rezension des gleichnamigen Buches von Hermann Türck formuliert3.

Nachdem Steiner sich im ersten Teil des Artikels mit der Frage auseinandergesetzt hat, was Genialität sei und wie sie im zeitgenössischen Bewusstsein begriffen werden kann, so kommt er im zweiten Teil zu einer ausführlichen Kritik der Türckschen Denkweise in dieser Sache.

Dazu zitiert er unter anderem den Satz von Türck: „Ist Genialität gleichbedeutend mit Objektivität oder Selbstlosigkeit, so wird das praktische Verhalten des genialen Menschen dahin zielen, alles, was zu tun ist, mit ganzer Seele zu tun, mit voller Hingabe an das Werk selbst, sei es, was es ist.“4 Dann macht er darauf aufmerksam, dass Türck offenbar übersieht, „daß diese Selbstlosigkeit dem Genie eine sich bis zur geistigen Wollust steigernde Befriedigung gewährt.“5 Er fährt dann fort:

„Ich bin von tiefem Mißtrauen erfüllt gegen die Menschen, die viel von Selbstlosigkeit, von Altruismus sprechen. Mir scheint,gerade diese Menschen haben kein rechtes Gefühl für das egoistische Behagen, das eine selbstlose Handlung gewährt. Die Menschen, die behaupten, man solle nicht an dem Zufälligen, Unwesentlichen, Zeitlichen des Daseins kleben bleiben, sondern nachdem Notwendigen, Wesentlichen, Ewigen streben: sie wissen nicht, daß das Zufällige und Zeitliche sich in Wirklichkeit von dem Ewigen und Notwendigen gar nicht unterscheidet. Und das genialische Verhalten ist gerade dieses, das aus dem Zufälligen, Unbedeutenden überall das Notwendige, Bedeutende hervorzaubert. Türck sagt: «Wo das persönliche Interesse, wo die Subjektivität,wo die Selbstsucht ins Spiel kommt, geht die Wahrheit zum Teufel. Sind also Selbstsucht, Subjektivität und Lüge verschwistert, so ist der Gegensatz der Selbstsucht, die Liebe, das reine sachliche Interesse, die Objektivität aufs engste verbunden mit der Wahrheit» (S. 4). Nein, und dreimal nein! Wo das persönliche Interesse, die Subjektivität, die Selbstsucht eines Menschen so veredelt sind, daß er nicht an der eigenen Person allein, sondern an der ganzen Welt Anteil nimmt, da ist allein Wahrheit; wo der Mensch so kleinlich ist, daß er nur durch Verleugnung seines persönlichen Interesses, seiner Subjektivität die großen Geschäfte der Welt zu besorgen vermag: da lebt er in der schlimmsten Daseinslüge.“6

Und etwas später:

„Nicht selbstlos soll der Mensch werden; das kann er nicht. Und wer sagt, er kann es, der lügt. Aber die Selbstsucht kann sich bis zu den höchsten Weltinteressen aufschwingen. Ich kann die Angelegenheiten der ganzen Menschheit besorgen, weil sie mich ebenso wie meine eigenen interessieren, weil sie zu meinen eigenen geworden sind. (…) Erweitert euer Selbst nur erst zum Welt-Selbst, und dann handelt immerzu egoistisch. Seid wie das Hökerweib, das Eier auf dem Markt verkauft. Nur besorgt nicht das Eiergeschäft aus Egoismus, sondern besorgt das Weltgeschäft aus Egoismus!“7

Steiners Artikel schließt mit den Worten:

„Es ist einfach nicht wahr, daß irgendein Mensch selbstlos sein kann. Wahr ist aber,daß seine Selbstsucht sich so veredeln kann, daß er Interesse nicht nur an seinen eigenen, sondern an den Angelegenheiten der ganzen Menschheit gewinnt. Predigt den Menschen nicht: sie sollen selbstlos sein, aber pflanzet in sie die höchsten Interessen, auf daß sich an diese ihre Selbstsucht, ihr Egoismus hefte. Dann veredelt ihr eine Kraft, die wirklich im Menschen liegt; sonst redet ihr von etwas, was es nie geben kann, was aber die Menschen nur zu Lügnern machen kann.“8

Gerade eine solche Betrachtung weist auch darauf hin, wie Steiners Stellungnahme gegenüber der Demokratie9 mit der Freiheits- und damit der Wahrheitsfrage zusammenhängt, die ja in in den ersten Heften 2023 von „Ein Nachrichtenblatt“ mehrfach ausführlich besprochen wurde.

