Furcht und Angst – Schlüssel zur Gegenwart des Menschen

Gegenwart

Was uns derzeit im Verhältnis zur Gegenwart am meisten zu schaffen macht, sind Furcht und Angst. Die Verunsicherung, die Unberechenbarkeit durch die uns betreffenden Weltereignisse – von manchmal täglich wechselnden Vorschriften bis zu den Folgen unbedachter Schritte der Menschen – wachsen fortwährend, fordern uns und werfen uns aus stabilisierenden Gewohnheiten und Alltagsritualen immer wieder hinaus.

Dabei entwickeln wir Furcht vor Neuem, das uns möglicherweise bedrohen kann. Enttäuschungen – eigentlich etwas Positives, das Entwicklungsmöglichkeiten freilegen kann , wenn die Täuschung der Wahrheit weicht – und Ahnungen entwickeln sich zu neuen Gewissheiten, die uns fordern und manchmal daran zweifeln lassen, dass unsere Kräfte und Fähigkeiten ausreichen werden, das Neue angemessen zu verarbeiten. Solche Furcht verweist uns immer auf einen Kern in uns selbst, der schon durchschimmert durch das Erscheinen der Ereignisse. Durchdringen wir den Schein, graben die darinliegende Wahrheit aus, so können wir die Furcht überwinden, und es klingt eine bessere Zeit durch die Furcht hindurch – mal stärker, mal schwächer.

Furcht hat also auch immer einen fast „prophetischen“ Charakter, denn im Gegenstand, auf den die Furcht sich bezieht, tritt mir etwas entgegen, was je nach meinem Umgang damit mich stärker oder schwächer beeinträchtigt oder fördert. Sie steigt aus mir selber, meinem innersten Kern herauf ins Bewusstsein und ist insofern mein Eigen, meine Furcht, die zu besiegen dann auch meine Sache ist.

Das Wort „Furcht“ stammt von derselben germanischen Wurzel *furh- ab wie die „Furche“, womit ursprünglich die Ackerfurche gemeint ist, durch die das dunkle Erdinnere für das Licht geöffnet und damit der menschlichen Bearbeitung zugänglich wird. Furcht kann mir insofern auch den Weg öffnen zu demjenigen, vor das sie sich stellt.

Ganz anders die Angst: sie besteht gerade im Unbestimmten, dessen Quell und Ziel man nicht kennt und kennen kann, und kommt uns wie von außen her in die Seele herein. Das Wort stammt von der indogermanischen Wurzel *angh- ab, die „eng“ bedeutete (auch dieses Wort entstammt ja dieser Wurzel), und verwandt ist mit dem lateinischen angere = „würgen“. In der Angst begegnet uns also etwas wie eine Gewalt von außen, die uns zusammenschnürt, würgt, beengt und uns alle Tätigkeitsmöglichkeiten rauben will, bis hin zur tatsächlichen Angststarre.

Und genau darauf bezieht sich unsere Angst auch zumeist: einer Gewalt ohnmächtig ausgeliefert zu sein, aller Handlungsmöglichkeiten beraubt zu werden, letztlich selber überwältigt und ausgelöscht zu werden.

Die Angst fällt uns also wie von außen an, aus der ganzen Welt, uns einengend, vernichtend, während die Furcht aus unserem Inneren aufsteigt, eine bestimmte Gefahr vorherahnend.

So lebt der gegenwärtige Mensch einer Welt gegenüber, die er nicht überschauen kann und die ihn immer wieder einschränkt, beengt und schwächt; aus dem eigenen Kern heraus, der es schwer hat, die Wahrheit seiner selbst einschließlich der eigenen Erlebniswelt im eigenen Tun und Erleiden mutvoll zu enthüllen und dem Dunkel der Täuschung zu entreißen, steigt die Furcht auf.

Angst und Furcht wirken zusammen: ich fürchte die Angst, und die Angst verschafft mir Furcht vor dem Erlöschen meiner selbst. Beides prägt in verschiedensten Variationen unser Dasein in der Welt der Gegenwart. Mutvolles Überwinden der Furcht und standhaftes Ertragen der Notwendigkeiten in der Hinwendung zur Welt können helfen, den eigenen Weg zu finden.

Furcht und Schein

Die Welt, wie ich sie in meiner Umgebung erlebe, ist nicht das Ganze des Seins. Ich erlebe ja nur den Teil des Ganzen, der sich mir zeigen kann: durch meine Sinne, durch mein Gefühl, in meinen Gedanken. Und da ich – wenn ich mich selber nicht gerade für einen unfehlbaren und allmächtigen Gott halte – ein begrenztes Wesen bin, ist auch dasjenige begrenzt, was sich vom Ganzen des Seins mir zeigt.

Damit ist aber die Welt, die ich kenne, nicht die wirkliche, wahre Welt, sondern sie scheint mir im alltäglichen Leben nur so. Sobald ich mich über das Alltägliche hinaufraffe, kann ich dieses unmittelbar einsehen. Von diesem Scheincharakter der Welt ist aber mein ganzes Erleben – bewusst oder unbewusst – bestimmt.

