Gun-Lah – Leseprobe
Nur Gueycimús Wohnung lag direkt auf dem Bajacu; die kleine Siedlung der Tabander lag am östlichen Fuße des Hügels, um den „Platz des Klanges“ herum. Die inzwischen wachsende Siedlung der Kaunda lag auf der anderen Seite des Hügels, mehr zum Inneren des Landes gelegen, mit einem eigenen Festplatz in der Mitte, den die Kaunda „Guara“ nannten. Auch der Drontang hatte seine Wohnung dort genommen, ganz in der Nähe des Festplatzes.
Wenn die Throandai und manchmal der Bonigu selbst die Feste der Tabander und der Kaunda durch ihre Anwesenheit zu besonders heiligen Ereignissen machten, hatte Gueycimú daher immer die Ehre, ihnen besonders nahe sein zu dürfen, als einziger gewöhnlicher Mensch in unmittelbarer Nähe des hohen Besuches.
Einmal kam es so zu einem besonderen Fest der Aufstiegsgleiche, einem Fest, das die Kaunda ganz unter sich zu feiern pflegten, auf ihrer „Guara“, auch die inzwischen am Bajacu wohnhaften. Immer feierten dann die Tabander ihr eigenes Fest in ihrer Siedlung, auf dem „Platz des Klanges“. Und immer waren auch dort Throandai zugegen. Die Siedlung der Tabander wurde allerdings nach und nach immer kleiner; fast wohnten dort nur noch die Gehilfen und Lehrlinge der Meisterin Gueycimú. Nichts wünschte Gueycimú stärker, als immer wieder die Throandai bei diesen Festen zu erleben, ihnen nahe zu sein – und dem Bonigu, der dieses Mal dem Fest durch seine Anwesenheit besondere Weihe gab,
Das Hohelied der Tabander und auch die letzten Sprechgesänge der Throandai waren verklungen, mit dem letzten Licht Risuhns begaben sich alle zu ihren Wohnungen, und auch Gueycimú sank ins Einssein, als das letzte Licht verglomm. Was im Einssein erlebt werden konnte, das wussten nur die Throandai, vielleicht die Drontangi, manchmal ein klein wenig der Klangmeister der Tabander. Einen Sonderfall gab es allerdings: wenn ein neuer Mensch durch eine Frau ins Leben getragen werden sollte, dann tat er sich dieser Frau im Einssein kund. Und wenn sie dann am anderen Morgen, noch aus dem Einssein gelenkt, den Namen des Neuankömmlings aussprach, dann wusste sie auch im hellen Bewußtsein davon.
So war es in dieser Nacht bei Gueycimú: am Morgen von Risuhn in die Helle gerufen, sprach sie den Namen des Neuankömmlings aus: Karayácu, „Auge des Mondes“. Das war ein sehr ungewöhnlicher Name, denn der Mond, den die Menschen auf Androulan „Karayá“ nannten, bedeutete ihnen im Alltag wenig. Wenn Risuhns Licht verschwand, sanken die Menschen ins Einssein, Karayás Licht konnte sie nicht in der Helle halten, und so kannten sie ihn nur als im Dunst schwach sichtbaren Begleiter in Risuhns Helle.
Dennoch: Gueycimú wusste sicher, dass alles seine Ordnung so hatte. Die Diener des Urgrunds hatten dem Feste und dem Einssein beigewohnt, so würde auch der Name von ihr zu Recht gehört sein. Karayácu würde beim Tiefstand Risuhns in der Helle erscheinen. Das war ein Zeitpunkt, der nicht ungewöhnlich war; bei den Kaunda, so erzählte man sich, würden alle neuen Menschen zu dieser Zeit geboren. Bei allen anderen Völkern allerdings verteilten sich die Geburten gewöhnlich über das Jahr.
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