Die Frage kann ja hier nicht sein, wer möglicherweise wie und warum einen Anspruch auf Wahrheit machen könne. Eine solche Frage lässt eher vermuten, es gehe dabei um eine Art „Richtigkeit“ inhaltlicher Aussagen.

Davon kann bei Steiner aber keine Rede sein. Da ist es eher die Frage, ob er in der Wahrheit ist, ob er wahr spricht. Man beziehe hierbei die oben bereits zitierten Worte Rudolf Steiners zur Wahrheitsfrage einmal auf seine eigene Tätigkeit in der Welt:

Wo das persönliche Interesse, die Subjektivität, die Selbstsucht eines Menschen so veredelt sind, daß er nicht an der eigenen Person allein, sondern an der ganzen Welt Anteil nimmt, da ist allein Wahrheit; wo der Mensch so kleinlich ist, daß er nur durch Verleugnung seines persönlichen Interesses, seiner Subjektivität die großen Geschäfte der Welt zu besorgen vermag: da lebt er in der schlimmsten Daseinslüge.“10

Nachbemerkung: Müssen wir nun alle Genies werden? Vielleicht schon. Dazu Steiner: „Man kann alles Wissen der Welt in seinem Kopfe herumtragen – wenn man keinen neuen Gedanken hat, hat man kein Genie. Und man braucht gar nicht viel zu wissen – wenn einem etwas einfällt, und sei es nur eine neue Art, sich die Kravatte zu binden, hat man etwas Genialisches an sich. Man darf nicht verkennen, daß in den großen Genies, auf denen der Fortgang der Kultur beruht, nicht eine besondere mystische Gabe vorhanden ist, sondern nur eine Steigerung derjenigen geistigen Fähigkeit die in jedem Neu-Ersinnen auftritt. Genie ist in diesem Sinne eine allgemein-menschliche Eigenschaft.“11

© Stefan Carl em Huisken 2023

1„Wer ist Mitglied der anthroposophischen Gesellschaft?“ – in ENB 14/2022, S. 14f (auf dieser Website =>hier) und „Freie Geistgemeinschaft oder äußere Institution?“ in ENB 22/2022, S. 9f (Auf dieser Website =>hier). Eine weitere Ergänzung dazu, die im ENB bisher leider nicht erscheinen konnte, findet sich auf meiner Website unter https://emhuisken.de/was-tun-in-der-anthroposophischen-gesellschaft/

2Barkhoff a.a.O., S. 6

3Rudolf Steiner: „Der geniale Mensch“ – In: Methodische Grundlagen der Anthroposophie. Gesammelte Aufsätze 1884-1901. – Dornach, 1989. S. 422ff

4zit. n. Steiner, a.a.O., S 428

5ebd, S. 428f

6ebd. S. 429

7ebd. S. 431f

8ebd., S. 432

9interessant dazu im Übrigen auch Rudolf Steiner am 28. Oktober 1917 in Dornach, in: Steiner, Rudolf: Die spirituellen Hintergrunde der äußeren Welt, S. 264 ff über das Buch von Francis Delaisi: La Democratie et les Financiers von 1910, in dem dieser unter anderem geschrieben habe, dass „es dem Großkapitalismus gelungen sei, aus der Demokratie das wunderbarste, wirksamste, biegsamste Werkzeug zur Ausbeutung der Gesamtheit zu machen“. Zur Implantation des Begriffes in das deutsche Kulturleben vgl. Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt … Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. – Berlin: Siedler Verlag, 2001

10Rudolf Steiner: „Der geniale Mensch“. – a.a.O., S. 429

11ebd., S. 423


Cover Wahnsinn und Denken Selbstlosigkeit Barkhoff

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Über das Wirken der anthroposophischen Gesellschaft

In der Vergangenheit äußerte ich mich bereits über die Frage der Mitgliedschaft in der anthroposophischen Gesellschaft1. Nachfragen regten eine Art Nachtrag dazu an2. Wie eine Art Totempfahl will ich hier einige Bemerkungen zur Frage des künftig möglichen Wirkens der anthroposophischen Gesellschaft hinstellen. Eine ausführlichere Version – wie eine Art möglicher „Tanz um den Totempfahl“ – findet sich wiederum auf meiner Website3.