Überall nämlich, wo ich etwas anschaue, durchdenke, näher verstehen will, schwingt dieses Wissen mit: was dir begegnet, ist nicht immer so, wie du glaubst, es scheint dir nur so. Wie aber den Weg zur Wahrheit finden?

Hier bin ich nun auf mich selbst verwiesen. Diesen Weg zur Wahrheit finden kann nur ich selber. Denn was mir gegeben ist als Sinneswelt, als Gefühls- und Gedankenwelt, ist eben Schein. Ich kann mich auf nichts stützen, was schon da ist. Bei der Suche nach der Wahrheit kommt alles auf mich selber an, meine eigene Wahrhaftigkeit im Denken, Fühlen und Wollen, meine Geistesgegenwart.

Es liegt also auf der Hand, dass eine solche Situation nichts für Furchtsame ist. Wo Furcht vor der eigenen, ja unabweisbar vorhandenen Unvollkommenheit diesem inneren und äußeren Weltenschein gegenüber den Lebensweg beherrscht, stellt die Furcht sich vor die Wahrheit, hindert mich daran, zur Wahrheit des Daseins zu kommen, ja, setzt sich selber an die Stelle dieser Wahrheit.

Es liegt nun an mir, ob die Wahrheit meiner selbst mir als meine Furcht begegnet, oder ob mein eigenes Voranschreiten im Erkenntnisschaffen, mit Erkenntnismut die Furcht entkräftet, sozusagen „die Ackerfurche meines Lebens öffnet“ und die gefürchteten, im Dunkel verborgenen, lebendigen Gründe des Seins ans Licht des Bewusstseins befördert, so dass dann die Saat meiner Taten auch fruchtbaren Boden vorfinden und gedeihen kann.

Die Tatsache, dass das Dasein mir zunächst als ein vielfach begrenzter Schein begegnet, weist mich also auf mich selber als möglicher Miterschaffer eines Weges zur Wahrheit hin. Wo ich diese Aufgabe ergreife und die Furcht überwinde, wirke ich mit daran, die Wahrheit des Daseins ans Licht zu bringen und den Schein zu überwinden.

Angst und Gewalt

Was uns als Welt erscheint, uns gegenüber steht, trägt immer die Möglichkeit in sich, uns zu überwältigen und in Handlungsrichtungen zu bringen, die wir nicht als unsere eigenen erkennen können. Die Einflüsse, die aus der Welt auf uns eindringen, sind auch oftmals solche, die nicht nur uns selber, sondern Gruppen von Menschen betreffen: Familie, regionale oder nationale Bevölkerung, ein bestimmtes Volkstum, oder eben andere Gruppen, die durch bestimmte Merkmale verbunden sind und dadurch teilweise ähnliche Schicksalswege haben. Letztlich können das auch Einflüsse sein, die die gesamte Menschheit betreffen.

Solche Einflüsse scheinen zumeist ganz unabhängig von uns, treten ohne unser Mitwirken, ja, oft überhaupt ohne klares Bewusstsein davon auf. Aber sie walten in der Welt, walten damit auch im Verlauf unseres äußeren Lebens, unseres Schicksales also. Ihre Verursacher sind sehr oft nicht sichtbar für uns, bleiben im Dunkel, egal, ob es bestimmte Menschen oder einfach äußerlich gegebene Verhältnisse sind. Ihr Walten kann in sehr vielen Fällen nicht auf eine bewusste Absicht von wem auch immer zurückgeführt werden; darüber kann dann allenfalls vermutet werden. In diesem Sinne kann man sagen: es waltet dunkle, blinde Gewalt in vielen Ereignissen des Lebens.

Wir nennen das dann „Zufall“ oder meinetwegen auch „göttliche Vorsehung“; verstehen können wir es nicht vollständig. Wer sich ernsthaft prüft, wird viel mehr solcher Einflüsse aus „blinder Gewalt“ in seinem eigenen Leben entdecken als zunächst vermutet.

All diese Einflüsse begrenzen aber unsere eigenen Aktionsmöglichkeiten, beschränken sie und engen sie oft genug ein. Und da wir nicht wissen, was ihnen zugrund liegt (in den Ausnahmefällen, wo wir das unzweifelhaft wissen können, ist es anders), emfinden wir das Einengen, das Vorbestimmt-Werden unso stärker und bekommen Angst, im ursprünglichen Wortsinne das, was „mit dem Engen verbunden ist“.

Angst tritt insofern überall dort auf, wo ein Walten in der Welt uns übermächtig in die Enge treibt, einschränkt, unfrei macht, weil wir es nicht verstehen können, seinen Ausgangspunkt nicht kennen und ihm darum nichts entgegenzusetzen haben. Diese Macht erleben wir als Gewalt. Treten wir ihr eigenmächtig entgegen, versuchen wir also der Gewalt eine Gegengewalt gegenüber zu stellen, wird alles nur schlimmer und eskaliert. Denn weil wir nicht ganz konkret verstehen, wie das zustandekommt, was uns einengt, können wir ihm nur in der Nachahmung begegnen, die Welten-Gewalt auf ihrem eigenen Feld zu imitieren versuchen, und da wird das „Original“ wohl in den meisten Fällen die Oberhand gewinnen.

