Menschliche Zukunft? – Nur mit den Menschen.

Wer entscheidet eigentlich?

Wenn man gegenwärtig manchen Entscheidungs- bzw. Nicht-Entscheidungsprozess in den Blick fasst, so kann es scheinen, als ob irgendwelche Programme einander bekämpfen und versuchen, übereinander Macht zu bekommen. Jedenfalls verläuft die Argumentation in der Regel so, dass ideologische Programme oder sogenannte wissenschaftliche Untersuchungen darüber Auskunft geben sollen, was zu tun oder zu lassen ist. In Einzelfällen entscheiden auch gesetzliche oder anderweitig festgelegte Verfahrensweisen darüber, was überhaupt getan werden kann oder eben nicht. Es entscheiden also in der Regel unsichtbare Autoritäten: „Ideologie“ (die heißt meistens zwar anders, oder wird anders genannt, ist aber Ideologie und bleibt es), sogenannte „Wissenschaft“ oder ganz einfach der „Sachzwang“. Wenn es ganz böse kommt, sorgt der „multilaterale Sachzwang“ dafür, dass – gar nichts geschieht.

Soweit Menschen dabei vorkommen, so sind sie zumeist Angehörige einer ideologisch gebundenen Gruppe (z.B. „Partei“) und damit nur Sprachrohre einer Ideologie. Oder sie sind „nur Ausführende“, oder Opfer dessen, was zu entscheiden ist – allesamt also Getriebene, abhängig, unfrei. Und dann wird diskutiert: dies ist richtig („meine Ideologie“), das ist falsch („deine Ideologie“), manches ist gesetzlich erlaubt oder eben nicht, ist Bestandteil des Auftrags oder eben nicht – alles beliebig. Eine SACHE kommt dabei normalerweise nur als Anlass für Machtkämpfe vor. Die Suche nach der WAHRHEIT, die Frage nach dem, was förderlich wäre für alle, die wird eben immer – ideologisch entschieden. Ausweglos. Nichts geht mehr. Entweder Kampf bis aufs Messer oder allgemeiner Stillstand.

Immer die Menschen!

Aber ganz klar ist: es sind IMMER DIE MENSCHEN, die es entscheiden, die sich selbst zuerst dieser oder jener Ideologie unterordnen. Es sind die Menschen, die sich unter dem Etikett „Wissenschaft“ Darlegungen sehr unterschiedlicher Qualität im Hinblick auf unvoreingenommene Wahrheitssuche gegenseitig um die Ohren hauen, die Gesetze nutzen, um taktische Vorteile zu erlangen und dergleichen mehr. Immer sind es Menschen, die etwas zum „Sachzwang“ erklären. Es sind eben immer die MENSCHEN, die sich offenbar ganz grundsätzlich entschieden haben, Autoritäten zu benötigen, die ihnen dann Macht geben, Macht über andere, und Macht über den Weg, den die menschliche Gemeinschaft gehen soll.

Autoritätshörigkeit

Daraus wird deutlich: die Menschen haben heutzutage offenbar ein sehr starkes Bedürfnis, Autoritäten über sich selbst zu stellen. Autoritäten, die dann aber natürlich ihnen selbst nützlich sein sollen, gegen die anderen Autoritäten, auf jeden Fall aber: die den Menschen selbst die Verantwortung abnehmen. Die Verantwortung nämlich, alles selber zu regeln, selber zu denken, das eigene Urteil anzuwenden.

Und: jedes Urteil eines anderen, das ich – ohne es selber irgendwie auf seine Gültigkeit prüfen zu können und zu wollen – meinen Entscheidungen zugrunde lege, ist eben ein Vor-Urteil. Jede Theorie, gerade auch sogenannte wissenschaftliche Theorie, die irgendetwas als gültig voraussetzt, ist ein solches Vorurteil. Wirklich gute Wissenschaftler wissen das, und sagen es rundheraus dazu: ich mache diese oder jene Voraussetzung, weil ich es so will. Das kann ich dann zwar begründen, aber letztlich ist es meine Entscheidung. Das kann man ja machen – aber man muss es wissen und auch deutlich sagen. Dann kann man auch problemlos mit anderen Menschen reden, die andere Voraussetzungen machen.