Als „Dreigliederung des sozialen Organismus“ betrachte ich in diesem Zusammenhang eine vorhandene Tatsache, die nur mangels Bewusstsein ihres Vorhandenseins bei den Menschen nicht ihrem aktuellen Zustand gemäß im äußeren Leben wirken kann und daher in mangelhafter, „kranker“ Form dort erscheint. Eine Betrachtung dieser Dreigliederung als umsetzbares Konzept (also als eine „Utopie“ im Wortsinne) schließt Steiner selber aus4.

Im Rahmen dieser Dreigliederung ist die anthroposophische Gesellschaft5 zweifellos als ein Bestandteil des Geisteslebens der Menschheit anzusehen. Als Glied des Geisteslebens kann sie aber nicht zugleich eine äußere Institution – d.h. also ein den rechtlichen und wirtschaftlichen Regularien der äußeren Welt unterworfener Mechanismus – sein. Allenfalls kann sie sich in derartigen Mechanismen, die dann auch den Lebenszyklen der Außenwelt unterworfen sind (geboren werden – leben – sterben), ausdrücken. Wenn solche Mechanismen sich von der Geistrealität ablösen (warum auch immer), sind sie nicht mehr deren Ausdruck, sondern geraten in Gefahr, als nun entstandene geistleere Hohlform von anderen Geistwesen als den ursprünglichen okkupiert zu werden; im Falle der anthroposophischen Gesellschaft kämen z.B. Freimaurer, Jesuiten, Mormonen oder andere Gruppierungen als mögliche Okkupanten solcher Institutions-Leichname in Frage.

Wirken kann die anthroposophische Gesellschaft als lebendige Geistgemeinschaft nur, insofern sie frei ist von äußerlich vorgegebenen Beschränkungen. Sie setzt also niemals ein befreites Geistesleben voraus (das wäre ja dann eine Beschränkung der Freiheit), sondern kann sich aufgrund ihres Entstehungsimpulses als Gesellschaft freier Individuen, also einer Keimzelle der Befreiung des Geisteslebens nur selbst befreien – auch von den einschränkenden, absterbenden Resten ehemals hilfreicher Wirkens-Instrumente in Form äußerer Einrichtungen.

Dies fordert immer mehr und immer stärker die Besinnung auf eine Geisteshaltung, wie sie von Rudolf Steiner im Zusammenhang mit der Statue des Menschheitsrepräsentanten geschildert wurde. Die rechte Hand der Menschengestalt weist auf Ahriman, dem diese Geste Anlass ist, sich selber an die Materie zu fesseln. Nicht der Christus tut dies, Ahriman fesselt sich selber. In ähnlicher Weise wird dort auch auf die erhobene linke Hand der Statue hingewiesen, deren Geste dazu führt, dass Luzifer sich die Schwingen bricht und stürzt6. Weder das äußerliche (ahrimanische) Bekämpfen des durch tote Institutionen wirkenden Gegners noch das Sich-vereinnahmen-lassen durch utopische Zukunftsentwürfe (welcher Art auch immer) wird dieser Geisteshaltung gerecht.

Der Tod ist im Äußeren immer mit Auflösung verbunden, die im Inneren aber zu einer Verstärkung des Eigenlebens führen kann, immer gerade so weit, wie das Bewusstsein es tragen kann. Dem physischen Tod des Christus und seiner Auferstehung folgte der Tod des gegebenen, „instinktiven“ Geisterlebens der Menschheit, final im Denken im 19. Jahrhundert, und dann die Auferstehung des Geist-Erlebens durch das Wirken Rudolf Steiners im Beginn des 20. Jahrhunderts. Was jetzt im allmählichen Absterben der damals zunächst geschaffenen äußerlichen (rechtlichen und wirtschaftlichen) Lebensformen der anthroposophischen Gesellschaft geschieht, ist insofern eigentlich der „Beweis“, dass der lebendige Geist wirkt. Sonst würden die äußeren „anthroposophischen“ Institutionen weltweit angesehene, für alle Zeiten reibungslos funktionierende Wirkungsstätten sein – Wirkungsstätten desjenigen, was es eben in der wirklichen anthroposophischen Gesellschaft nicht geben kann. Seien wir froh, dass der Tod sich das Seine holt; aber lassen wir uns auch nicht verleiten, selbst Hand anzulegen bei diesem Sterbeprozess (vgl. das oben im Hinblick auf die Statue Gesagte).