Nur wo wir wirklich erlebend erkennen können, was und wie das Weltenwalten wirken will, haben wir eine Chance, die Gewalt, die uns begegnet zu überwinden, gleichsam nachhaltig „auszurotten“1.

Überwindung

Nun gibt es Ratschläge zuhauf, wie der Mensch aus dem Dilemma kommen kann, das ihn in Angst und Furcht versetzt: in Angst vor dem Welten-Walten, und in Furcht vor der Wahrheit seiner selbst. „Wo die Angst ist, geht es lang“, tönt es uns aus Kreisen entgegen, die die Angst zur Genüge kennen2. Für die Furcht wird man wohl zu Recht Ähnliches sagen können; wer einen Feind im Duell überwinden will, wird sich ihm stellen müssen.

Wer aber gar nicht weiß wo er den „Feind“ zu suchen hat, ringt allzu oft nur mit dem Schein, mit Chimären, verausgabt sich dabei ohne Sinn, und wo man der Übermacht begegnet, wächst schnell die Hoffnungslosigkeit. Beides hat aber denselben Grund: ich habe die Richtung nicht erkannt, aus der der „Angriff“ wirklich kommt.

Ringe ich um die Wahrheit, so hat alles noch so ausgeklügelte Bedenken der Einzelheiten des Scheins, der meine begrenzte Welt ausmacht, keinen Wert: es führt doch immer nur in dieselbe Sackgasse. Mache ich mir aber klar, wo die Ursache der begrenzten Welt-Erscheinung liegt, so öffnet sich der Weg. Ich bin es nämlich selbst, der sich die Grenzen setzt. Ich selber gebe dem Schein erst seine Geltung, den An-Schein der Wahrheit, einfach durch meine Existenz. Dass ich die Wahrheit nicht finden kann, die dem Schein zugrundeliegt, liegt daran, dass ich mich selbst nicht kenne, und darum meine eigenen Wege zur Erkenntnis nicht genügend zu kontrollieren weiß. Es nützt also nicht, noch so atemberaubend über das Dasein zu philosophieren. Ich muss einsehen, dass es meine eigene Art des Umganges mit diesem Daseins-Schein ist, der ihm die Wahrheit gibt oder nimmt.

Das Dasein ist in Wahrheit eben nicht etwas von vornherein so und nicht anders Feststehendes; das wäre freilich bequem und dadurch für mich verlockend. Die unbequeme Einsicht aber, dass das Dasein, das ich erlebe, untrennbar Teil meiner selbst und meines Lebens ist, und sich daher nur mit mir selber zusammen lebendig entwickeln kann, öffnet die Aussicht auf eine Art Wahrheit, die es nirgend anders geben kann.

Denn meine Möglichkeiten, mich selber zu entwickeln, sind im Prinzip unbegrenzt, und führen zur Freiheit. Wo unübersteigliche Grenzen zu sein scheinen, bin ich es ja selbst, der sie als feststehend ansieht; ich setze sie mir sozusagen selber.

Nun ist es natürlich keineswegs so, dass ich mich selber weiterentwickle, indem ich mir einfach etwas Anderes als den mir begegnenden Schein einrede und fest daran glaube, dass die Welt dann eben so ist, wie sie mir erscheint. Das wäre ja dasselbe wie vorher: eben dem Schein glauben. Ich muss erst die Art meines Umganges mit der Welt kennen und kontrollieren lernen, mich selber also in meinem Tun nicht mehr vom Schein des Daseins bestimmen lassen. Dann kann ich nach und nach ausfindig machen, wie mein eigenes Wesen erst die vorläufigen Grenzen des Daseins gesetzt hat. Ich kann dann mich selber erst in Wahrheit kennen lernen. Ist es nicht so, dass ich auch davon bisher nur ein begrenztes Verständnis habe, und Ansichten, die mir gegeben sind, ich weiß nicht wie? Vorurteile also über das, was ich ICH nenne?

Die Ackerkrume dieser Vorurteile zu öffnen, ans Licht zu bringen, was in den Tiefen meiner selbst west, Furchen mit dem Pflug des Erkenntnismutes da hinein zu ziehen, wird die Furcht vor der eigenen Unvollkommenheit in Mut zum Erkenntnisschaffen umwandeln helfen.

Ähnlich wie mit der Furcht vor dem, als was ich mir selber in meinem Dasein erscheine, ist es mit der Angst, in die uns das Weltenwalten wohl drängen kann. Die Angst entsteht ja, weil wir die Gewalt, die uns bestimmt, nicht selber zu lenken verstehen, der Übermacht im Äußeren immer wieder erliegen. Hier kommen wir nicht zum Ziele, wenn wir der Macht mit eigener Macht entgegenzutreten versuchen; die Weltenmacht wird immer größer sein.