Nur: wer von uns WEISS wirklich, welche Voraussetzungen er schon gewohnheitsmäßig macht? Sobald „Standpunkte“ in Frage gestellt werden, hebt in der Regel die Schlacht der Autoritäten an: dieser oder jener hat aber dies gesagt, ein anderer das Gegenteil und so weiter. Es geht also sofort nur noch um die Inhalte, die entweder richtig oder falsch sind (meine sind richtig, alle anderen sind falsch). Ob der Weg, auf dem diese Inhalte ins Bewusstsein kommen – also mein Denkprozess – geeignet ist, die SACHE zur Geltung zu bringen, ist dabei in der Regel keine Frage. Ich bin doch nicht blöd, oder? Kurzum: es geht sofort nur noch um die Macht, um Selbstbehauptung.

Streit statt gemeinsamer Suche

So entsteht Streit – ja, um was denn eigentlich? Um die Ergebnisse unserer jeweils unterschiedlichen ganz persönlichen Ideologien. Ich glaube eben dies und das, ein anderer etwas anderes. Letztlich sind es also Glaubenskämpfe. Aber: WARUM glaube ich denn dieses oder das? Auf welchen WEG komme ich dahin, es als gültig anzusehen? Kann ich nicht viel besser versuchen, dem anderen eine Möglichkeit zum Nachvollziehen meiner Glaubensbildung zu geben, indem ich mir und dem anderen Rechenschaft ablege über diesen Weg? Oh, Moment, KENNE ich den Weg überhaupt?

Und jetzt kann gemeinsame Suche beginnen. Das Gespräch zwischen Menschen, die ihre Lebenswege ausschnittweise miteinander teilen – einander mitteilen – und so gemeinsam auf die Suche gehen nach dem, was für beide gleichermaßen Gültigkeit haben kann. Für diesen Weg hat nämlich jeder selbst die höchste Autorität: niemand anders kennt diesen Weg besser als ich selber. Also kann ich auch selber dafür einstehen und benötige niemanden über mir, keine Ideologie, kein Programm, keinen Zwang welcher Art auch immer. Nur mich, die Sache, um die es geht, und den anderen. So lerne ich Wege kennen – meinen eigenen, den anderer, ein wenig vielleicht einen allgemein-menschlichen.

So ersetzt gemeinsame Bewegung den Stillstand, den Grabenkrieg, den Streit um Autoritäten – also des Kaisers Bart. Denn welche Bedeutung hat des Kaisers Bart, wenn kein Mensch da ist, der ihm diese Bedeutung gibt? Wie mit des Kaisers Bart ist es mit allem: dem sogenannten „Guten“, den „Bösen“, dem dazwischen. Es hat immer die Bedeutung, die die Menschen ihm geben.

Nur der Mensch kennt „Bedeutung“

Von Bedeutung weiß nur, wer eben weiß, was „Bedeutung“ überhaupt bedeutet. Lewis Mumford (in „Mythos der Maschine“) formulierte einmal: „Kein Computer kennt die Bedeutung von Bedeutung“. Eben. Wenn er irgendein Surrogat davon irgendwann durch seine Berechnungen vorspiegeln kann, dann ist es IMMER der Mensch gewesen, der ihm dies so und nicht anders vorgegeben hat: der MENSCH (oder meinetwillen die Menschengemeinschaft) also, der diesen Computer so wie er ist hervorgebracht hat, mit allen sichtbaren und unsichtbaren Einzelheiten. Der Computer kann also gar nicht anders, er muss immer Autoritäten haben, nämlich die Menschen, die in der Lage sind diesem oder jenem diese oder jene Bedeutung zu GEBEN.

Insofern kennt auch nur der Mensch „Bedeutung“: nämlich das Wissen, worum es sich bei „Bedeutung“ handelt. Es ist dabei ganz gleich, wie er dieses Wissen formuliert, für sich und andere. Es ist ganz gleich, welchen Inhalt er diesem Wort gibt. Aber IMMER hat der Mensch die Verantwortung, immer, unausweichlich, für das, was er mit diesem Wissen anfängt, und wie er dazu gekommen ist.