Die Auferstehung erfolgt eben in den Einzelnen, die sich und ihre persönliche Wirkungsstätte in der Welt – ihre irdische, leibliche Person – frei in den Dienst der Anthroposophie stellen wollen. Anthroposophie und anthroposophische Gesellschaft leben nicht so in der Welt, dass sich der einzelne Anthroposoph davon tragen lassen kann. Sie leben nur, wo und solange die einzelnen Anthroposophen sie tragen.

Wie das Karma wirkt, haben wir ohne Murren hinzunehmen; was daraus an Neuem entstehen kann, obliegt uns zu gestalten. Es gibt keine äußere Institution „Anthroposophie“, die uns trägt – wir sind sie selber, und sie ist und wird durch uns. Der äußere Niedergang ist bloß die Begleitmusik für das Entstehen neuen geistigen Lebens.

Es kann hier noch hingewiesen werden auf eine Ermahnung Rudolf Steiners für den Umgang mit den Einflüssen von Luzifer und Ahriman: der Mensch möge doch dem eigenen Denken gegenüber recht ahrimanisch sein und alles Gedachte erst der harten Prüfung an den Weltgesetzen unterwerfen, dagegen dem ahrimanischen Blendwerk der toten physischen Welt gegenüber luziferisch geprägte Liebe zu jeder Einzelheit der eigenen Welt walten lassen, im Versuch, sie zu verstehen.7 So sei man geschützt – so verstehe ich Steiners Ausführungen in diesem Zusammenhang – sowohl vor fantasierendem Irrlichtelieren im Denken wie auch vor Ignoranz und Dilettantismus im Umgang mit der Welt.

Wer ahrimanische Institutionen, wie sie in der Welt nun einmal sind, für Aufgaben nutzen will, die sich aus dem Geist der Menschheitsentwicklung ergeben, wird die Gesetze der Welt so gut kennen müssen, dass er sie auch wirklich beherrschen kann. Wer seine Ideen, durch die er sich im Geiste finden will, vor dem Abgleiten in Wunschdenken beschützen will, wird sie an den Tatsachen des irdischen Lebens überprüfen und den Ausgang dieser Prüfung dann gelassen hinnehmen müssen.

Was insbesondere den Umgang mit den ahrimanisch geprägten Einrichtungen der heutigen Welt betrifft, kann gar nicht genug darauf hingewiesen werden, dass weder der Verzicht auf die Klarheit äußerer Festlegung („das brauchen wir jetzt nicht festzulegen, das findet sich dann ganz lebendig“, oder „solche Festlegungen ignorieren wir einfach, sie sind nicht geistgemäß“) noch das Abwürgen jeder Lebensregung durch Vorschriften bis ins Kleinste (das kennen wir doch aus den letzten zwei Jahren zur Genüge) irgendwie weiterführt. Man muss Ahriman in seinem Wirken verstehen, ihn also im Detail kennenlernen, dann verliert er seine Kraft.

© Stefan Carl em Huisken 2022

1Stefan Carl em Huisken: Wer ist Mitglied der anthroposophischen Gesellschaft? – In: Ein Nachrichtenblatt (ENB) 14/2022, S. 14f. Auf dieser Website =>hier. Website von „Ein Nachrichtenblatt“: einnachrichtenblatt.org

2Stefan Carl em Huisken: Freie Geistgemeinschaft oder äußere Institution? – In: Ein Nachrichtenblatt (ENB) 22/2022, S. 9f. Auf dieser Website =>hier.