Wie kommen wir also dem Weltenwollen, dem Weltenwalten nahe, so dass wir unser Wollen, unser Schaffen in das Weltenwalten hineinmischen können, es umformen in ein Walten, das wir nicht als blinde Gewalt erleben müssen?3

Wie schon bei der Furcht, so liegt auch hier die Lösung in einer völligen Umkehr. Nicht Macht gegen Macht zu setzen hilft hier, sondern der Macht sich zu öffnen, um sie aufzunehmen in sich und in seine eigene Selbstentwicklung einzugliedern. Wieder bäumt sich erst einmal alles auf: was, klein beigeben, die Gewalt unwidersprochen einfach walten lassen? Aber davon ist ja keine Rede.

Äußerlich gesehen, wird es wohl häufig keinen anderen Weg geben, als der Gewalt zu weichen. Aber nicht, weil sie zwingt, sondern weil man sie versteht, in sich selber, sein Denken und Sinnen aufnimmt und so erst einer Umarbeitung zugänglich macht. Dazu wird man sich erkennend dem hingeben müssen, was die Gewalt erst schafft – aber nur, um sie zu verstehen. Man muss ja nicht wollen, was sie will, die Gewalt. Erst wenn man Sehnsucht entwickelt aus sich selber, die Gewalt zu verstehen, sie mit dem eigenen Leben zu verbinden aus freiem Entschluss, kann man lernen, sie auch umzuarbeiten.

Das wird freilich Neues, Ungewohntes von uns fordern, und uns Manches zu erleiden auferleben. Aber es öffnet den Weg, die Enge zu weiten, die Angst zu überwinden, ohne in immer neue Fehden mit der Welten-Gewalt zu geraten, die im Übrigen dann über kurz oder lang in einer Niederlage und neuen Katastrophen enden werden.

Wie schon am Beginn dieses Abschnittes gesagt: wo die Angst ist, geht es lang. Ebenso wie die Furcht mich zu mir selber und meiner Selbstentwicklung leiten kann, indem sie mich auf mich selbst verweist, führt die Angst uns mitten hinein ins wahre Welterleben, in dem wir ringend mit den Welten-Gewalten uns zum Mit-Gestalter des Weltenwerdens entwickeln können.

Die Freiheit furchtlos ergreifen

Im eigenen Innern kann Gewalt auch förderliche Seiten entfalten, nämlich da, wo ich sie auf mich selber anwende, mein eigenes Inneres wie der Landmann den Acker umzupflügen beginne (das ist – der „Ackererde“ gegenüber – ganz sicher Gewalt!) und mich selber gleichsam zum „Experimentierfeld meines selbst“ mache. Jedesmal, wenn ich mir selber die Ziele meiner Selbstentwicklung setze, und sie energisch gegenüber mir selber umzusetzen versuche, geschieht das.

Aber es wird unterschiedlich verlaufen, je nachdem, ob ich meine, durch gewissermaßen „äußerliche“ Veränderungen an mir arbeiten zu sollen, oder ob ich mich wirklich ganz auf mein Inneres verlege dabei. Was ist mit dieser Unterscheidung gemeint?

Nun, was mein eigenes Wesen ganz im tiefsten Inneren ist, das weiß ich zunächst kaum. Zuerst treten mir selber unter meinem Namen Eigenschaften meiner irdischen Erscheinung gegenüber: ich habe ein aus der Vergangenheit mir zugewachsenes Bild von mir selber. Wenn man sich das anschaut, muss man oftmals einsehen, wie dieses gewachsene Bild ein Ergebnis der Gewalten ist, die in der Vergangenheit auf mich gewirkt haben. Eine Unmenge von Einflüssen ist auf mich eingeströmt, die mich geformt haben. Dieses Bild ist daher eigentlich Bestandteil des Welten-Scheins, der mir gegenüber steht; ich selber bin es nicht, denn ich stehe ihm gegenüber.

Ich selber, der Verstehen-Wollende, der sich selber auf den Weg zur Wahrheit bringen will, ist in allem, was ich gewohnt bin zu betrachten unsichtbar, kommt dort nicht vor. Er ist ja gerade derjenige, der die Tätigkeit des Betrachtens ausübt, der Erlebende, der gleichsam eine lebendige Form bildet für alles, was ihm in seiner Innen- und Außenwelt an Inhalten begegnet. Und von dieser Form etwas zu bemerken, mich selber kennen zu lernen, nicht meine Gedanken, sondern das Denken, nicht meine Gefühle, sondern das Fühlen selbst, ja, auch nicht meine Willensziele, sondern das tätige Wollens-Wesen, das ist mir erst einmal ungewohnt, etwas ganz Neues, das ich noch nicht beherrsche, und das ich darum vielleicht auch – fürchte. Denn ich habe dann nichts außer mir selbst, um mich daran zu halten.