Das ist nun allerdings keinerlei Überhöhung des Menschen über alle anderen Naturreiche. Der Mensch allgemein, und damit auch jeder einzelne konkrete Mensch, sofern er hier auf der Erde lebt, ist verbunden mit allen Vorgängen der Natur, die er als Gewordene vorfindet. Ohne die wäre er nicht hier, auf der Erde. Und diese Vorgänge zu kennen, so wie sie für sich selber sind, ohne alle Vorurteile, ohne Autoritäten, ohne Glauben und ohne Macht, das muss der Mensch sich erst noch erringen. Erst dann kann der denkende Mensch die WAHRE Bedeutung der Dinge ermessen – und damit seine eigene. Solange er nur aus eigener Willkür, abgeleitet aus dieser oder jener Autorität, Ideologie, Theorie oder Meinung den Dingen Bedeutung zuerkennt, bleibt er dem wahren Wesen der Dinge fern.

Was ist zu tun?

Tagtäglich gibt es Streit, Krieg, Anwendung von Gewalt, Zerstörung aller Art, nur wegen dem Einen: der Abhängigkeit der Menschen von Autoritäten über ihnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Einzelne weiß, dass er autoritätshörig ist, und welcher Autorität er sich unterordnet. Die Menschen sind es, und das reicht, um Zwist zu schaffen.

Nehmen wir einmal unser politisches System: dadurch, dass Abgeordnete in den sogenannten demokratischen Gremien in der Regel Mehrheitsentscheidungen fällen, haben wir immer die Herrschaft der Mehrheitsmeinung über die Minderheitsmeinung. Und da Abgeordnete nicht nur über die Sachen zu entscheiden haben, mit denen sie sich selber eingehend befasst haben und die sie daher wirklich selber kennen, müssen sie sich zwangsläufig häufiger von anderen sagen lassen, was nun „richtig“ oder „falsch“ sein soll. Und damit das dann möglichst gut zu ihnen selber passt, ordnen sie sich einer Ideologie zu („Partei“ in den meisten Fällen) und achten dann darauf, dass sie sich ihre Meinungsvorgaben nur von solchen Stellen holen, die ihrer eigenen Ideologie passend scheinen.

Aber wie wäre es nun, wenn z.B. in staatlichen Gremien – der Staat soll ja das Zusammenleben der Menschen in einem bestimmten Territorium regeln – nur über Dinge gesprochen würde, über die jeder Mensch in dieser Weltgegend einfach durch sein Menschsein etwas wissen kann? Also im Grundsatz nur über wirkliche einzelmenschliche Rechtsfragen zum Beispiel (NICHT über kompliziert-esoterische Machwerke von Rechtshandwerkern, die Gesetze machen, die möglichst niemand versteht, damit auch ja nicht der einzelne Mensch etwa ein eigenes Urteil darüber haben könnte)?

Unlösbare Aufgabe?

Ja, aber wer regelt dann all das andere: das Wirtschaften, die Bildung, die Kunst, die Wissenschaft? Ganz einfach: diejenigen, die sich eingehend damit befasst haben und die deswegen davon etwas verstehen. Die regeln das selber, unter sich. Die können das nämlich am besten, am meisten der Sache gerecht zu werden. Dann haben sie nämlich die Möglichkeit, das auch FREI zu tun, und nicht irgendeine Autorität über sich beachten zu müssen.

Dann ist die Aufgabe lösbar. Das einzige, was klar sein muss, das ist: jeder sollte nur zu den Dingen etwas sagen, wovon er auch etwas versteht. Beim Allgemein-Menschlichen ist das jeder Mensch. In der Wirtschaft nur derjenige, der auch wirklich wirtschaftet, in die Gemeinschaft der Wirtschaftenden eingebunden ist, mit ihnen im Austausch steht und darum von der Sache etwas versteht. Und in Wissenschaft, Kunst, und Religion nur derjenige, der dort praktizierend im Austausch mit den anderen Praktizierenden tätig ist.

Über das Allgemein-Menschliche hat also der Wirtschafter von seiner Warte als Wirtschafter aus nichts zu sagen – nur als ein Mensch unter anderen Menschen, egal was sie sonst tun. Über das praktische Wirtschaften hat der Priester nicht zu reden. Und es hat einfach nicht jeder Mensch bloß wegen seines Menschseins in die Tätigkeit von Lehrern und Wissenschaftlern hinein zu reden. Der Sachverstand entscheidet. Und das ist dann sehr einfach: wenn die Gemeinschaft der Wirtschaftenden sagt: du bist zum Wirtschaften nicht genügend fähig (sie wissen ja etwas davon), dann kann er da eben nicht mitmachen und sollte sich auf etwas anderes verlegen. autoritäten haben eben nur auf IHREM Gebiet Autorität.