3https://emhuisken.de/was-tun-in-der-anthroposophischen-gesellschaft/

4Steiner, Rudolf: Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft. – Stuttgart, 1920. S. 5

5Mit dem Ausdruck „anthroposophische Gesellschaft“ bezeichne ich hier ausschließlich den freien geistigen Zusammenschluss von Individualitäten (verkörpert oder nicht) zum Zwecke der Pflege der Anthroposophie. Nach Rudolf Steiners Worten sollte ja die anthroposophische Gesellschaft allem Vereinsmäßigen, d.h. also allem äußerlich Institutionellen ferne sein.

6vgl. Steiner, Rudolf: Das Geheimnis des Todes. GA 159. – Dornach, 1980. S. 248f. Die Textstelle ist auch wiedergegeben in DIE LAHNUNG – Mitteilungen für individuelle Entwicklung und Lebenskunde, Nr. 7, Januar 2022, wo die hier besprochene Frage der Bildung von Geist-Gemeinschaften von anderen Gesichtspunkten aus ebenfalls erörtert wird.

7vgl. dazu Steiner, Rudolf: Die geistigen Hintergründe der sozialen Frage. – Dornach, 1989. 12. Vortrag, S. 211ff, dort auch viele weitere Hinweise zur Vertiefung der in diesem Artikel angeschnittenen Fragen.


Cover Wahnsinn und Denken Geistwesen

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.




Schottisch-Friesische Freiheit – Neue Entwicklungen

Schottisch-Friesische Freiheit Webpräsenz

Bereits im September vorigen Jahres hatte ich =>hier über das neue musikalische Projekt „Schottisch-Friesische Freiheit“ informiert, in dem ich mitarbeite. Die Sache hat sich nun weiter entwickelt, und wird das auch weiterhin tun.

Zusammen mit dem initialen Projekt in Moordorf haben jetzt drei Veranstaltungen stattgefunden, alle lange vor dem Termin ausverkauft. =>Hier kann man sie aufgelistet erhalten.

In den Vorgesprächen, auch für weitere Termine, ergaben sich immer Fragen, ob das Projekt auch im Internet verfügbar wäre, mit Texten und Pressefotos. Das war bisher nicht der Fall.

Nach einigen Überlegungen wurde beschlossen, eine Art „Unterseite“ auf meiner Website einzufügen, da hier die nötige Infrastruktur (Veranstaltungskalender, Newsletter etc.) schon vorhanden ist.

Voila, da ist sie nun, mit eigener Domain anzusprechen und voll nutzbar: schottisch-friesische-freiheit.de.

Wir hoffen jetzt auf viele Interessenten und Newsletter-Anmeldungen. Die Präsenz wird weiter ausgebaut und jeweils angepasst. Wer also immer alles wissen will, meldet sich am besten beim Newsletter an (siehe Seitenleiste).




Geistwesen Mensch

Ein etwas ungehöriger Aufruf

Es ist sinnlos, es leugnen zu wollen: der Mensch ist ein Wesen, dessen Urkern Geist ist, nur Geist und nichts anderes. Macht er sich Gedanken über seine Substantialität, so sind diese Gedanken eben – Geist. Oder woraus bestehen Gedanken sonst? Wenn wir glauben, Gedanken seien nur eine Illusion und eigentlich elektrische Ströme im Gehirn, so ist eben dieser Glaube – ja, was denn, nichts als Geist! Denn erst müssen die Gedanken über elektrische Ströme, Gehirn usw. gebildet werden, durch den Menschen, ehe wir daran glauben können. Und sie sind unsichtbar, nicht-sinnlich, un-sinnlich. Im Übrigen genauso wie der (gedachte!) Strom, den auch niemand sehen kann, betasten, sinnlich erkunden; man kann nur messen (oder spüren), was man für seine Wirkung hält aufgrund dieser oder jener Theorie, die eben jemand – gedacht hat. Es hilft also nichts: wenn wir versuchen, des Menschen innerstes Wesen zu ergründen, eben das, was gerade im Ergründen-Wollen tätig wird, finden wir nur Geist.