Es ist aber weniger schwer, dem nahe zu kommen, als es zunächst scheinen mag. Es ist zu einem großen Teil einfach eine Übungs- und Gewohnheitsangelegenheit. Ich bin es ja nicht gewohnt, Dinge denken und verstehen zu wollen, die mir nicht fertig als Gegebenes gegenüberstehen, sondern die sich sozusagen „verstecken“, ein wenig „geheim“ bleiben wollen.4 Da ich es aber selber bin, den ich da kennenlernen will, und ich ohne mich selber sowieso gar nichts verstehen oder erklären kann, bin ich eigentlich in einer guten Lage: um mich selber kennen zu lernen, muss ich mich selber denken lernen, und dazu brauche ich nichts außer mir und meinem Denken.

Darin liegt aber genau der Haken: die Welt, den Schein in allen Einzelheiten, den brauche ich dazu zunächst nicht. Ihn in meinem Denken loszuwerden ist aber nicht leicht: wende ich mich von der Welt, also von allen Wahrnehmungen ab, schlafe ich in der Regel ein5. Will ich lernen, in diese Seelenregion bewusst, also wach einzudringen, muss ich lernen, mir nicht nur diejenigen Inhalte gegenüber zu stellen, die eben von alleine auftauchen, sondern es geht darum, meine eigene Tätigkeit zu verfolgen, die ich ausübe, wenn ich über etwas nachdenke, also darüber Gedanken hervorbringe.

Das kann man üben, indem man sich einen Gedanken selber aufbaut, auf dem man dann seine Aufmerksamkeit ruhen lässt, ihn gleichsam innerlich „durchleuchtet“. Es muss dies nur ein Gedanke sein, der möglichst wenig mit denjenigen Gedanken-Inhalten zu tun hat, die ich schon kenne, die schon in mir vorhanden sind. Das kann zum Beispiel eine Frage sein, die ich mir nicht beantworten kann, in die ich mich vertiefe. Wohlgemerkt: nicht um sie zu beantworten, sondern um die Frage tiefer zu erleben!

Rudolf Steiner gibt in seinen Büchern vielfältige Beispiele; solchen „Vorgaben“ eines eventuellen „Gurus“ haften aber leicht Vorprägungen an, die mich ablenken von der eigentlich wichtigen Tätigkeit des Vertiefens ins eigene denkende Tun. Möglicherweise ist es dann besser, sich selber Gedanken-Inhalte aufzubauen, die dem Erfordernis intensiver Abwendung von allen schon bekannten (Sinnes- und Seelen-)Wahrnehmungen so gut es gehen will entsprechen. Kurz gesagt, geht es darum, das eigene Denken von der Führung durch den mir gegebenen Welten-Schein loszureißen, und gerade dadurch mein eigenes Mit-Tun im Entstehen dieses Scheines unmittelbar erlebend zu erkunden und so in den Bereich der Entstehung des Welten-Scheines erkennend vorzustoßen.

Je mehr mir dies gelingt – es gehört allerdings energisches und regelmäßiges Üben dazu –, desto mehr bekomme ich mein eigenes Denken in den Griff, kann es kontrollieren und daher auch selber beurteilen, inwieweit das, was es zutage fördert, wahr ist oder nicht. Durch die immer wieder geübte Anstrengung, meinen Denk-Willen auf das Denken selbst zu lenken und von allem Anderen abzulösen, begebe ich mich zugleich auf den Weg zu wirklicher Freiheit in und aus mir selber, auch gegenüber allem, was sonst in meinem Seelenleben auftreten kann.

Innere Freiheit entsteht so aus dem energischen Anstreben wirklich selbstbestimmten Denkens. Diese Freiheit eröffnet zugleich den Weg zum Erleben der Wahrheit. Die Furcht vor dem Schein selber weist mir den Weg zu ihrer Überwindung, indem der Schein durchdrungen wird und die Furcht die Wahrheit freigibt.

Die Welt angstfrei lieben

Gewalt und Angst hängen zusammen, wie oben gezeigt werden konnte. Begegnet der Mensch dem Walten von Mächten, die seinen Lebensweg einengen, ohne dass er dies selber mit sich und seinen Intentionen verbinden kann, so erlebt er es als Äußerung von Gewalt, und damit in der Regel angsterregend. Überwältigt die aus der Welt entgegenkommende Gewalt den Menschen, so entsteht in der Enge, der Angst, Gezwungensein statt Freiheit.

Eine erste Reaktion darauf kann der Versuch sein, Gewalt mit Gegengewalt zu begegnen, dem Zwang der Welt nun die Bezwingung der Welteinflüsse durch eigene Gewaltausübung entgegenzusetzen. Dass dies niemals zu einem durchgreifenden Erfolg führen kann, sondern immer nur zu einer – mehr oder weniger offensichtlichen – Eskalation in einer Gewaltspirale, ist wohl unmittelbar einsichtig. Denn selbst wenn eine Seite zunächst unterworfen wird, bleibt sie ja bestehen, und wird sich selber bei der nächstmöglichen Gelegenheit wieder zur Geltung zu bringen versuchen. Die Geschichte der Kriege der Menschheit bietet genügend Anschauungsmaterial; gewaltsame Unterwerfung führt längerfristig immer zum nächsten Konflikt.