Vorbedingungen

Aber es gibt Vorbedingungen dafür, dass eine solche Handhabung des Zusammenlebens erfolgreich sein kann. Es müssen nämlich die Bereiche wirklich klar voneinander geschieden werden, auf allen Ebenen. Wie schwer das den Menschen heute noch fällt, kann ein Beispiel verdeutlichen:

Dass die Menschen wirtschaften, hat ja den Grund, dass sie für sich die Lebensbedingungen schaffen wollen, die sie brauchen. Das ist der Anlass für ihr wirtschaftliches Tun. Die Menschen selbst zu unterhalten ist also das Ziel menschlichen Wirtschaftens. Beim Wirtschaften muss geschaut werden, was vorhanden ist, und was damit gemacht werden muss nach Maßgabe des Bedarfs. Und dann natürlich: wer kann und will das dann tun? Wenn das alles geregelt ist, muss ein Preis festgelegt werden für das, was man erschaffen hat. Dieser Preis ist dann „gerecht“, wenn er so ist, dass alle am Entstehen des Produktes unmittelbar oder mittelbar Beteiligten so viel dadurch erhalten, dass sie damit gemeinsam wiederum ein gleiches Produkt erzeugen könnten.

Das Problem

Und jetzt kommt das Problem: wer die beteiligten Menschen in seiner wirtschaftlichen Rechnung genauso betrachtet wie irgendeinen Ausgangsstoff, und also als etwas Käufliches ansieht, als eine Ware, der schließt alle diese „gekauften“ Menschen von der Gemeinschaft der Wirtschaftenden aus. Und das, obwohl er selber ohne diese anderen, die er als „Käufliche“ ansieht, gar nicht produzieren könnte. Ware ist nämlich das, was produziert wird und dann in den Austausch zwischen den Menschen gegeben wird („Handel“). Und das kann ein Mensch niemals sein, denn Ware gibt es nur UM DER MENSCHEN WILLEN. (Das gleiche gilt im Übrigen, wenn jemand produziert, und es ist gar kein Bedarf da. Das kennen wir ja – oder warum gibt es sonst so unglaublich viel Werbung für dieses oder jenes?).

Wer also so rechnet, versteht gar nicht, was er beim Wirtschaften eigentlich tut, denn er betrachtet den Adressaten seiner Tätigkeit – den Menschen, für dessen Bedarf produziert werden soll – bloß als käufliches Werkzeug zum Produzieren an, als einen Kostenfaktor. Das Produzieren an sich und bloß um seiner selbst willen sozusagen. Und nur noch für diejenigen, die eben solche Rechnungen anstellen, zählt das Ergebnis. Die Gemeinschaft der Wirtschaftenden müsste eigentlich solche Menschen als unfähig ausschließen und ihnen nahelegen, besser etwas anderes zu tun. Sie verstehen ja nicht richtig, was sie tun.

Und nun?

Das sind Gedankengänge, die zugegebenermaßen ungewöhnlich und damit erst einmal etwas anstrengend sind. Und natürlich hier nur unvollständig angerissen. Aber sie sind bei gutem Willen für jeden Menschen nachvollziehbar. Sie sind damit Bestandteil einer Wissenschaft, die – anders als die heute so hochgeschätzte, ideologiegetragene Wissenschaft – allgemein-menschlich ist. Aus einer solchen Wissenschaft können Gedanken hervorgehen, die bei einer Neuregelung des menschlichen Zusammenlebens sich hilfreich erweisen. Denn es ist eine menschliche Wissenschaft, eine die sich nicht dem Diktat ungeheurer Gescheitheit unterordnet. Eine Wissenschaft, die also nicht Autorität demjenigen zuerkennt, der möglichst gescheit klingende Reden führt, die kaum jemand versteht, die aber auch nicht einfach jedes Menschen Meinung für wahr hält, sondern immer erst den Weg sucht zur Sache, um die es eigentlich geht.

Sei’s drum. Nur selber denken hilft.