Sicher, der Mensch hat allerlei andere Dinge, die er sein Eigen nennt – Leib, Welt, Seele, Gefühle, Gedanken, Ideale, Vorlieben, Abneigungen etc. pp. –, und davon sind einige sehr handfest und materiell. Aber lange nicht alle. Oder haben Sie schon mal eine Wut gestreichelt? Na also, auch beim Haben ist lange nicht alles geist-los, manches sogar reiner Geist, wie z.B. die Wut – oder die Gedanken, siehe oben.

Warum aber diese Auseinandersetzung überhaupt? Nun, ganz einfach. Der Mensch will doch wissen, wer er ist, wo er herkommt und wohin er geht. Darüber ist uns allen eingetrichtert worden, dass wir z.B. aus organischer Materie entstanden sind, mehr oder weniger zufällig, und beim Tode würde diese wieder zerfallen, und dann sind wir eben einfach weg. In der Kirche gibt es vor allem über das Letztere noch andere Geschichten, aber bei denen wird dann gleich dazu gesagt, dass man das alles nicht wissen könne und daher eben glauben müsse. Aber woher wissen das dann die, die uns das erzählen? Können die uns nicht viel erzählen, was dann vielleicht – o Schreck – am Ende gar nicht wahr ist? Im Ergebnis wird uns also eingetrichtert, dass wir eine zufällige, also sinnlose Zusammenballung organischer Materie sind, die eben kommt und geht, egal. Und wer das nicht glauben will, glaubt eben den Priestern und lässt sich von denen gängeln, einfach weil das vielleicht besser gefällt. Einen Sinn im eigenen Leben kann man so jedenfalls nicht wirklich finden.

Bemerkt der Mensch aber, dass er ein Geistwesen ist (und – konsequent gedacht – dann alle anderen Menschen ebenso wie Tiere, Pflanzen, Steine, Engel, Teufel, Seelenregungen, Gedanken, Ideen, Irrtümer, Wahrheiten, Lügen und so weiter auch), dann hat er sofort andere Möglichkeiten, sich über das eigene Woher und Wohin aufzuklären. Denn er weiß jetzt eines: alles, was er da finden kann bei seiner Suche, ist ebenso wie er selber Geist. Alle Teufel, alle Götter, alle Schöpfungstaten usw. sind Glieder derselben geistigen Welt, in der der Mensch jeden Tag und jede Nacht lebt, und der er nicht entfliehen kann, weil es grundsätzlich gar keine andere Welt gibt. Alles, was ist, entstammt für uns heutige Menschen in dem Augenblick, wo wir es erkennen, uns selber, unserer Welt, also: der geistigen Welt. Es gibt kein Entrinnen.

Dafür aber grandiose Erkenntnismöglichkeiten. Denn wenn ich die Situation, die ich so feststelle, weiter durchdenke, finde ich nach und nach die Elemente, die dazu geführt haben, dass ich mir jetzt über mich als Geistwesen klar werde. Ich finde also durch mich, selber, ohne Gängelpriester, Wege zur allmählichen Erkenntnis meines realen Ursprunges. Der reale Ursprung meiner Selbst ist nämlich da, wo ich beginne, über mich, den Menschen, nachzudenken, und dieses Nachdenken auch bemerke. Die Erzählungen von Zusammenballungen organischer Materie als von meinem Ursprung sind Geschichten von Gängelpriestern der materialistischen Welttheorien des 19. Jahrhunderts, die man mir bloss eingebläut hat. Vielleicht wusste man es einfach nicht besser. Warum solche Theorien vielleicht daneben auch eine Zeitlang notwendig waren, darüber vielleicht ein anderes Mal.

Für jetzt reicht erst einmal die Feststellung: der Mensch – also ich – ist/bin ein Geistwesen unter vielen anderen Geistwesen. Mein Ursprung ist nur im Geiste fassbar, daher also geistig. Dann wird es meine Zukunft wohl auch sein. Also auf, lasst uns die Zukunft ergründen – im Geiste!

© Stefan Carl em Huisken 2023


Cover Wahnsinn und Denken Geistwesen

Denkerische Grundlagen für meine Darstellungen zur Situation der Gegenwart und der Bedeutung der Anthroposophie habe ich veröffentlicht in meinem Buch „Wahnsinn und Denken. Der Kampf um den Menschen“, das Sie hier oder im Buchhandel bestellen können.