Natürlich kann eine Seite versuchen, den von ihr ausgemachten „Gegner“ vollständig zu vernichten; auch für solche Versuche gibt es Beispiele in der Geschichte genug. Nur ist solche Vernichtung immer auf denjenigen Bereich des Existenz begrenzt, der eben der Gewalt zugänglich ist. Und das ist derjenige Bereich, der sich in seinen Wegen und Methoden auf die äußere, materielle Raumeswelt beschränkt. Nur dort ist es unmöglich, dass zwei Wesen sich durchdringen, sozusagen zusammen, ineinander existieren. Die Welt der seelisch-geistigen Erlebnisse, durch die erst die äußere Welt überhaupt ins Bewusstsein treten kann, kennt diese Einschränkung nicht.

Friedrich Schiller formulierte es so:

Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit –
Leicht beieinander wohnen die Gedanken,
Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen“
(Friedrich Schiller, Wallensteins Tod, 2,2)

Ist es nicht frappierend, wie leicht man gewöhnlich geneigt ist, den Widerspruch zu unserem alltäglichen Erleben in einem solchen Zitat zu übersehen? Erleben wir nicht eher uns selber, unsere Gedanken als etwas eng Begrenztes – eben in ihrer Gültigkeit auf uns selber beschränkt –, dagegen die Welt als etwas Weites, ja Unendliches? Schiller sah das anders.

Wie aber bereits dargelegt, kommt es bei solchen Urteilen auf den Gesichtspunkt an, von dem aus sie getätigt werden. Vom Gesichtspunkt der physischen Außenwelt gesehen, ist diese Welt weit, unendlich weit, und der einzelne Mensch greift in seinem Erleben nur einen winzigen Teil des unendlichen Ganzen heraus. Vom Gesichtspunkt des denkenden, erlebenden Menschen aus sind die im Geiste liegenden Möglichkeiten, sich zu verbinden, unbegrenzt; die äußere Welt jedoch erscheint als eine Zusammenstellung von begrenzten Ausschließlichkeiten: wo ein Raumeskörper ist, kann eben kein anderer sein.

Geistig gesehen gibt es keine vollständige Vernichtung. Auch, was äußerlich in der Sinneswelt vollständig vernichtet scheint, bleibt geistig vorhanden und wird sich in der Zukunft wiederum Geltung verschaffen. Wie Wellen aus dem Untergrund schlagen solche Bewegungen dann in die Außenwelt hinein.

Nun ist aber bereits deutlich geworden6, dass die von mir erlebte Raumeswelt, meine Welt also, nicht das Ganze der Wahrheit der Welt ist. Dieser von mir erlebten Welt zugrunde liegt etwas, was ich nicht in ihren Gegenständen, sondern nur dort finden kann, wo ich in einen Umgang mit dem mir gegenüber stehenden Welten-Schein eintrete: in meinem eigenen Seelisch-Geistigen also.

Neben dem oben schon angesprochenen geistigen Freiheits-Kern meines eigenen Lebens hat das Welt-Erleben noch eine andere Seite: die mir im Alltag verborgenen Untergründe der äußeren Raumeswelt. Warum ist diese Welt so, wie sie ist? Wie kommt es, dass diese Welt mich selber in die Lage gebracht hat, sie als „eng“, angstbesetzt zu erleben, und zugleich das Freilegen von nur meinem eigenen Geist zugänglichen Zusammenhängen zu fürchten, kurzum, die „Gewalt der Welt“ und die „Welt als Schein“ erleben zu müssen?

Wir kommen hier an die polare Frage zu derjenigen nach für uns Heutige nur im Innern aufzufindenden Wahrheit; zu der Frage nämlich, wie die im Innern denkend mögliche Befreiung in der Welt wirksam werden könnte. Einen Hinweis gab die Betrachtung des Zusammenhanges von Angst und Gewalt7: nur völliges Verstehen der auf den Menschen wirkenden Welten-Gewalt kann helfen, die Gewalt gleichsam „auszurotten“ und damit die innerlich im Denken mögliche Freiheit auch in der äußeren Welt zu finden.

Hier stellen sich allerdings sofort Denk- und Lebensgewohnheiten in den Weg, die das Weiterschreiten verhindern wollen. Es scheint uns ja selbstverständlich, dass wir äußere Gewalt nur auf ihrem Felde – dem äußeren Weltendasein also – besiegen und „ausrotten“ können. Wie schon gezeigt, ist dies aber ein Irrtum. Denn auch unsere Anschauung von der zwingenden Außenwelt ist eben – unsere Anschauung. Sie liegt in uns selber, in unserer Art, über die Welt zu denken, die zu erkennen uns die Furcht vor der Wahrheit unserer selbst gewöhnlich hindern will.

Damit kann aber etwas beginnen, was sehr viel mühsamer, langwieriger und schwieriger zu sein scheint als die gefürchtete Begegnung mit der Wahrheit unserer selbst. Es ist dies das Eintreten in die reale Umgestaltung des Welterlebens aus der bewussten Einsicht in die Tatsache, dass die geistigen Urgründe der Außenwelt nur dann aufgefunden werden können, wenn sie im Geiste, also niemals in den einzelnen, gegebenen Gegenständen des Weltenscheins selber gesucht werden. Der Weltengeist muss eben durch den Menschengeist gesucht werden, den der individuelle Mensch in sich zum Bewusstsein bringen kann.

Wer ist dieser Weltengeist? Es ist derjenige Geist, oder besser gesagt dasjenige geistige Wesen, das uns bis an diejenige Stelle gebracht hat, an der wir jetzt sind und beginnen können, bewusst in diesen Werdeprozess mitgestaltend einzutreten. Traditionell wird dieses Wesen „Gott“ genannt. Es hat uns also in die Lage versetzt, nun gleichsam „Mit-Gott“ zu werden. Uns als „Mit-Gott“ zu erkennen, können wir durch die Überwindung der Furcht lernen, also durch Umgestaltung unseres eigenen seelisch-geistigen Lebens. Der von uns gefürchtete Gott, den wir in uns finden können durch Überwindung der Furcht, hat eine zweite Seite in einem Prozess, der sich in der äußeren Welt zeigen muss, in dem sich nach und nach die Wahrheit der Welt erweisen soll.

Wie die Umgestaltung unseres Inneren einhergehen muss mit der Überwindung der Furcht vor der Wahrheit durch den Erkenntnismut, so muss auch die Angst vor der Gewalt überwunden werden durch genau dasjenige, was uns der Welten-Gewalt gegenüber am schwersten fällt: durch das verstehende Aufnehmen der Gewalt als zukünftig von uns zu Überwindendes. Um es nochmals deutlich zu machen: Verstehen ist nicht Gutheißen, und schon gar nicht Unterwerfung. Verstehen ist aber Vorbedingung jeder Umgestaltung. Und dieses Verstehen kann nicht ein äußerliches Beschreiben sein. Äußerlich beschreiben kann man nur die äußere Erscheinung der Gewalt. Nein, verstehen heißt hier, etwas ganz aus sich selbst heraus nachvollziehen zu können, sich selber also gleichsam in den Urgrund der Gewalt hineinversetzen zu können. Und etwas ganz aus seinem Urgrund verstehen, es in uns aufzunehmen, indem wir uns in dieses Fremde selber hineinversetzen, etwas also ganz aus sich selber heraus verstehen, das können wir nur, wenn wir uns frei aus uns selber ihm zuwenden wollen, es also – lieben.

Bei so einem Satz sträubt sich alles in uns zunächst. Das liegt aber nur an unerkannten Denkgewohnheiten. Wie schon gesagt: denkendes Verstehen ist nicht Gutheißen der Erscheinung, und entsprechend heißt Lieben nicht, alles genauso haben oder tun zu wollen, wie es gerade geschieht oder von uns verlangt wird. Ebenso wie selbst-bewusstes, denkendes Verstehen uns vom Schein zur Wahrheit führen kann, soll die Liebe die Welt durch das „Ausrotten“ der Gewalt zu einer menschen- und geistgemäßen umgestalten. Ein solcher Weg fordert aber von dem Menschen, der ihn betritt, Geduld und Leidenskraft, eine Kraft also, die nicht sich der Gewalt bloß unterwirft (ein zeitweises Ausweichen ist keine Unterwerfung), sondern die sich selber aus den Quellen des Menschengeistes immer wieder so zu stärken weiß, dass die Gewalt letztendlich davor schwinden und sich selber begrenzen muss.

Gegenwart des Menschen

Der Mensch, der sich selber zwischen der Furcht und der Angst zu verlieren droht, ist damit auf zwei unterschiedliche Wege zur Behauptung seiner selbst verwiesen: nach innen, wo er in der Überwindung der Furcht vor der Wahrheit den Schöpfergott in sich finden kann, und nach außen, wo liebendes Erkennen des angsterregenden Schicksales den Menschen in die Weite der unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten voranschreiten lässt.

Kann der Mensch den Mut nicht aufbringen, den Schleier vor der Wahrheit der eigenen Freiheit zu durchdringen, so verbleibt er im Schein. Versucht der Mensch – egal ob innerlich frei oder dem Schein verhaftet – sein Schicksal in der Welt zu erzwingen, so prallt er an der äußeren Gewalt ab. Wie im Innern der Schein der Welt nur entkräftet werden kann, indem sich das denkende Erkennen auf sich selber wendet und stützt, so kann die Gewalt nur „ausgerottet“ werden, indem der Mensch liebend den wahren Intentionen des Weltgeschehens seine eigene Kraft schenkt und ihnen dadurch zur wahren Offenbarung und Wirkung verhilft. Dadurch verbinden sich Freiheit und Liebe zur Weisheit.

Damit macht der Mensch sein Inneres in sich selbst zum Objekt (wie oben dargelegt), und gleichzeitig das Weltgeschehen zu seiner eigenen Sache8. Freiheit und Liebe sind die beiden Seiten ein und desselben: des MENSCHEN, der sich in allen individuellen Variationen der irdischen Person nach und nach als lebendiges Entwicklungszentrum des Zukünftigen geltend machen will.

Das ist niemals möglich, wenn man nur die Angst und die Furcht loswerden, sich selber (und damit den grundlegenden Charakter der Erscheinungswelt) aber unverändert lassen will. Wer so etwas anstrebt, löscht den Menschen aus, der dann nämlich, durch Angst und Gewalt aus der Welt gesteuert, jede Chance vergibt, die Furcht und damit den Schein zu überwinden.

Das ICH des Menschen dringt eben zur wirklichen Gegenwart nur vor, indem es die Furcht und die Angst als Wegweiser zu seiner eigenen, frei sich gestaltenden Existenz anerkennt – und, ja, auch erleidet, was ihm dadurch zukommt. Den Schein und die Gewalt kann man eben nicht überwinden, indem man sich ihnen unterwirft oder sie einfach nur wegschaffen will9. In beiden Fällen glaubt man ihnen, was sie vorgeben zu sein. Der Mensch muss aber durchdringen zum Erkennen ihrer Wahrheit. Dann erst, wenn der Mensch dem Schein und der Gewalt ihr Wahrheit spiegelt, mitleidend mit dem Gott, der ihm den Schein erschuf, und mit dem Geist, der aller Gewalt erst entrungen werden muss, – dann erst wird der Mensch seiner Gegenwart gerecht und damit weise werden können.

Nachbemerkung

Rudolf Steiner schuf unter anderem auch eine Holzstatue, die in der Mitte den „Menschheitsrepräsentanten“, den er auch den Christus nennt, und oben und unten zwei Verführermächte zeigt, die eine hochfliegend, aber ohne Bezug zur Erde nehmen zu wollen, die andere in der Erde, von dortaus in die Menschensphäre drängend. Beiden gegenüber verhält sich der Menschheitsrepräsentant so, dass er ihnen durch seine Haltung erkennendes, unendliches Mitleiden zeigt, sie selber aber sich dadurch an der Ausführung ihrer Intentionen hindern. Die Schilderung ist sehr eindrucksvoll; ich empfehle hier, sie nachzulesen10.

© Stefan Carl em Huisken 2021

1Diesen treffenden Ausdruck verwendet Rudolf Steiner in seinem Vortrag vom 19. Dezember 1920, der sowieso eine empfehlenswerte, vertiefende Lektüre ist. Steiner, Rudolf: Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen. GA 202. – Dornach, 1993, S. 199 ff

2Ein in der Szene der anonymen Alkoholiker bekanntes Wort, das ihnen vielfach Wegleitung aus der Bedrängnis zu geben vermag.

3vgl. dazu auch https://emhuisken.de/das-boese-was-hilft-die-aufregung-die-kraefte-wirksam-nutzen/, wo ich diese Situation im Zusammenhang mit der Frage von Gut und Böse besprochen habe.

4Ganz in diesem Sinne ist ja der Titel von Rudolf Steiners Buch „Die Geheimwissenschaft im Umriss“ zu verstehen: eine Wissenschaft, die von dem handelt, was für das alltägliche Bewusstsein „geheim“ ist, also ihm nicht ohne Weiteres erscheint.

5Auch im Traum hat man ja Wahrnehmungen; gemeint ist hier also der wirkliche traumlose Schlaf.

6s.o. Abschnitt „Furcht und Schein“

7s.o. Abschnitt „Angst und Gewalt“

8Ich verweise in diesem Zusammenhang immer wieder auf einen frühen Aufsatz von Rudolf Steiner, in dem das hier Dargestellte in einer gewissen Schärfe und Klarheit auf den Punkt gebracht ist. Steiner schreibt dort: „Nicht selbstlos soll der Mensch werden; das kann er nicht. Und wer sagt, er kann es, der lügt. Aber die Selbstsucht kann sich bis zu den höchsten Weltinteressen aufschwingen. Ich kann die Angelegenheiten der ganzen Menschheit besorgen, weil sie mich ebenso wie meine eigenen interessieren, weil sie zu meinen eigenen geworden sind. (…) Erweitert euer Selbst nur erst zu Welt-Selbst, und dann handelt immerzu egoistisch. Seid wie das Hökerweib, das Eier auf dem Markt verkauft. Nur besorgt nicht das Eiergeschäft aus Egoismus, sondern besorgt das Weltgeschäft aus Egoismus.“ (Rudolf Steiner: Der geniale Mensch. in: Steiner, Rudolf: Methodische Grundlagen der Anthroposophie. Gesammelte Aufsätze 1884-1901. GA 30. – Dornach, 1989. S. 431 f)

9vgl. dazu den Satz Rudolf Steiners: „Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen können; sonst gerät man unter ihre Knechtschaft.“ Steiner, Rudolf: Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung. Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode. – Dornach, 1973. S. 271

10vgl. Steiner, Rudolf: Das Geheimnis des Todes. GA 159. – Dornach, a980, S. 248 f